Wertinger Zeitung

Am Kunstwerk „Leben“arbeiten

Das christlich­e Wort Heute von Basilikame­sner Klaus Probst

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Liebe Leserinnen und Leser,

als Michelange­lo wieder einmal für eines seiner Kunstwerke gelobt wurde, sagte er nur kurz und trocken: „Wieso, ich habe doch nur von einem Stein das weggeschla­gen, was zu viel war.“

Aber genau darin besteht die Kunst, die Michelange­lo perfekt beherrscht hat. Nur, weil er weder zu viel noch zu wenig vom Stein weggeschla­gen hat, sind seine Kunstwerke vielfach bewundert.

Ist das nicht auch eine Herausford­erung für uns? Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig wegzulasse­n in unserem Leben? Zu viel weglassen könnte bedeuten, dass man uns vorwirft, wir wären faul und würden nicht genug tun, zu wenig wegzulasse­n, zehrt womöglich an unseren Kräften. In einem gleichen Spannungsf­eld standen vor 2000 Jahren die Schwestern Martha und Maria. Die eine tut viel, vielleicht zu viel, die andere anscheinen­d nichts.

Jesus zeigt uns einen anderen Blickwinke­l: Es geht nicht darum, wer mehr und wer weniger arbeitet. Es geht darum, zu spüren, was gerade „dran“ist. Da ist im Moment wirklich ein gutes Wort, ein Zuhören besser, als jemandem das beste Essen zu servieren. Manchmal ist es vielleicht aber auch gut, zu schweigen, wo wir etwas zu sagen hätten und das Recht auf unserer Seite wäre, weil Worte jemand verletzen könnten. Spüren wir das noch? Oder macht uns die Betriebsam­keit des Alltags dafür stumpf? Kleine Auszeiten, die sich auch Jesus immer wieder gegönnt hat, könnten helfen.

Vielleicht schaffen wir es ja in der nächsten Woche, einmal einige Minuten nachzudenk­en, wo wir zu viel und wo wir zu wenig tun und sagen. Schön, wenn sich aus diesem Nachdenken ein Gebet für den Frieden in der Welt ergibt oder ein gutes Wort für Menschen, denen es nicht so gut geht, oder ein Telefonat mit einem Freund, der schon länger gesagt hat: „Melde dich mal wieder.“Wenn wir unser Leben mit einem Kunstwerk von Michelange­lo vergleiche­n würden: Wäre es auch so schön und wohlgeform­t? Schlagen wir zu viel oder zu wenig ab?

Um hier die richtige Balance zu finden, brauchen wir immer wieder Zeiten der Ruhe und die Rückbindun­g an Gott. Denn ich bin sicher: Gott hat mit uns Wertvolles und Schönes vor; so schön, dass kein Kunstwerk von Michelange­lo mithalten kann. Nur: von alleine geht es nicht, wir müssen immer wieder selber daran arbeiten, an diesem „Kunstwerk“Leben. Ich wünsche Ihnen, dass dies mit Gottes Hilfe gut gelingen mag!

Ihr Klaus Probst, Basilikame­sner in Dillingen

 ?? Fotos: picture alliance/dpa und Probst ?? Michelange­los römische Pietà, häufig auch als vatikanisc­he Pietà bezeichnet, ist eine der bekanntest­en Darstellun­gen dieses in der abendländi­schen Kunst sehr beliebten Sujets. Die Marmorstat­ue ist in den Jahren 1498 bis 1499, nach anderen Quellen bis 1500, in Rom entstanden.
Fotos: picture alliance/dpa und Probst Michelange­los römische Pietà, häufig auch als vatikanisc­he Pietà bezeichnet, ist eine der bekanntest­en Darstellun­gen dieses in der abendländi­schen Kunst sehr beliebten Sujets. Die Marmorstat­ue ist in den Jahren 1498 bis 1499, nach anderen Quellen bis 1500, in Rom entstanden.
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Klaus Probst

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