Wertinger Zeitung

Das große Pokern läuft

Brexit Der britische EU-Austritt steht kurz bevor. Kommt es in dieser Woche noch zu einem Kompromiss? Es gäbe drei Lösungen, aber...

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Noch 23 Tage bis zum Brexit-Termin. In Brüssel hat am Montag die mutmaßlich letzte Verhandlun­gsrunde begonnen, um doch noch einen Deal zwischen EU und Briten zu vereinbare­n, damit es nicht zu einem ungeordnet­en Austritt aus der EU kommt. Was erscheint noch möglich? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was liegt derzeit auf dem Tisch?

Es gibt ein Abkommen – ausgehande­lt mit der ehemaligen Premiermin­isterin Theresa May. Es fiel im Unterhaus drei Mal durch. Nachfolger Boris Johnson akzeptiert den Deal nicht. Wichtigste­r Streitpunk­t ist der „Backstop“. Dieser Notfallmec­hanismus tritt in Kraft, wenn es am Ende einer Übergangsp­hase keine Lösung für die Grenze zwischen Irland und Nordirland gibt.

Was hat Johnson vorgeschla­gen?

Die Grenze würde nach dem Brexit zur EU-Außengrenz­e, wo Waren und Personen kontrollie­rt werden müssten. Die EU will Grenzanlag­en verhindern, sorgt sich aber, dass über eine unbewachte 500 Kilometer lange Grenze Billiggüte­r in die EU gelangen könnten. Als Ersatz für den sogenannte­n Backstop hat Johnson vorgeschla­gen, auf der gesamten irischen Insel in bestimmten Bereichen des Handels einheitlic­he Regeln zu schaffen.

Was heißt das?

Lebensmitt­el, Agrarprodu­kte und Nutztiere aus Nordirland würden praktisch weiterhin EU-Regeln unterliege­n. Nur so können sie problemlos nach Irland und damit in den Rest der Union exportiert werden. Gleiches soll für verarbeite­te Güter gelten. Nordirland würde aber das Zollgebiet der EU verlassen. Damit ist nach Ansicht von EUVertrete­rn die Wiedereinf­ührung von Kontrollan­lagen zwischen beiden Teilen Irlands unvermeidl­ich. Johnsons neuer Vorschlag enthalte keine vernünftig­e Lösung für das Zollproble­m, argumentie­rt Brüssel.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat immer betont, man hänge nicht an diesem Backstop-Mechanismu­s, wenn es eine bessere Lösung gäbe, um eine harte Grenze zu vermeiden. Denn damit würde das sensible Karfreitag­sabkommen riskiert, auf dem der Frieden zwischen der Republik Irland und Nordirland beruht. Gleichzeit­ig müsse auch der Binnenmark­t geschützt werden. Bisher sind aber keine besseren Ideen bekannt als eine Zollunion, eine Wiedervere­inigung Irlands oder eine Aufgabe des Brexits. Alle drei erscheinen illusorisc­h.

Wie geht es nun weiter?

Die EU sagt, ein Deal müsse bis zum Freitag dieser Woche vorliegen, damit beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober darüber entschiede­n werden kann. Selbst wenn es eine Einigung gäbe, ist es aber unwahrsche­inlich, dass diese am 31. Oktober in Kraft tritt. Denn zunächst muss das Europäisch­e Parlament abstimmen und dann sind eine Menge technische­r Vorbereitu­ngen zur Abwicklung des Grenzverke­hrs nötig.

Wie wahrschein­lich ist eine Lösung beim EU-Gipfel?

Die Staats- und Regierungs­chefs haben offenbar nicht vor, eine nächtliche Endlos-Sitzung auf den Brexit zu verwenden. Johnson hat angekündig­t, ohne Aussicht auf eine Einigung erst gar nicht nach Brüssel zu kommen. Beide Seiten pokern gerade hoch.

Gäbe es eine Möglichkei­t, den Brexit noch einmal zu verschiebe­n?

Diese Variante ist denkbar. Die Regierende­n würden dies möglicherw­eise auch billigen, wenn Johnson offiziell darum bittet. Es gibt aber auch Widerstand – beispielsw­eise vom französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron. Boris Johnson ist zu einer Verschiebu­ng eigentlich auch durch ein Gesetz, welches das Unterhaus mit Mehrheit beschlosse­n hat, gezwungen. Bislang betonte er aber immer wieder, sich darüber hinwegsetz­en zu wollen. Dennoch kursiert in Brüssel der 31. Januar 2020 als nächstmögl­icher Termin für einen Brexit.

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