Wie Golfprofi Sebastian Heisele Selbstzweifel bezwang
Sport-Interview Golfprofi Sebastian Heisele hat nach dem Krisenjahr 2018 wieder zurück in die Erfolgsspur gefunden. Wie der 31-jährige Dillinger seine Selbstzweifel bezwang und was die sportliche Zukunft für ihn noch bringen kann
Der Golfanfänger geht mit seinem Trainer erstmals auf ein richtiges Fairway. Am Abschlag des Par-3 mit 130 Metern grinst der Pro und sagt: „So, jetzt versuchen Sie mal, den Ball möglichst nahe an die Fahne zu schlagen.“Der Anfänger haut drauf – und der Ball rollt 20 Zentimeter neben die Fahne aus. Der Pro ist perplex: „Ähhh..., ja. Toll! Jetzt befördern Sie den Ball ganz entspannt ins Loch.“Antwortet der Anfänger aufgebracht: „Warum haben Sie mir das nicht schon vor dem ersten Schlag gesagt!“
Ein Golfwitz. Davon gibt es etliche. Vermutlich sind Golfer nach den Ostfriesen die zweitgrößte deutsche Bevölkerungsgruppe, die auf diese Weise gehänselt wird. Was das alles mit Sebastian Heisele zu tun hat? Nun, auf die Frage nach einem Witz über seine Sportart ist der 31-jährige Profi erst mal blank. Ihm fällt keiner ein. Nicht schlimm, schließlich steht der Dillinger nicht zum Witzereißen am Abschlag. Für die aktuelle Nummer 330 der Weltrangliste geht es um Preisgeldpunkt und die Qualifikation für die europäische Tour 2020. Wobei Spaß am sportlichen Spiel deutlich leistungsfördernd sein kann. Erfolg macht Spaß.
So wie aktuell bei Heisele, der nach zwei schwierigen Jahren samt „Abstieg“und Verletzungspause zuletzt buchstäblich gut „in Schwung“kommt. 2012 hat er Golf zu seinem Beruf gemacht, seither 76 Turniere bestritten. Im September gelang der erste Sieg in der zweiten kontinentalen Liga, der Challenge Tour. Über diesen Erfolg, aber auch das Auf und Ab seiner Karriere haben wir mit Sebastian Heisele gesprochen.
Nach Platz zwei Ende September bei der Open de Provence waren Sie plötzlich drittbester Deutscher in der Golf-Weltrangliste: Was bedeutet diese Momentaufnahme für Sie? Heisele: Es ist nicht mein Ziel, dort bester Deutscher zu sein. Man schaut zwar schon drauf, aber so richtig interessant wird die Weltrangliste erst, wenn man unter den ersten 50 steht, weil man dann die großen Turniere spielen darf. Meine Platzierung ist zwar schön und gut, bedeutet aber nicht viel. Trotzdem nochmals Thema Weltrangliste. Martin Kaymer als bester Deutscher belegt dort einen Rang um die 100. Was sagt das über den Zustand des nationalen Spitzengolfs aus? Heisele: Es stimmt schon, dass es damit nicht zum Besten bestellt ist. Wenn wir zum Beispiel auf Österreich schauen. Die haben drei Leute vor Kaymer platziert. Oder die Holländer, da spielen drei auf der Challenge Tour vorne mit.
… wo Sie aktuell als bester Deutscher auf Rang 16 geführt werden. Wie wichtig ist hier eine gute Platzierung, was ergibt sich daraus?
Heisele: Als aktuelle Nummer 16 dürfte ich kommendes Jahr auch schon bis zu 20 Turniere auf der European Tour spielen. Für die Top 15 der Jahreswertung in der Challenge Tour erhält man automatisch die European-Tourkarte 2020. Mit dieser Kategorie gibt es dann auch Startrecht bei den bestdotierten Turnieren.
An diesem Samstag steigen Sie in den Flieger nach China, wo zwei Turniere anstehen – die Hainan Open vom 17. bis 20. Oktober und die Foshan Open vom 24. bis 27. Oktober –, ehe zum Abschluss der „Road to Mallorca“das große Finale ab 7. November auf der Balearen-Insel folgt. Was ist für Sie noch möglich?
