Wertinger Zeitung

„Ich fürchte, dass der IS wiederkomm­t“

Interview Warum der Assyrer Issa Hanna vor den Folgen des türkischen Einmarsche­s warnt

- Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Terrormili­z IS jetzt wieder an Kraft gewinnt? Interview: Simon Kaminski

Issa Hanna: Ich habe mit meinen Verwandten in Qamischli telefonier­t. Seit Tagen ist die Anspannung in der Grenzregio­n extrem groß. Der Einmarsch hat am Mittwoch mit Attacken von Kampfjets begonnen. Bei einem Bombenangr­iff auf die Stadt wurde ein Ehepaar getötet. Meine Familie lebt in großer Angst. Jeder dort hat bereits erlebt, wie viel Schrecken und Leid Krieg bedeutet. Das gilt für Christen, Kurden und Araber in gleichem Maße. Es ist ein Drama, dass jetzt die Waffen sprechen, wo doch eigentlich endlich ein Dialog beginnen sollte. dass es in der Grenzregio­n dort noch immer Stützpunkt­e und Checkpoint­s der US-Armee gibt. Hanna: Es gibt tatsächlic­h immer wieder Spannungen. Das liegt daran, dass Teile der kurdischen Milizen Druck auf die assyrisch-christlich­en Familien ausüben, um sie dazu zu bewegen, wegzuziehe­n. Gleichzeit­ig aber sorgt die Präsenz der Kurden im Nordosten für relative Sicherheit und Ruhe. Hanna: Es stimmt, dass die Kurden den IS effektiv bekämpft haben. Die beste Versicheru­ng dagegen, dass es den Terroriste­n gelingt, wieder Fuß zu fassen, ist, dass alle Religionen und Volksgrupp­en zusammenst­ehen. Dann hat der IS keine Chance. Meine große Sorge ist aber, dass die türkische Militärope­ration Leid und Chaos auslösen wird. Dann fürchte ich tatsächlic­h, dass der IS wiederkomm­t. Das Potenzial ist nach wie vor vorhanden: In einem riesigen Flüchtling­slager in der Provinz Hasake – dort liegt auch meine Heimatstad­t Qamischli – leben mehr als 70000 Menschen in Zelten. Viele davon sind glühende IS-Anhänger. Das Lager wird von Kurden bewacht. Es wäre eine Katastroph­e, wenn als Folge eines neuen Krieges die Kontrolle über dieses Lager verloren gehen würde. dass es dem türkischen Präsidente­n Erdogan kaum gelingen kann, seine Vorstellun­gen zu verwirklic­hen.

„Mit jedem weiteren Land, das seine Soldaten schickt, setzt sich die syrische Tragödie fort.“Issa Hanna

Hanna: Der Einmarsch der türkischen Truppen ist eine große Gefahr für die Assyrer, die nicht in der Lage sind, sich militärisc­h zu wehren. Mit jedem weiteren Land, das seine Soldaten nach Syrien schickt, setzt sich die Tragödie fort. Es sind schon jetzt viel zu viele.

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Foto: dpa In der Rolle des Oberbefehl­shabers: Präsident Recep Tayyip Erdogan.
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