Intensivstationen fehlen tausende Krankenpfleger
Gesundheit Versorgung von Patienten in Gefahr? Kliniken sehen auch die Regierung in der Pflicht
Berlin Eigentlich sollen die von Gesundheitsminister Jens Spahn erlassenen Mindestvorgaben für die Personalstärke in der Pflege gerade in den sensibelsten Abteilungen der Krankenhäuser die Sicherheit für Patienten erhöhen. Nachdem Kliniken und Krankenkassen sich vergangenes Jahr in monatelangen Verhandlungen im Streit um die Finanzierung nicht auf Mindestbesetzungen einigen konnten, verordnete Spahn Personaluntergrenzen für die Bereiche, in denen Patienten besonders viel Pflege benötigen, allen voran auf den Intensivstationen und in der Unfallchirurgie.
Doch inzwischen hat sich die Lage auf den Intensivstationen offenbar noch weiter verschärft: Mehr als jede dritte Klinik musste seit Januar Betten auf Intensivstationen stilllegen, teilweise waren laut einer Untersuchung des Deutschen Krankenhaus-Instituts ganze Stationen betroffen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt nun vor einer Gefahr für die Versorgungssicherheit: „37 Prozent aller Kliniken mit Intensivversorgung mussten Intensivbetten zeitweilig schließen, um die Untergrenzen einzuhalten“, erklärt Hauptgeschäftsführer Georg Baum. „Wir sehen diese Zahl als Warnsignal, dass die starren Untergrenzen die Versorgung gefährden können“, warnt er im Gespräch mit unserer Redaktion vor Problemen in der Intensivmedizin.
„Die schon jetzt spürbare Folge ist, dass ein Rettungswagen nicht immer das nächstgelegene Krankenhaus ansteuern kann, da die Klinik zuvor über die Leitstelle Kapazitäten abgemeldet hat“, berichtet Baum. Die Notfallversorgung von Patienten in Lebensgefahr oder den Menschen, die selbstständig in die Notaufnahme kommen, finde natürlich nach wie vor statt. „Krankenhäuser sind zur Hilfe verpflichtet und können und wollen niemanden abweisen“, betont Baum. Allerdings drohe ein Krankenhaus durch Sanktionen sogar dafür bestraft zu werden, dass es Patienten in Notlagen helfe, kritisiert er. „Werden die Untergrenzen ausgeweitet und Verstöße mit Sanktionen belegt, kann das ernsthafte Folgen für die Versorgung haben“, warnt er vor einer Verschärfung der Situation.
Inzwischen seien an den Krankenhäusern mehr als 15000 Stellen in der Krankenpflege unbesetzt, sagt der Verbandsvertreter: „Fast alle Krankenhäuser sind schon jetzt auf der Suche nach Personal, können es aber aufgrund des leeren Arbeitsmarktes kaum einstellen.“Baum fordert von der Politik nicht nur eine bessere Finanzierung der Pflege, sondern auch eine Entschlackung der Dokumentationsvorschriften: „Pflegekräfte müssen heute drei bis vier Stunden täglich für Bürokratiearbeit aufbringen. Das ist inakzeptabel.“
Der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, fordert, den Beruf der Krankenpflege
Ärzteverband fordert bessere Arbeitsbedingungen
attraktiver zu machen: „Ich bin nicht so sicher, dass der Pflegemarkt leer gefegt ist“, sagt Henke. „Ich schätze, dass es rund 300000 Personen gibt, die für die Pflege ausgebildet sind, aber nicht dort tätig sind. Diesen Personen müssen wir besser entgegenkommen.“Dazu gehöre nicht nur eine bessere Bezahlung, sondern insbesondere auch „eine aktivere Sorge um die Gesundheit von Pflegekräften“, betont er mit Blick auf die hohen körperlichen und seelischen Belastungen. „Um 10000 Pflegestellen zu besetzen, müssten wir 3,3 Prozent der inaktiv gewordenen ausgebildeten Pflegekräfte reaktivieren“, betont Henke. „Mit Fantasie und Ehrgeiz sollte das möglich sein.“
Wie die Augsburger Uniklinik betroffen ist, lesen Sie in der Politik.