Heisele: Alles steckt da drin. Wenn ich einmal Fünfter werde, dann bin ich quasi durch, unter den Top 15 der Jahresendwertung. Eine gute Woche tut es eigentlich schon. Meine Ausgangsposition ist beruhigend, ich habe nicht mehr den ganz großen Druck. Bei der Foshan Open war ich ja 2017 schon mal Zweiter, der Platz liegt mir ganz gut. Aber am liebsten würde ich gleich das erste Turnier gewinnen, in den Flieger steigen und sagen: Mission erfüllt.
Ein Blick zurück in Ihr „Krisenjahr 2018“mit dem Abstieg aus der European Tour. Wo lagen damals die Probleme?
Heisele: Die waren vor allem spielerischer Natur. 2017 lief gut. Aber im Golf ist gut nie gut genug. Ich wollte 2018 besser werden als im Vorjahr, neue Anreize setzen – und habe dann den Anschluss nicht gefunden an den Dezember 2017. Weihnachten war irgendetwas abgerissen. Die Konstanz hat danach gefehlt, das in mein Spiel war verloren gegangen. Das kam beim Trainingslager in Dubai nicht zurück. Ich habe einfach zu viel gebastelt, an zu vielen Stellschrauben gedreht, zu viele Sachen umgebaut. Golf ist ja schon kompliziert genug. Kurz gesagt, der Hauptfehler war, zu viel zu wollen, zu viel zu ändern. Ich habe mich zu sehr von meinem sportlichen Ehrgeiz treiben lassen.
Und zweimal den Trainer gewechselt. Heisele: Ja, das auch. Ende 2018 habe ich dann mein Spiel neu aufgebaut. Es ist wichtig, eine Konstante zu finden, die Gedanken zurückzudrängen, wieder einfach Golf zu spielen.
Kamen Ihnen 2018 zwischendurch mal Zweifel am Sinn des Ganzen? Heisele: Selbstzweifel? Natürlich, der ganze Aufwand ist ja nicht ohne. Man ist viel unterwegs, und wenn man dann sportlich nur immer auf die Schnauze kriegt, salopp formuliert, dann geht die Freude an der Sache schon verloren. Wenn die Relation von Aufwand und Ertrag nicht stimmt, ist das extrem frustrierend.
Im Spitzengolf ist die Luft zudem ziemlich dünn …
Heisele: In der Elite kann man sich nicht viel leisten. Und es ging bei mir einen Schritt vor, aber dann wieder zwei nach hinten. Das war für mich eine neue, bittere Erfahrung. Daraus muss man lernen. Zum Beispiel nicht zu viel über die Quantität zu versuchen, sondern mal besser zwei Turniere weniger spielen.
Heuer sieht es aber deutlich besser aus, die Ergebnisse haben zuletzt gestimmt – trotz eines erneuten Rückschlags: Wie geht’s Ihrem Fuß?
Heisele: Soweit alles gut, keine Probleme.
Bänderanriss im rechten Fuß beim Training in diesem Sommer … Heisele: Und sieben Wochen auf der Couch. Danach habe ich aber gut trainiert und festgestellt: Das ist wie Radfahren, Golf kann man nicht ganz verlernen.
Und plötzlich stellen sich Erfolge ein. Heisele: Ich habe ohne große Gedanken drauflos gespielt. Anfang 2019 waren die Ergebnisse ja noch nicht so toll. Nach dem Abstieg musste ich mich erst mal wieder einfinden auf der Challenge Tour. Der Neustart hat sich aber gut angefühlt, auch wenn die Ergebnisse nur durchschnittlich waren.
Nach überstandener Verletzung haben Sie das deutsche Topturnier Porsche European Open in Hamburg ausgelassen und stattdessen die zeitgleiche Open de Bretagne gespielt. Das scheint genau die richtige Entscheidung gewesen zu sein?
