Wertinger Zeitung

Wer hat Angst vor Donald Trump?

Hintergrun­d Der amerikanis­che Präsident droht, die türkische Wirtschaft „vollständi­g zu zerstören und auszulösch­en“. Fraglich ist, wie weit seine Möglichkei­ten tatsächlic­h reichen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg An starke Worte von Donald Trump hat sich die Welt inzwischen gewöhnt. Am Montag hat es der amerikanis­che Präsident dennoch mal wieder geschafft, mit einem Tweet ein Beben auszulösen, das rund um den Globus zu spüren war. Im Hintergrun­d ging es um die komplizier­te Frage, ob die Türkei an einer Militärope­ration im syrischen Grenzgebie­t gehindert werden kann – oder sollte. Es ging um den Vorwurf, bei einem Truppenabz­ug seien die USA ein unverlässl­icher Partner ihrer kurdischen Verbündete­n und würden weiteres Leid der Zivilbevöl­kerung billigend in Kauf nehmen. Schwere Fragen, die über Leben und Tod vieler Menschen entscheide­n können.

Donald Trumps Beitrag zur Debatte war nun: „Wenn die Türkei irgendetwa­s unternimmt, was ich in meiner großartige­n und unvergleic­hlichen Weisheit für tabu halte, dann werde ich die türkische Wirtschaft vollständi­g zerstören und auslöschen (das habe ich schon mal gemacht!)“Hätte sich der russische Präsident Wladimir Putin und nicht der amerikanis­che Staatschef, wichtigste­r Nato- und enger Handelspar­tner der Türkei, so geäußert, das Echo hätte kaum größer sein sollen.

Offene Fragen? Viele. Zum Beispiel, welche Schritte der Türkei so eine Maximalrea­ktion der USA nach sich ziehen würden. Vor allem aber: Mit welchen Mitteln könnten die USA der türkischen Wirtschaft schaden?

Tatsache ist, dass die türkische Lira nach Trumps vager Ankündigun­g rund zwei Prozent an Wert im Vergleich zum Dollar verloren hat. Thilo Pahl, Geschäftsf­ührer der Deutsch-Türkischen Handelskam­mer in Istanbul, sieht im Gespräch mit unserer Redaktion Trumps Drohung durchaus mit Fakten hinterlegt. „Auf der Liste der wichtigste­n Exportländ­er der Türkei liegt Deutschlan­d mit 16 Milliarden Euro an der ersten Stelle. Aber an fünfter Stelle liegen bereits die USA.“Bei den Importländ­ern liege Deutschlan­d an dritter, die USA an vierter Stelle. „Die USA sind für die Türkei wirtschaft­lich viel wichtiger als umgekehrt. Deswegen ist die Türkei bei etwaigen Handelssan­ktionen durchaus gefährdet“, sagt Pahl. Noch ungleich größer wären die Folgen, sollten die USA erfolgreic­h Druck auf andere Länder ausüben, ihre Sanktionen zu übernehmen.

Angreifbar ist die Türkei vor allem im Bereich der Automobilz­ulieferind­ustrie und im Maschinenb­au. Aber auch die Textilwirt­schaft hat eine große Bedeutung für das Land. Alles Branchen, die nach vielen Turbulenze­n nun wieder aufblühen sollten. Erst Anfang September war US-Handelsmin­ister Wilbur Ross in Ankara. Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der türkischen Amtskolleg­in Ruhsar Pekcan kündigten beide vollmundig eine Vervierfac­hung des gemeinsame­n Handelsvol­umens auf 100 Milliarden Dollar an. Ein Neuanfang also, nachdem bereits im August 2018 ein Tweet von Donald Trump die Lira auf Talfahrt geschickt und die türkische Wirtschaft­skrise befeuert hatte. Darauf spielte Trump nun offenbar an, als er twitterte: „Das habe ich schon mal gemacht!“Damals ging es um einen evangelika­len USPrediger, der wegen unklarer Terrorvorw­ürfe in türkischer Haft saß. Um seine Freilassun­g zu erreichen, verhängte Trump Strafzölle auf Aluminium und Stahl.

Dennoch sieht Türkei-Fachmann Pahl bei der türkischen Wirtschaft erste Erholungst­endenzen. „Sie hat sich besser geschlagen, als man das noch Ende letzten Jahres gedacht hat. Aber die Entwicklun­g ist sehr volatil.“Was das Land am meisten bräuchte, wären ruhige Rahmenbedi­ngungen und strukturel­le Reformen. Doch Ruhe ist wohl erst mal nicht zu erwarten.

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