Wer hat Angst vor Donald Trump?
Hintergrund Der amerikanische Präsident droht, die türkische Wirtschaft „vollständig zu zerstören und auszulöschen“. Fraglich ist, wie weit seine Möglichkeiten tatsächlich reichen
Augsburg An starke Worte von Donald Trump hat sich die Welt inzwischen gewöhnt. Am Montag hat es der amerikanische Präsident dennoch mal wieder geschafft, mit einem Tweet ein Beben auszulösen, das rund um den Globus zu spüren war. Im Hintergrund ging es um die komplizierte Frage, ob die Türkei an einer Militäroperation im syrischen Grenzgebiet gehindert werden kann – oder sollte. Es ging um den Vorwurf, bei einem Truppenabzug seien die USA ein unverlässlicher Partner ihrer kurdischen Verbündeten und würden weiteres Leid der Zivilbevölkerung billigend in Kauf nehmen. Schwere Fragen, die über Leben und Tod vieler Menschen entscheiden können.
Donald Trumps Beitrag zur Debatte war nun: „Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, dann werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen (das habe ich schon mal gemacht!)“Hätte sich der russische Präsident Wladimir Putin und nicht der amerikanische Staatschef, wichtigster Nato- und enger Handelspartner der Türkei, so geäußert, das Echo hätte kaum größer sein sollen.
Offene Fragen? Viele. Zum Beispiel, welche Schritte der Türkei so eine Maximalreaktion der USA nach sich ziehen würden. Vor allem aber: Mit welchen Mitteln könnten die USA der türkischen Wirtschaft schaden?
Tatsache ist, dass die türkische Lira nach Trumps vager Ankündigung rund zwei Prozent an Wert im Vergleich zum Dollar verloren hat. Thilo Pahl, Geschäftsführer der Deutsch-Türkischen Handelskammer in Istanbul, sieht im Gespräch mit unserer Redaktion Trumps Drohung durchaus mit Fakten hinterlegt. „Auf der Liste der wichtigsten Exportländer der Türkei liegt Deutschland mit 16 Milliarden Euro an der ersten Stelle. Aber an fünfter Stelle liegen bereits die USA.“Bei den Importländern liege Deutschland an dritter, die USA an vierter Stelle. „Die USA sind für die Türkei wirtschaftlich viel wichtiger als umgekehrt. Deswegen ist die Türkei bei etwaigen Handelssanktionen durchaus gefährdet“, sagt Pahl. Noch ungleich größer wären die Folgen, sollten die USA erfolgreich Druck auf andere Länder ausüben, ihre Sanktionen zu übernehmen.
Angreifbar ist die Türkei vor allem im Bereich der Automobilzulieferindustrie und im Maschinenbau. Aber auch die Textilwirtschaft hat eine große Bedeutung für das Land. Alles Branchen, die nach vielen Turbulenzen nun wieder aufblühen sollten. Erst Anfang September war US-Handelsminister Wilbur Ross in Ankara. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der türkischen Amtskollegin Ruhsar Pekcan kündigten beide vollmundig eine Vervierfachung des gemeinsamen Handelsvolumens auf 100 Milliarden Dollar an. Ein Neuanfang also, nachdem bereits im August 2018 ein Tweet von Donald Trump die Lira auf Talfahrt geschickt und die türkische Wirtschaftskrise befeuert hatte. Darauf spielte Trump nun offenbar an, als er twitterte: „Das habe ich schon mal gemacht!“Damals ging es um einen evangelikalen USPrediger, der wegen unklarer Terrorvorwürfe in türkischer Haft saß. Um seine Freilassung zu erreichen, verhängte Trump Strafzölle auf Aluminium und Stahl.
Dennoch sieht Türkei-Fachmann Pahl bei der türkischen Wirtschaft erste Erholungstendenzen. „Sie hat sich besser geschlagen, als man das noch Ende letzten Jahres gedacht hat. Aber die Entwicklung ist sehr volatil.“Was das Land am meisten bräuchte, wären ruhige Rahmenbedingungen und strukturelle Reformen. Doch Ruhe ist wohl erst mal nicht zu erwarten.