Heisele: Es war zunächst mal eine schwierige Entscheidung: Ich fühle mich sehr wohl in Hamburg, war aber in der Challenge Tour auf Position 118 zurückgefallen. Ich musste punkten, Leistung musste her, sonst droht der nächste Abstieg. Ich brauchte jeden Euro in der Rangliste, um dort wieder nach vorne zu schießen. Also habe ich Hamburg schweren Herzens abgesagt. Mit dem Sieg bei der Open de Bretagne konnte ich ja ganz ehrlich nicht rechnen. Letztlich war die Entscheidung also absolut richtig.
Abgesehen von der Ranglistenposition bringt ein Sieg ja auch Geld in die Kasse. Seit 2012 haben Sie rund 260000 Euro an Preisgeldern eingestrichen. Klingt gut, auf der anderen Seite stehen aber auch hohe Ausgaben für Flüge, Hotels, Caddy, Trainer. Was sind Ihre Hauptkostenfaktoren? Wie kommen sie finanziell über die Runden?
Heisele: Die Lauinger Firma Ergopack ist weiterhin als Sponsor bei mir engagiert. Es ist schön, Ergopack an meiner Seite zu haben. Die Sponsorensuche geht übrigens nie zu Ende. Vielleicht tut sich ja nächstes Jahr auf der European Tour zusätzlich etwas auf. Mit den Sponsorgeldern und Boni komme ich seit 2012 auf knapp über 500000 Euro. Die Reisekosten und der Caddy gehen aber auch extrem ins Geld. 1000 Euro pro Woche für den Caddy, rund 2500 Euro gesamt für ein Turnier, grob gesagt. Das war aber nicht der Grund, warum ich meine Golftasche in der Betragne selbst getraVertrauen gen habe. Da kam einfach nichts zustande mit einem Caddy.
Weg vom Geld und den Blick auf Golfschwung gelegt: Was sind Ihre spielerischen Stärken?
Heisele: Aktuell habe ich gute Kontrolle über den Ball. Langes wie kurzes Spiel, ich weiß, wo die Kugel hinfliegt. Die Schläge vom Tee sind stark, einer meiner Vorteile liegt in der Länge der Schläge. Das gibt eine breite Brust, Selbstvertrauen. Mein kurzes Spiel hat sich wieder verbessert.
Und wo klemmt es manchmal, wo können Sie sich verbessern?
Heisele: Man kann sich immer mal die mentale Seite anschauen, das ist ein Ansatz zur Verbesserung. Aber eigentlich kann man in allen Bereichen besser werden.
Sie sind diesen August 31 Jahre alt geworden. Welche mittelfristigen Ziele haben Sie? Wie lange sind Sie noch „Playing Pro“, was kommt nach der Karriere?
Heisele: Man weiß nie, was kommt. Golf wird mich wohl nie ganz verlassen. Es wäre am naheliegendsten, wenn ich meine Erfahrung als Golfer später in irgendeiner Wiese weitergebe – als Coach mit Trainerschein. Mein Hauptaugenmerk liegt aber erst mal auf dieser Saison. Mal sehen, wo das alles hinführt: In drei, vier Wochen bin ich schlauer. Zudem war es und ist immer mein Ziel ein Turniersieg auf der European Tour. Grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, dass ich noch ein paar Jahre dabeibleibe, wenn ich erfolgreich spiele und ordentliches Geld verdiene. Auf der anderen Seite steht der Wunsch, es ruhiger angehen zu lassen, mehr Zeit daheim bleiben können. Die langen Reisen mag ich immer weniger.
Zum Schluss: Haben sie noch ein Tipp für Hobbygolfer, wie sie ihr Spiel verbessern können?
Heisele: Die Basics müssen stimmen: Griff, Stand, Position, Ausrichtung. Meistens scheitert es beim Hobbygolfer schon am Griff. Und Freude am Golf haben!
Das wünschen wir auch Ihnen: viel Spaß und Erfolg in China. Oder wie die Golfer sagen: „Schönes Spiel!“