Der Schwaben-Stratege tritt ab
Porträt Peter Saalfrank setzte sich als Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer 19 Jahre dafür ein, dass die Region wettbewerbsfähiger wird. Vieles wurde erreicht. Was bleibt, ist ein großer Wunsch und eine Sorge
Augsburg Strategen haben es nicht leicht. Sie denken weit voraus und wollen in der Gegenwart Dinge verändern, damit die Zukunft besser wird. Damit verlangen solche Unruhegeister anderen, zumal Politikern, die oft nur an den kurzfristigen Erfolg denken, viel ab. Doch es braucht Strategen, um Krisen zu überwinden. Strategen können, ja müssen lästig sein. So ein hartnäckiger Weichensteller ist Peter Saalfrank. Der Hauptgeschäftsführer der schwäbischen Industrie- und Handelskammer tritt zum Jahresende ab. Mit 63 hört er dann – wie schon länger geplant – auf.
Nicht geplant war jedoch, dass der IHK-Mann in diesem Jahr vom Schicksal noch einmal massiv auf die Probe gestellt wird. Eine schon überwunden geglaubte Tumorerkrankung meldete sich zurück, derart stark, dass Saalfrank schon seit Frühjahr sein Amt nicht mehr ausüben kann. Doch es geht ihm wieder besser. Ja, er sagt sogar im Gespräch mit unserer Redaktion in seinem Augsburger Haus: „Es geht mir gut.“Seine Frau schaut auch kurz vorbei. Dr. Renate Linné ist Ärztin und stellvertretende kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Augsburg. In einer solch schwierigen Probe für jede Familie war die Medizinerin natürlich ein Segen für den langjährigen Kämpfer für die Belange der heimischen Unternehmer.
Sein eigener Kampf um die Gesundheit geht weiter. Saalfrank will aber nicht so sehr über sich selbst sprechen, sondern über Schwaben. Dabei ist es eigentlich amüsant, dass ausgerechnet er sich vehement für die Belange der Region einsetzt. Denn der IHK-Mann ist ein echter Münchner, was sprachlich auch nach vielen Jahren im Exil unverkennbar bleibt. Er lächelt und sagt, wie es dem Humor seiner Heimatstadt entspricht: „I bin auf der Wiesn geboren, sozusagen im Bierzelt.“Saalfrank flunkert. Wahr ist, dass er rund 100 Meter entfernt von der Theresienwiese aufgewachsen ist. Nach Schwaben hat es ihn nach einer Banklehre des Jura-Studiums willen verschlagen. So entdeckte Saalfrank seine Liebe zu Augsburg, fügt aber dann doch einen für Liebhaber seiner Heimatstadt typischen Satz an: „Ich war natürlich nie wirklich weg von München.“Nach dem Studium zog es ihn im Dienste der IHK-Organisation ins Ausland, erst nach Lissabon, dann nach Brüssel.
Saalfrank lernte gerade auf EU-Ebene, wie das Geschäft des Netzwerkens funktioniert, also das argumentative Bearbeiten von Politikern. Kenntnisse der Disziplin des strategischen Lobbyings sollten ihm in seiner Augsburger IHK-Zeit von Nutzen sein. Dabei fand sich ein interessantes Gespann zusammen: Die kämpferische und selbstbewusste einstige IHK-Chefin Hannelore Leimer und ihr, was solche Ambitionen betrifft, nicht unähnlicher Kompagnon Saalfrank.
Die Schwäbin und der Münchner kämpften Seit’ an Seit’ für eine Aufwertung der Region, sowohl was die
Verkehrsanbindung als auch die Ausstattung mit wissenschaftlichen Instituten betrifft. Sie forderten keck in München ein, dass die Staatsregierung nicht immer nur an Oberbayern oder benachteiligte Grenzgebiete im Freistaat denkt.
