Vanille ist die Königin der Küche
Genuss Das Gewürz ist mittlerweile das zweitteuerste der Welt. Kein Wunder, wird es doch aus einer Orchidee geboren, aufwendig verarbeitet und zum Veredeln vieler Speisen verwendet, von Fisch, Wild bis Geflügel. Denn so viel ist klar: Wer sie nur zum Backen verwendet, verpasst etwas
Augsburg Der Duft von Vanille, wohlgemerkt echte (und nicht die aus dem Zuckertütchen mit schwarzen Stippchen) ruft Kindheitserinnerungen in uns wach, an feine Kuchen, Weihnachtsplätzchen und andere Gaumenfreuden. Für Ludivine Terno heißt Vanille dagegen so viel wie Sommerferien: „Im August ist in der Provinz Sava Erntezeit. Dann liegt überall Vanilleduft in der Luft“, schwärmt sie, nimmt ein dickes Bündel schwarzer Schoten zur Nase und schnüffelt daran.
Ludivine stammt aus Madagaskar, einer Insel vor der Südostküste Afrikas. Vanille hat in ihrer Familie eine drei Generationen lange Tradition. Auf den Plantagen des Vaters aufgewachsen ist die Biologin darin geschult, am Duft einer Schote ihre Qualität zu erkennen. Mit ihrem Mann Christian, einem gelernten Bankkaufmann und Betriebswirt hat sich die Biologin auf den DirektImport spezialisiert. In Peutenhausen (Landkreis Schrobenhausen) betreiben sie mit Madavanilla einen kleinen Laden und einen Onlinehandel für feine Gewürze, Tees, Kakao, Öle und hochwertige Schokolade. Bevorzugt in Bio-Qualität und zu fairen Preisen, auch für die Bauern im Herkunftsland. Drei ihrer saftigen, lederartigen tiefschwarzen Vanilleschoten kosten etwa zehn Euro, je nach Größe und Sorte Bourbon, Pompona oder Tahiti.
Der Preis für Vanille ist in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. Vor 15 Jahren kostete ein Kilo echter Vanille nur 40 Dollar, in diesem Sommer waren es 500 bis 600 Dollar. Damit ist sie teurer als die gleiche Menge Silber und gilt als zweitteuerstes Gewürz nach Safran. Die Verteuerung hat viele Ursachen: Während die Nachfrage nach echter Vanille durch Kochshows und wachsendes Qualitätsbewusstsein der Verbraucher gestiegen ist, bleibt die Erntemenge begrenzt. Die Frucht einer Orchidee gedeiht nur in bestimmten Regionen der Welt und auch heute noch meist auf kleinen Plantagen im Urwald. Sie lässt sich nicht in großem Maßstab anbauen, sondern nur mit viel Handarbeit. Die Pflanzen werden mithilfe von Bambusstäbchen bestäubt. 1000 bis 1500 Blüten schafft eine geschickte Arbeiterin am Tag.
Als Franzosen das Gewürz der Azteken auf ihren Reisen in Mexiko entdeckten, besorgten das noch Bienen. Der Versuch, Vanille in mitteleuropäischem Klima nachzuzüchten, klappte nicht. Nur in den französischen Kolonien vor Afrika gingen die gelben Blüten auf und brachten Schoten hervor. Auch heute noch ist Madagaskar der weltweit wichtigste Lieferant, gefolgt von Réunion, Mauritius und den Komoren. Weil die Kolonien zum Reich der Bourbonen, der französischen Königsfamilie gehörten, wird die Vanille von dort Bourbon-Vanille genannt.
Auch der Klimawandel macht sich bemerkbar. Suchten früher etwa alle 15 Jahre Zyklone die Insel heim, schlagen die gefürchteten Stürme heute etwa alle drei Jahre alles klein. Drei Jahre aber braucht eine neue Pflanze bis zum ersten Ertrag. Die größte Veränderung allerdings, sagen Kritiker, hat der direkte Einstieg von industriellen Großkonzernen mit sich gebracht. Sie beliefern die Lebensmittelindustrie vor allem mit flüssigem Vanilleextrakt, statt mit traditionell fermentierten und behutsam über mindestens sechs Monate lang getrockneten Schoten. Das wirkt sich nicht unbedingt positiv auf gewachsene Strukturen aus, die jahrzehntelang für das Auskommen einer gesamten Region sorgten.
Die gestiegenen Preise sorgen für Neid, es kommt zu Diebstählen und
Streitereien, sogar mit Todesfolge. „In den Wochen vor der Ernte schlafen manche Bauern mit Waffen auf ihren Plantagen“, wissen die Ternos. Selbst sind sie jedes Mal froh, wenn ihre Ware ohne Schwund in Peutenhausen angeliefert wird. Zu Spitzenzeiten verkaufte das Paar bis zu anderthalb Tonnen Vanilleschoten, heute ist es noch ein Viertel davon. Ein großer Augsburger Bäcker zählt ebenso zu ihren Kunden wie einige bekannte Spitzenköche.
Der Sternekoch und „Patissier des Jahres“, Peter Offenhäuser, betreibt in München eine Kochschule. „Allein zum Backen ist Vanille doch viel zu schade. Vanille ist ein Gewürz, das vielen Gerichten eine eigene, besondere Note verleiht“, sagt er. Dabei kommt es auf die richtige Dosierung an. Vanille soll andere Aromen nicht übertönen, sondern unterstützen. Peter Offenhäuser setzt sie gerne bei Geflügel, Wild, Fisch und Schalen- oder Krustentieren ein oder gibt sie mit in sein mediterranes Aroma-Gewürzsalz aus Salz, Pfeffer, Zitronenabrieb, Knoblauch und Lorbeerblatt.
Michael Reich, Hobbykoch aus Hörmannsberg und unter anderem „The Taste“-Finalist, sagt: „Die Königin der Gewürze sollte auch königlich behandelt werden.“Richtig aufbewahrt, im Schraubglas oder luftdicht eingeschweißt und tiefgefroren, behalten Schoten ihr Aroma bis zu zehn Jahre lang. Nur das Mark der Vanille auskratzen und die Schale wegwerfen, ist pure Verschwendung. Steckt doch das meiste Aroma (das natürliche Vanillin) darin. Michael Reich sagt, „die Schale können Sie mehrfach in einer Soße oder Gewürzbutter mitziehen lassen. Anschließend abspülen, trocknen und mit Zucker oder Salz in einem Mixer fein mahlen und damit Vanillezucker oder -Salz herstellen – perfekt!“