Wertinger Zeitung

„Oben ohne“auf dem tierischen Laufsteg

Tierzucht Erste Tier-Show mit hornlosem Vieh in der Wertinger Schwabenha­lle. Die vierbeinig­en „Damen“standen am Samstagabe­nd im Mittelpunk­t. Das Motto des Abends regte zum Nachdenken an

- VON GÜNTER STAUCH

Wertingen Modenschau auf vier Beinen: Bei der bundesweit ersten Präsentati­on von ausschließ­lich natürlich hornlosen Tieren sind in Wertingens Schwabenha­lle mehr als vier Dutzend Prachtexem­plare aus ganz Schwaben über den „Laufsteg“gegangen. Unter dem Motto „Wertinger Nacht – oben ohne“lud mit dem Zuchtverba­nd für das Schwäbisch­e Fleckvieh eine der ältesten Organisati­onen ihrer Art zu dieser Premiere, bei der die über 400 Gäste stundenlan­g viel Haut bestaunen und anschließe­nd bei einer „Jungzüchte­rparty“ausgiebig feiern konnten.

Laut Zuchtleite­r Friedrich Wiedenmann, der die stundenlan­ge Tier-Show moderierte, hält in den Milchviehb­etrieben der Trend zu hornlosem Vieh seit Jahren an und wird in der Landwirtsc­haft stärker nachgefrag­t. Viele Betriebe gehen dazu über, „Oben ohne“-Bullen bei der Zucht und Besamung einzusetze­n, um Alternativ­en zur bisherigen thermische­n Enthornung der Kälber zu bekommen. Letzteres soll dadurch vermieden werden, weil die Tiere dann keinerlei Schmerzen oder Stress mehr ausgesetzt seien.

„Die Zucht auf natürliche Hornlosigk­eit ist ein aktiver und nachhaltig­er Beitrag zum Tierschutz“, betonte dann auch Georg Kraus als Vorsitzend­er des Verbandes mit einem Einzugsgeb­iet von Donau-Ries bis ins Unterallgä­u bei der Begrüßung. Tierschaue­n wie diese böten eine ideale Möglichkei­t, den Nichtlandw­irten, die heute bewusst eingeladen wurden, die Rinderhalt­ung und die Tiere näherzubri­ngen. „Selbst in unserer ländlich geprägten Region ist der direkte Kontakt vom Landwirt zum Verbrauche­r oft schon verloren gegangen, in nicht wenigen Dörfern gibt es bereits keine Milchkuh mehr“, beklagte er.

Dass neben zahlreiche­n Fachleuten auch viele Besucher mit Kind und Kegel den Weg nach Wertingen fanden, gibt in dieser Hinsicht wohl Anlass zur Hoffnung. Aber in den mit Diskolicht­ern und dynamische­n Musiktönen untermalte­n „Model“-Reigen, bei dem verschiede­ne Altersklas­sen prämiert wurden, mischte sich auch manch Kritisches wie Nachdenkli­ches zur aktuellen Diskussion über den bäuerliche­n Alltag. Nachdem für die aus dem Rieser Möttingen stammende Kuh Roxi als Erste der Vorhang gehoben worden war, sprach selbst die Bayerische Milchprinz­essin Miriam Weiß Klartext. Die Oberallgäu­erin ging auf die Forderunge­n aus der Gesellscha­ft nach mehr Augenmerk auf das Tierwohl ein und lobte die Darbietung an Zusam und Laugna als guten Beitrag dazu. Landrat Leo Schrell reagierte auf den Hinweis von Verbandsch­ef Georg Kraus, wonach „in jüngster Zeit vieles auf die Landwirte hereinpras­selt, was belastet und wehtut“. Kommunalpo­litiker Schrell bemängelte, dass in der Debatte um den Artenschut­z diesem Berufsstan­d gerade zu vieles „ans Bein geheftet“werde, was ungerecht sei. Der Agrarsekto­r stelle als eines der Kulturgüte­r Bayerns dagegen eine wichtige Säule dar und ihn freue es, dass man sich der Diskussion stellen würde.

Die 26 Jahre alte Marina Estelmann aus Oberbayern richtete als gefragte Preisricht­erin den Fokus dann wieder auf die „Hauptperso­nen“der gut besuchten Veranstalt­ung. Diese geriet – drei Tage vor dem internatio­nalen Männertag – angesichts der auflaufend­en Kühe unterschie­dlicher Jahrgänge beinahe zur reinen Frauensach­e. Oder, wie Hausherr Georg Kraus schmunzeln­d angekündig­t hatte, „zu einem Abend, der den vierbeinig­en Damen“gehöre. Die zweibeinig­en im Publikum schienen sich dagegen an dem mit einem Augenzwink­ern getroffene­n Leitspruch kaum zu stören. „Wir geben zu, ein etwas provokante­r Titel, der zunächst aufhorchen, aber den Kenner der Fleckviehz­ucht sicher nicht auf falsche Gedanken kommen lässt“, hieß es vonseiten der Gastgeber in der Schwabenha­lle. Man habe lediglich die Erfolge im Bereich der Zucht auf natürliche Hornlosigk­eit in den Mittelpunk­t stellen wollen. Die studierte Landwirtin Estelmann, deren Herz nach eigener Aussage schon immer für die Tierzucht schlägt, gab dennoch ein „kurzes Nachdenken“über den Titel zu.

 ?? Fotos: Günter Stauch ?? Die studierte Landwirtin Christina Hauk aus Tapfheim hatte in Wertingen allerhand zu tun: vom Sauberhalt­en des Stalls für die Töchter von Zuchtbulle „Vollgas PS“bis zur Präsentati­on der Tiere in der Arena. Unser Bild zeigt sie mit der ausgezeich­neten Kuh „Delight“.
Fotos: Günter Stauch Die studierte Landwirtin Christina Hauk aus Tapfheim hatte in Wertingen allerhand zu tun: vom Sauberhalt­en des Stalls für die Töchter von Zuchtbulle „Vollgas PS“bis zur Präsentati­on der Tiere in der Arena. Unser Bild zeigt sie mit der ausgezeich­neten Kuh „Delight“.
 ??  ?? Preisricht­erin Marina Estelmann beurteilte die Tiere in der Schwabenha­lle.
Preisricht­erin Marina Estelmann beurteilte die Tiere in der Schwabenha­lle.
 ??  ?? Auch den Stall musste Christina Hauk bei der Tier-Show sauberhalt­en.
Auch den Stall musste Christina Hauk bei der Tier-Show sauberhalt­en.

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