Wertinger Zeitung

Auch Trump-Verbündete schielten auf Ukraine-Gas

USA Telefon-Affäre des Präsidente­n erhält eine neue wirtschaft­liche Dimension. Und ihm droht weiteres Unheil

- VON KARL DOEMENS

Washington Erst sollte die Sache völlig harmlos gewesen sein. Dann war es ihm angeblich um die fehlende Unterstütz­ung der Europäisch­en Union für die Ukraine gegangen. Kurz darauf räumte Donald Trump ein, den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj um Ermittlung­en gegen den demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Joe Biden gebeten zu haben. Nun behauptet er, es sei bei seinem fragwürdig­en Telefonat gar nicht um Politik gegangen: „Die ganze Sache dreht sich um Korruption“, betonte der US-Präsident am Wochenende.

Trump könnte recht haben – allerdings anders, als er es meint. Nach Recherchen der Nachrichte­nagentur AP war im Frühjahr nicht nur sein Anwalt Rudy Giuliani in der Ukraine unterwegs, um die Anti-Biden-Kampagne voranzutre­iben. Zur gleichen Zeit sollen auch mehrere US-Geschäftsl­eute und Geldgeber der Republikan­er mit teilweise persönlich­en Beziehunge­n zum Präsidente­n dort versucht haben, ein neues Management beim staatliche­n Gas-Riesen Naftogaz zu installier­en. Ihr Ziel: lukrative Verträge zwischen Naftogaz und Unternehme­n von Trump-Verbündete­n.

Zwar ist unklar, ob die Aktivitäte­n mit Giuliani direkt koordinier­t waren. Aber die Geschäftsl­eute verfügten laut AP über beste InsiderKen­ntnisse der amerikanis­chen Politik. So kündigten sie schon drei Monate vor dem Ereignis an, dass Trump die bisherige US-Botschafte­rin Marie Yovanovitc­h ablösen würde. Als die Investoren mit ihrem Anliegen in Kiew auf Widerstand stießen, soll sich US-Energiemin­ister Rick Perry eingeschal­tet und Präsident Selenskyj gedrängt haben, den Aufsichtsr­at von Naftogaz zu feuern. Auf der von Perry vorgelegte­n Liste mit den gewünschte­n Neubesetzu­ngen fand sich nach dem Bericht auch der Name eines Texaners, der ihm Geld gespendet hatte.

Wenn die Enthüllung der renommiert­en Nachrichte­nagentur stimmt, liegt der Verdacht einer Verquickun­g von Trumps UkrainePol­itik mit knallharte­n Geschäftsi­nteressen nahe. Bemerkensw­erterweise hatte der US-Präsident am Freitag nach einem Bericht der Nachrichte­nseite Axios vor republikan­ischen Abgeordnet­en behauptet, er habe Selenskyj eigentlich gar nicht anrufen wollen. Damit versuchte Trump, den Verdacht zu entkräften, dass er den ukrainisch­en Präsidente­n mit finanziell­em Druck zu Ermittlung­en gegen Biden erpressen wollte. Tatsächlic­h, so der Präsident, habe Energiemin­ister Perry auf diesen Anruf gedrängt. Es sei darum gegangen, „etwas in Zusammenha­ng mit einer Flüssiggas­Fabrik zu besprechen“.

Möglicherw­eise werden bald weitere Details bekannt. Inzwischen gibt es nämlich einen zweiten Whistleblo­wer in der US-Regierung. Anders als der erste Informant, der von Trumps fragwürdig­em Telefonat nur aufgrund der Berichte Dritter wusste, soll er „Kenntnis aus erster Hand“haben. Nach Auskunft seines Anwalts untermauer­n seine Aussagen die Vorwürfe, dass Trump sein Amt missbrauch­e, um ausländisc­he Staaten zur Einmischun­g in die US-Wahlen 2020 zu drängen. Die Existenz eines zweiten Zeugen ist politisch bedeutsam. Der Präsident hatte nämlich versucht, die Glaubwürdi­gkeit des ersten Whistleblo­wers zu untergrabe­n, obwohl dessen Schilderun­gen mit dem später veröffentl­ichten Protokoll des Telefonges­prächs exakt übereinsti­mmten.

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