Das IHK-Duo wurde also Oberbayern wie dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber lästig. Dessen Finanzminister Kurt Faltlhauser, ein Münchner Ironiker wie Saalfrank, legte einst einen denkwürdigen Auftritt im Jahre 2006 hin, als er Leimer und ihren Hauptgeschäftsführer beim WMFußballspiel Deutschland gegen
Schweden in München traf. Der CSU-Mann soll das Schwaben-Duo mit dem Satz begrüßt haben: „Da kommt ja Augsburg an der Jammer.“Ein wenig geschert, so kann Münchner Humor sein. Der Ausspruch machte die Runde.
Leimer und Saalfrank stritten nur umso entschlossener für die Interessen Schwabens. Manches sollte gelingen, einiges nicht. So wurde ihr Traum eines Verkehrsflughafens in Lagerlechfeld bei Augsburg nicht wahr. Das Allgäu setzte sich mit Memmingerberg durch. Doch Erfolge wie der sechsspurige Ausbau der Autobahn A8 von München nach Ulm machten solche Rückschläge wett.
Die deutliche Verbesserung der Verkehrsanbindung erwies sich als Vitaminspritze für die Region. Hinzu kam die Ansiedlung wissenschaftlicher außeruniversitärer Institute im Augsburg Innovationspark. Hier hat Saalfrank im Hintergrund mit die Strippen gegenüber der Politik gezogen. Rückschauend sagte er: „Mit Ministerpräsident Beckstein ging es bergauf für Schwaben. Dessen Nachfolger Seehofer brachte dann mit der Zusage für das Uniklinikum einen gewaltigen Schub für die Region.“Letzterer sei ein vortrefflicher Ministerpräsident für Schwaben gewesen. Und: „Söder tritt hier klar in Seehofers Fußstapfen.“Den Namen „Stoiber“erwähnt Saalfrank in seiner Aufzählung von Regierungschefs, die segensreich für den heimischen Wirtschaftsstandort wirkten, nicht. Darauf angesprochen lächelt er nur und sagt nichts weiter.
Und welche strategischen Weichenstellungen wünscht sich Saalfrank nun von IHK-Präsident Andreas Kopton und Marc Lucassen, seinem Nachfolger als Hauptgeschäftsführer? „Beide sollten“, so sein Wunsch, „einen Blick auf den Industriestandort Augsburg haben, der mir Sorgen macht“. Denn die Stadt habe wirtschaftlich trotz aller Erfolge immer wieder Narben verkraften müssen. So folgten den Manroland- und Böwe-Systec-Insolvenzen das Aus des einstigen Osram-Standortes und die Schließung des Fujitsu-Computerwerkes. Saalfrank hofft auch, dass die überregionale Zusammenarbeit entlang der Technologieachse Süd von Karlsruhe über Augsburg und München hinein ins ostbayerische Chemiedreieck wieder intensiviert wird, beispielsweise für Batteriezellenforschung
„Mit Ministerpräsident Beckstein ging es bergauf in Schwaben.“
Peter Saalfrank, Industrie- und Handelskammer
und verkehrspolitische Großprojekte: „Das wäre eine große Chance für die Region.“
Der IHK-Mann glaubt auch an ein Comeback der Idee von „Greater Munich“, also an ein näheres Zusammenrücken der Landeshauptstadt mit der Schwaben-Metropole.
Daneben fällt sein Blick auf die Augsburger Wissenschaftsinstitute. Hier wünscht sich Saalfrank einen engeren Technologietransfer zwischen regionalen Mittelständlern und den Forschern: „So könnten wir den Wirtschaftsstandort auch in den heutigen Umbruch- und Krisenzeiten stärken.“Denn der Mittelstand im starken ländlichen Raum sei die Stütze Schwabens und gerade in der Region um Augsburg mit weltweit tätigen Firmen bestens vertreten. Das alles trägt Saalfrank strukturiert und mit Nachdruck wie immer vor. Insofern ist er trotz der Krankheit ganz der Alte.
Das Gehen fällt ihm noch schwer, dafür das Denken umso einfacher.