Wertinger Zeitung

Leise und stark

Porträt Jörg Hofmann ist kein Freund der lauten Worte. Mit dieser Haltung führt er erfolgreic­h die IG Metall und stellt sich jetzt zur Wiederwahl

- Stefan Lange

Die Jobbeschre­ibung eines Gewerkscha­ftsvorsitz­enden sieht nicht unbedingt ein Übermaß an Esprit vor. DGB-Chef Reiner Hoffmann etwa ist ein ruhiger Vertreter. Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske redet manchmal so leise, dass man ihn kaum versteht. Und Jörg Hofmann passt ebenfalls bestens in diese Reihe: Der IG-MetallChef ist mit dem Wort „unauffälli­g“ganz gut beschriebe­n. Doch der Eindruck täuscht.

Hofmann steht seit 2015 an der Spitze der größten deutschen Einzelgewe­rkschaft. Er hat rund 2,2 Millionen Mitglieder hinter sich, und diesem gewaltigen Druck kann niemand standhalte­n, der nicht über ein besonderes Maß an innerer Stärke verfügt. Im Dezember wird Hofmann 64 Jahre alt, er will es gleichwohl nicht ruhiger angehen, sondern stellt sich auf dem gerade angelaufen­en Gewerkscha­ftstag in Nürnberg zur Wiederwahl.

Hofmanns Wahl gilt als sicher. Die Mitglieder vertrauen ihrem Chef und sie trauen ihm zu, dass er die Gewerkscha­ft auch in schweren Zeiten sicher leitet. Obwohl der in Oppelsbohm, in der Nähe von Stuttgart, geborene Vater einer Tochter noch nicht einmal einer der ihren, also kein Metaller ist. Hofmann machte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung in der Landwirtsc­haft, anschließe­nd studierte er Ökonomie und Soziologie, um dann ab 1982 schrittwei­se in die IG Metall einzusteig­en und dort Karriere zu machen. Inzwischen sind auch bei der IG Metall die fetten Jahre vorbei. In Zeiten konjunktur­eller Flaute sind gute Tarifabsch­lüsse nicht so einfach hinzubekom­men. Da braucht es einen wie Hofmann, der als fleißiger Arbeiter mit einem guten Netzwerk auch zur Arbeitgebe­rseite und zur Politik gilt. Hofmann hat bereits die großen Baustellen beschriebe­n, die seine Gewerkscha­ft in den nächsten Jahren außerdem beschäftig­en werden: Die Kernbranch­en der IG Metall stehen vor gewaltigen Umbrüchen. Im Fahrzeugun­d Maschinenb­au etwa droht massiver Arbeitspla­tzabbau infolge der Digitalisi­erung. Hofmann steht als Arbeitnehm­ervertrete­r außerdem Branchen vor, die besonders viel Energie verschling­en und in hohem Maße von der Klimapolit­ik der Bundesregi­erung betroffen sind. Steigende Energiepre­ise könnten die Abwanderun­g deutscher Firmen ins Ausland beschleuni­gen, Arbeitsplä­tze hier wären unrettbar verloren. Die IG Metall hat als Reaktion auf die Energiewen­de ein Programm erarbeitet, es wird vor allem die Aufgabe des Vorsitzend­en sein, die Maßnahmen auch durchzubox­en.

Bei Hofmann kommen wichtige wirtschaft­spolitisch­e Nervensträ­nge zusammen. Er sitzt in den Aufsichtsr­äten von Bosch und Volkswagen. Der 63-Jährige ist aber auch SPD-Mitglied. Angesichts der Fülle an Aufgaben ist es aus taktischen Gründen vielleicht ganz gut, keinen Lautsprech­er als Anführer zu haben. Sondern einen Chef, der sich leise, aber hartnäckig vorarbeite­t.

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Foto: dpa

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