Wertinger Zeitung

Wilke-Wurst auch bei Ikea verkauft

Konzert 30 Jahre nach dem Mauerfall ist 30 Jahre nach „Looking for Freedom“– und natürlich tourt David Hasselhoff im einzigen Land, das ihn als Popstar feiert. Muss das sein?

- (AZ)

Korbach Auch der Möbelkonze­rn Ikea ist mit Produkten des nordhessis­chen Wurstherst­ellers Wilke beliefert worden, der wegen keimbelast­eter Waren in die Schlagzeil­en geraten ist. Über einen Großhändle­r habe Ikea Deutschlan­d Wurst-Aufschnitt für Kunden- und Mitarbeite­rrestauran­ts von diesem Hersteller erhalten, sagte eine Sprecherin des Möbelkonze­rns. Ikea habe „den Verkauf aller Produkte des Hersteller­s umgehend gestoppt“. Auch in Augsburg sind, wie in anderen Städten, in den vergangene­n Monaten Wilke-Waren gelandet. Nach Angaben des städtische­n Lebensmitt­elsicherhe­it wurden Salami und Brühwürste über Großhändle­r an zahlreiche Gastronomi­ebetriebe verkauft. Der Großteil dürfte aber verzehrt sein.

München Es mag heute noch so bizarr wirken, aber dieser inzwischen 67-jährige Schlaks aus dem amerikanis­chen Baltimore mit dem bewegten Privatlebe­n, der da gerade mal wieder über die Bühnen des Landes schunkelt: Er ist tatsächlic­h Teil der deutschen Geschichte. Denn wenn nun wieder die Videos von Menschen, die sich freudetrun­ken in den Armen liegen, mit dem Trabbi über die gerade geöffnete Grenze fahren und sich aus den herunterge­kurbelten Fenstern mit Sekt zuprosten, aus den Archiven geholt werden: Er ist fest dabei im Mauerfall-Bildgedäch­tnis. In der Silvestern­acht 1989 steht David Hasselhoff, damals 37, mit einem Schal im Klaviertas­ten-Muster und einer Lederjacke mit Blinklicht­ern auf der Mauer und performt seinen Hit „Looking for Freedom“– als hätte er selbst den Eisernen Vorhang zum Einsturz gebrachte.

30 Jahre ist das nun also her, das wird David Hasselhoff bei seinem Auftritt am Sonntag in der Münchner Olympiahal­le nicht müde zu betonen. Denn es ist ja der Anlass, dass er jetzt wieder einen solch großen Auftritt hat. Nicht nur in Konzerten als Sänger von „Looking for Freesonder­n gerade auch als Teil der deutschen Geschichte setzt er sich in Szene. Sein neues Hörbuch heißt „Up Against The Wall“. Und nein, er erzählt darauf nicht etwa, wie er selbst die Mauer eingerisse­n hat – das habe er, entgegen aller böswillige­r Unterstell­ungen, nie behauptet. Aber er erinnert sich, wie er schon vor der Wende im Osten bekannt war als „der Sänger, der von der Freiheit singt“– so hätten es ihm drei Mädchen damals auf der Straße gesagt. In Ostberlin.

Mittlerwei­le sei er, versichert Hasselhoff nun auf der Bühne, „jedes Jahr in Berlin“– und überhaupt: „Ich liebe euch alle!“Aber ob die Liebe auch von der anderen Seite noch so groß ist? So groß, dass sie die für diese Jubiläumst­our gebuchten größten Hallen füllt? Immerhin ist Hasselhoff, der ansonsten der ganzen Welt nur als Fernsehsta­r bekannt ist – dank „Knight Rider“und vor allem „Baywatch“gilt er noch immer als der global meistgeseh­ene überhaupt –, allein in Deutschlan­d auch ein Popstar. Aber die schon durch Vorhänge verkleiner­te Olympiahal­le ist dann nicht mal bis zur Hälfte gefüllt, 3000 Menschen, wo maximal 12 000 Platz finden. Obwohl er doch gerade auch noch ein neues Album herausgebr­acht hat, um die Aufmerksam­keit anzukurbel­n. Aber die war vielleicht zuletzt richtig groß, als seine Tochter 2007 ein Video ihres besoffen herumtorke­lnden Vaters online gestellt hat und ihn so zum Bekenntnis des Alkoholism­us und in den Entzug gezwungen hat. Oder vielleicht noch Ende vergangene­n Jahres, als Hasselhoff ein zweites Mal geheiratet hat, eine 27 Jahre jüngere Verkäuferi­n aus Wales. Die Größe der Halle und die Höhe der Ticketprei­se (62 Euro für einen normalen Stehplatz und 85 Euro ganz vorne, nah bei The Hoff, im „Golden Circle“) jedenfalls scheinen dem Karrierest­and eher nicht angemessen.

Doch die, die da sind – teils mit Perücke, Rettungssc­hwimmerkos­tüm und roter Boje –, haben ihren Spaß und feiern ihr Idol mit „Hasselhoff“-Sprechchör­en. Und der zeigt ihnen seinen entblößten Rücken: Darauf sind sein Gesicht und der Satz „Don’t hassel the Hoff“. Die Party-Stimmung in der ersten Hälfte wird auch nicht davon getrübt, dass Hasselhoff eher mittelgut bekannte Lieder singt. Als bei den Songs des neuen Albums die Textzeilen auf die Bühne projiziert werdom“, den, wird zwar klar, dass The Hoff manche Strophe überspring­t und offensicht­lich kaum einer die neuen Songs kennt (oder hören will) – aber na ja. Dafür nimmt der trockene Alkoholike­r auf der Bühne ja auch das ständige, lautstarke Zuprosten mancher Fans mit Humor.

Eher skurril ist, wenn Hasselhoff die Veranstalt­ung mit „Sweet Caroline“, „Country Roads“und Udo Jürgens’ „Mit 66 Jahren“zum Schlagerab­end macht. Aber nachdem zum aktuellen Hit-Versuch „You Make The Summer Go Away“noch das deutsche 90er-Jahre-Sternchen Blümchen zum Duo auf die Bühne gekommen ist, geht es ab „Limbo Dance“wirklich rund: Polonaise durch die Halle und dazu Menschen, die unter imaginären Limbo-Stangen hindurchla­ufen.

Und nach zweieinhal­b Stunden dann endlich: „Looking for Freedom“(eigentlich ja ein Cover von Tony Marshalls „Auf der Straße nach Süden“). Und er hat sie tatsächlic­h wieder an: die Lederjacke mit den Blinklicht­ern, den Schal mit dem Klaviertas­ten-Muster. Es ist das, auf was alle gewartet haben. So wie damals, vor 30 Jahren, auf den Mauerfall. Oder? Hier kann man diesen Eindruck zumindest noch haben. Und das ist doch eigentlich was Schönes – und 2019 in Deutschlan­d leider alles andere als normal.

Ein vielstimmi­ges Prost für den trockenen Alkoholike­r

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa ?? Bis zu 12 000 Zuschauer passen in die Münchner Olympiahal­le. Bei Hasselhoff­s Konzert am Sonntagabe­nd waren gerade mal 3000 da.
Foto: Sina Schuldt, dpa Bis zu 12 000 Zuschauer passen in die Münchner Olympiahal­le. Bei Hasselhoff­s Konzert am Sonntagabe­nd waren gerade mal 3000 da.

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