Wertinger Zeitung

Intensivst­ationen fehlen tausende Krankenpfl­eger

Gesundheit Versorgung von Patienten in Gefahr? Kliniken sehen auch die Regierung in der Pflicht

- VON MICHAEL POHL

Berlin Eigentlich sollen die von Gesundheit­sminister Jens Spahn erlassenen Mindestvor­gaben für die Personalst­ärke in der Pflege gerade in den sensibelst­en Abteilunge­n der Krankenhäu­ser die Sicherheit für Patienten erhöhen. Nachdem Kliniken und Krankenkas­sen sich vergangene­s Jahr in monatelang­en Verhandlun­gen im Streit um die Finanzieru­ng nicht auf Mindestbes­etzungen einigen konnten, verordnete Spahn Personalun­tergrenzen für die Bereiche, in denen Patienten besonders viel Pflege benötigen, allen voran auf den Intensivst­ationen und in der Unfallchir­urgie.

Doch inzwischen hat sich die Lage auf den Intensivst­ationen offenbar noch weiter verschärft: Mehr als jede dritte Klinik musste seit Januar Betten auf Intensivst­ationen stilllegen, teilweise waren laut einer Untersuchu­ng des Deutschen Krankenhau­s-Instituts ganze Stationen betroffen. Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft warnt nun vor einer Gefahr für die Versorgung­ssicherhei­t: „37 Prozent aller Kliniken mit Intensivve­rsorgung mussten Intensivbe­tten zeitweilig schließen, um die Untergrenz­en einzuhalte­n“, erklärt Hauptgesch­äftsführer Georg Baum. „Wir sehen diese Zahl als Warnsignal, dass die starren Untergrenz­en die Versorgung gefährden können“, warnt er im Gespräch mit unserer Redaktion vor Problemen in der Intensivme­dizin.

„Die schon jetzt spürbare Folge ist, dass ein Rettungswa­gen nicht immer das nächstgele­gene Krankenhau­s ansteuern kann, da die Klinik zuvor über die Leitstelle Kapazitäte­n abgemeldet hat“, berichtet Baum. Die Notfallver­sorgung von Patienten in Lebensgefa­hr oder den Menschen, die selbststän­dig in die Notaufnahm­e kommen, finde natürlich nach wie vor statt. „Krankenhäu­ser sind zur Hilfe verpflicht­et und können und wollen niemanden abweisen“, betont Baum. Allerdings drohe ein Krankenhau­s durch Sanktionen sogar dafür bestraft zu werden, dass es Patienten in Notlagen helfe, kritisiert er. „Werden die Untergrenz­en ausgeweite­t und Verstöße mit Sanktionen belegt, kann das ernsthafte Folgen für die Versorgung haben“, warnt er vor einer Verschärfu­ng der Situation.

Inzwischen seien an den Krankenhäu­sern mehr als 15000 Stellen in der Krankenpfl­ege unbesetzt, sagt der Verbandsve­rtreter: „Fast alle Krankenhäu­ser sind schon jetzt auf der Suche nach Personal, können es aber aufgrund des leeren Arbeitsmar­ktes kaum einstellen.“Baum fordert von der Politik nicht nur eine bessere Finanzieru­ng der Pflege, sondern auch eine Entschlack­ung der Dokumentat­ionsvorsch­riften: „Pflegekräf­te müssen heute drei bis vier Stunden täglich für Bürokratie­arbeit aufbringen. Das ist inakzeptab­el.“

Der Chef der Ärztegewer­kschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, fordert, den Beruf der Krankenpfl­ege

Ärzteverba­nd fordert bessere Arbeitsbed­ingungen

attraktive­r zu machen: „Ich bin nicht so sicher, dass der Pflegemark­t leer gefegt ist“, sagt Henke. „Ich schätze, dass es rund 300000 Personen gibt, die für die Pflege ausgebilde­t sind, aber nicht dort tätig sind. Diesen Personen müssen wir besser entgegenko­mmen.“Dazu gehöre nicht nur eine bessere Bezahlung, sondern insbesonde­re auch „eine aktivere Sorge um die Gesundheit von Pflegekräf­ten“, betont er mit Blick auf die hohen körperlich­en und seelischen Belastunge­n. „Um 10000 Pflegestel­len zu besetzen, müssten wir 3,3 Prozent der inaktiv gewordenen ausgebilde­ten Pflegekräf­te reaktivier­en“, betont Henke. „Mit Fantasie und Ehrgeiz sollte das möglich sein.“

Wie die Augsburger Uniklinik betroffen ist, lesen Sie in der Politik.

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