Null Chancen für Augsburg und Ulm
Batteriezellforschung Trotz großer Zweifel an der Vergabe der Fabrik nach Münster wird der Beschluss nicht revidiert. Gibt es ein „Trostpflaster“für die geschlagenen Städte?
Berlin/Ulm Die Würfel sind gefallen. Selbst die Intervention der drei Ministerpräsidenten aus Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Verdacht auf Mauschelei vermochten die Entscheidung nicht mehr zu drehen: Die Forschungsfabrik für Batteriezellen zum Antrieb von Elektroautos geht nach Münster. „Wir werden jetzt mit der Fraunhofer-Gesellschaft den Standort Münster vorantreiben und die Forschungsfertigung für Batterien in Münster aufbauen“, sagte der Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, Wolf-Dieter Lukas, am Montag in Berlin. Noch dieses Jahr soll das Projekt aufs Gleis gesetzt werden. „Wir werden nicht zulassen, dass wir in Zeitverzögerung kommen“, betonte der Staatssekretär.
Für die anderen Bewerber heißt das, dass sie alle Hoffnung fahren lassen müssen. Im Süden Deutschlands sind das Ulm und Augsburg, im Osten Dresden und im Norden Salzgitter und Itzehoe. Für die Unterlegenen hat die Entscheidung pro Münster das Geschmäckle, dass der Wahlkreis von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) um die Ecke liegt. Eine Auswertung der Aktenlage durch den Bundestag ergab außerdem, dass bei einer ersten Bewertung durch die Fachleute der Fraunhofer-Gesellschaft Ulm auf dem Siegerrang lag. Münster kam nur auf Platz vier.
Erst im weiteren Fortgang zog die Stadt in Westfalen an der Konkurrenz vorbei. Es gebe keinen Anlass zur Revidierung, so Lukas, „denn das Verwaltungsverfahren war sauber“. Es ist an dem Spitzenbeamten, das Kuddelmuddel auszubaden. Die Ministerin hält sich in der für sie misslichen Lage bedeckt.
Die ausgestochenen Städte sollen nicht völlig leer ausgehen. Von den 500 Millionen Euro, die für die Batterieforschung aus dem Etat des Ministeriums zur Verfügung stehen, wird die Fabrik 400 Millionen verbrauchen. Der Rest soll an die anderen Standorte verteilt werden. Das Forschungsressort will noch in dieser Woche die Einladungen für ein erstes Treffen Mitte Oktober verschicken. Dabei wird es nach den Worten von Lukas nicht so sein, dass die Unterlegenen einen Wunschzettel einreichen. Der Bund stellt ein Gesamtkonzept vor und sie müssen danach sehen, was sie dazu beitragen können. Die Mittel sollen schwerpunktmäßig für die Spezialgebiete Recycling von Batterien und die sich selbst steuernde Produktion (Industrie 4.0) fließen.
Während sich in Berlin der Staatssekretär für die Standortauswahl rechtfertigte, tagten in Ulm Experten: Noch bis einschließlich Mittwoch treffen sich 370 Tagungsteilnehmer aus 30 Ländern zur Fachkonferenz über Batterietechnik. Co-Tagungspräsidentin Margret Wohlfahrt-Mehrens vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm kritisierte am Rande der Veranstaltung das Forschungsministerium: „Der Vorgang erscheint mir nach wie vor nicht transparent.“Allerdings sei es für sie „sehr schwierig“, die Entscheidung zu kommentieren.
An der Bewerbung aus Nordrhein-Westfalen wird nach wie vor kritisch gesehen, dass die Gebäude erst 2022 bezugsfertig sind. Dies ist offenbar an Lukas’ Kollegen Engelbert Beyer aus dem Forschungsministerium vorbeigegangen, der in Ulm in seiner einleitenden Rede immer vom Jahr 2020 sprach, in dem die Forschungsfabrik in Münster starten werde. Deutschland müsse schnell agieren, um nicht abgehängt zu werden. Deswegen hätten Experten beschlossen, die Forschungsfabrik nach Münster zu vergeben.
Worte, die Batterieforscherin Wohlfahrt-Mehrens auch auf Anfrage nicht kommentieren wollte. Viel lieber verwies sie auf die in Ulm bereits seit fünf Jahren existierende Forschungsproduktion von Batteriezellen. Dann teilte sie doch noch einen kleinen Seitenhieb aus: Es bestehe durch die Entscheidung für Münster die Gefahr, dass der Standort Deutschland wertvolle Zeit im Rennen mit China, Japan und SüdKorea verliere.
Ein Rennen, in dem es längst auch um Batterien der nächsten Generation gehe: Die Lithium-Ionen-Batterien hätten zwar noch Potenzial, doch große Sprünge seien nicht zu erwarten. Deswegen werde in Ulm bereits an den Nachfolgern geforscht. Auf das seltene Metall Kobalt solle dabei möglichst verzichtet werden. „Wir brauchen Stoffe, die verfügbar sind“, sagte WohlfahrtMehrens. Neue Konzepte wie die Natrium-Ionen-Batterien seien kurz vor der praktischen Umsetzung. Bei anderen Varianten mit Magnesium etwa sei es noch ein langer Weg. Die Expertin schätzt, dass in 20 bis 30 Jahren die Mehrzahl der Autos in Deutschland nicht mehr mit Benzin oder Diesel fährt.
Die Kritik aus Ulm will nicht verstummen