Leise und stark
Porträt Jörg Hofmann ist kein Freund der lauten Worte. Mit dieser Haltung führt er erfolgreich die IG Metall und stellt sich jetzt zur Wiederwahl
Die Jobbeschreibung eines Gewerkschaftsvorsitzenden sieht nicht unbedingt ein Übermaß an Esprit vor. DGB-Chef Reiner Hoffmann etwa ist ein ruhiger Vertreter. Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske redet manchmal so leise, dass man ihn kaum versteht. Und Jörg Hofmann passt ebenfalls bestens in diese Reihe: Der IG-MetallChef ist mit dem Wort „unauffällig“ganz gut beschrieben. Doch der Eindruck täuscht.
Hofmann steht seit 2015 an der Spitze der größten deutschen Einzelgewerkschaft. Er hat rund 2,2 Millionen Mitglieder hinter sich, und diesem gewaltigen Druck kann niemand standhalten, der nicht über ein besonderes Maß an innerer Stärke verfügt. Im Dezember wird Hofmann 64 Jahre alt, er will es gleichwohl nicht ruhiger angehen, sondern stellt sich auf dem gerade angelaufenen Gewerkschaftstag in Nürnberg zur Wiederwahl.
Hofmanns Wahl gilt als sicher. Die Mitglieder vertrauen ihrem Chef und sie trauen ihm zu, dass er die Gewerkschaft auch in schweren Zeiten sicher leitet. Obwohl der in Oppelsbohm, in der Nähe von Stuttgart, geborene Vater einer Tochter noch nicht einmal einer der ihren, also kein Metaller ist. Hofmann machte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung in der Landwirtschaft, anschließend studierte er Ökonomie und Soziologie, um dann ab 1982 schrittweise in die IG Metall einzusteigen und dort Karriere zu machen. Inzwischen sind auch bei der IG Metall die fetten Jahre vorbei. In Zeiten konjunktureller Flaute sind gute Tarifabschlüsse nicht so einfach hinzubekommen. Da braucht es einen wie Hofmann, der als fleißiger Arbeiter mit einem guten Netzwerk auch zur Arbeitgeberseite und zur Politik gilt. Hofmann hat bereits die großen Baustellen beschrieben, die seine Gewerkschaft in den nächsten Jahren außerdem beschäftigen werden: Die Kernbranchen der IG Metall stehen vor gewaltigen Umbrüchen. Im Fahrzeugund Maschinenbau etwa droht massiver Arbeitsplatzabbau infolge der Digitalisierung. Hofmann steht als Arbeitnehmervertreter außerdem Branchen vor, die besonders viel Energie verschlingen und in hohem Maße von der Klimapolitik der Bundesregierung betroffen sind. Steigende Energiepreise könnten die Abwanderung deutscher Firmen ins Ausland beschleunigen, Arbeitsplätze hier wären unrettbar verloren. Die IG Metall hat als Reaktion auf die Energiewende ein Programm erarbeitet, es wird vor allem die Aufgabe des Vorsitzenden sein, die Maßnahmen auch durchzuboxen.
Bei Hofmann kommen wichtige wirtschaftspolitische Nervenstränge zusammen. Er sitzt in den Aufsichtsräten von Bosch und Volkswagen. Der 63-Jährige ist aber auch SPD-Mitglied. Angesichts der Fülle an Aufgaben ist es aus taktischen Gründen vielleicht ganz gut, keinen Lautsprecher als Anführer zu haben. Sondern einen Chef, der sich leise, aber hartnäckig vorarbeitet.