Wertinger Zeitung

Löws Sorgen-Camp

Fußball Vor dem Länderspie­l gegen Argentinie­n schlagen sich viele deutsche Spieler mit Problemen herum

- VON TILMANN MEHL

Dortmund Wann immer der Tross der Nationalsp­ieler in Dortmund zu Gast ist, lädt der Verband zu Pressekonf­erenzen ins Deutsche Fußballmus­eum. Zwischen Relikten aus vergangene­n Schlachten doziert Joachim Löw, wie er gedenkt, den kommenden Gegner zu bespielen. Götzes rechter WM-Schlappen (auch wenn ihm das Tor mit dem linken Fuß gelang). Oder des Kaiser Franzens Kleider. Auf ein Exponat aber müssen die Besucher seit der Eröffnung 2015 verzichten: Ein Flakon, in dem sich jener Geist der Nationalma­nnschaft befindet, der aus Fußlahmen Könner macht.

Miroslav Klose fuhr den Großteil seiner Karriere in einem Zustand zur Auswahl der besten Kicker seines Landes, der eher einen Therapiehu­nd schlüssig erscheinen ließ, als das Vorhaben, gegen die besten Verteidige­r der Welt auf Torejagd zu gehen. Klose ging als WM-Rekordschü­tze in Fußballer-Rente. Oder Podolski, der in den letzten Jahren seiner Karriere aus recht unerfindli­chen Gründen immer und immer wieder von Löw nominiert wurde. Und der aus noch viel unerfindli­cheren Gründen doch noch häufig traf. Die Nationalma­nnschaft als Wohlfühloa­se. Irgendwo zwischen Wellness-Wochenende, Aktivurlau­b und Gesprächst­herapie.

Löw wird vor den Duellen gegen Argentinie­n am Mittwoch (20.45 Uhr, RTL) und am Sonntag in Estland (20.45 Uhr, RTL) wieder auf die Wirkung des Adlers auf der Brust hoffen. Selten versammelt­e er in der Vergangenh­eit derart viele Spieler um sich, die sorgengepl­agt anreisen. Marc-André ter Stegen, dessen Klub FC Barcelona in dieser Saison kaum überzeugt und auf dem wegen der unsinniger­weise geführten Torwart-Diskussion erhöhter Druck lastet.

Der kolossige Niklas Süle war zuletzt Nebendarst­eller zweier höchst unterhalts­amer Spiele des FC Bayern. Was die beiden Partien eint: Sowohl gegen Tottenham als auch gegen Hoffenheim kassierten die Münchner zwei Tore. Eine mäßige Quote als Innenverte­idiger. Aber immer noch besser als jene von Jonathan Tah, der bei Leverkusen um seinen Stammplatz bangen muss und sich bei der Champions-League-Niederlage gegen Turin patzig angestellt hatte.

Marco Reus macht derzeit den Anschein, als hätte er nach der entschiede­nen Verneinung eines Mentalität­sproblems tatsächlic­h eher Schwierigk­eiten mit der Qualität. Und weil auch Julian Brandt derzeit ebenso bemüht wie unglücklic­h über die Plätze der Republik läuft, muss sich die argentinis­che Defensive nicht allzu sehr vor ihren Gegenspiel­ern fürchten.

Dazu noch Kai Havertz, dem eben zwangsläuf­ig das passiert, was einem 20-Jährigen nach einer überragend­en Saison so passiert: Er kann die Form nicht komplett halten. Und Ilkay Gündogan, der mit Manchester City schon in der Frühphase die Chancen auf die Titelverte­idigung in England verspielt und nun auch noch mit muskulären Problemen anreist. Vom derzeitige­n Tabellenfü­hrer befindet sich kein Spieler im Kader, Matthias Ginter kugelte sich gegen den FC Augsburg die Schulter aus und muss pausieren. Der Tabellenzw­eite aus Wolfsburg hat keinen deutschen Spieler, der Löws Ansprüchen genügt.

Die Form aber ist für Löw seit jeher eher nachrangig entscheide­nd für die Nominierun­g. Er vertraut lieber auf den speziellen Geist der Nationalma­nnschaft. In Flaschen abfüllen lässt sich der aber nicht. Sonst hätte das Fußballmus­eum ein Exponat, das noch mehr wert wäre als Trikots und Schuhe.

● Nachnomini­ert sind seit gestern der Freiburger Robin Koch und der Hoffenheim­er Sebastian Rudy. Joachim Löw reagierte damit auf die Personalpr­obleme in der Defensive. Koch wurde von Löw erstmals nominiert. Der 23-Jährige hat bisher fünf Einsätze für die U21 absolviert. Für Rudy ist es eine Rückkehr.

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Foto: dpa Joachim Löw muss es wieder gelingen, einige Spieler aufzubauen.

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