Putins Mann, den niemand kennt Porträt
Michail Mischustin leitete zehn Jahre lang die Steuerbehörde Russlands. Nun ist der 53-Jährige Ministerpräsident. Kann er zum Schwergewicht werden?
Eigentlich müsste sein Name jedem Russen bekannt sein. Michail Mischustin ist der Mann, der in Russland die sogenannte INN flächendeckend zur Anwendung gebracht hat, die russische Steueridentifikationsnummer. Ohne die zehn Ziffern funktioniert in dem Land keine Transaktion. Ohne sie lassen sich keine Rechnungen schreiben, keine Steuern zahlen. Als der russische Präsident Wladimir Putin nach dem überraschenden Rücktritt der russischen Regierung am Mittwochabend aber den Namen des 53-jährigen Chefs der Nationalen Steuerbehörde wie aus dem Hut zauberte, waren die Russen verblüfft: Michail wer? Mischustin was?
Der Moskauer mit der sonoren Stimme ist ein politisches Leichtgewicht. Er ist ein „Aitischnik“, wie die Russen sagen, ein IT-ler durch und durch. Als die Sowjetunion am
Zerbrechen war, machte er seinen Abschluss als Systemtechniker am Moskauer Institut für Werkzeugmaschinen. Er war Mitglied im Internationalen Computerklub in Moskau. Mit Freunden aus dem Studium versuchte er dabei, internationale IT-Firmen für den russischen Technikmarkt der 1990er Jahre zu begeistern. Später promovierte er in Wirtschaftswissenschaften und habilitierte
2010 zum Thema „Strategie zur Formierung von Eigentumsbesteuerungen in Russland“. Im selben Jahr wurde er zum Chef der nationalen Steuerbehörde ernannt.
Er kannte den
Dienst, begann doch seine Beamtenkarriere genau hier: als Assistent des damaligen Leiters. Zehn Jahre war er dort geblieben, wurde anschließend erst Chef der Staatlichen Agentur für Grundbuchangelegenheiten, dann Chef für die Verwaltung von Sonderwirtschaftszonen. Daraufhin versuchte sich Mischustin, der dreifache Vater und Eishockey-Fan, zwei Jahre lang in der Privatwirtschaft, in der Firma seines einstigen Vorgesetzten aus der Steuerbehörde – bis das Jobangebot kam, die Behörde, zu dem Zeitpunkt längst umstrukturiert, selbst zu leiten. Mischustin wird von seinen Wegbereitern als effizient und ausgeglichen beschrieben, als einer, der einen harten Führungsstil pflegt, und einer, der es sich mit niemandem verscherzen will. Seine Arbeit in der Steuerbehörde gilt als vorbildlich. In früheren Interviews zeigte sich der neue Premier stolz darauf, mit dem von ihm eingeführten digitalen Steuerprogramm ein Beispiel für andere Länder zu sein. Das Steckenpferd Mischustins: die smarte Technologie, mit der er auch gegen die Korruption kämpft. Die Beamten sollten minimalen Kontakt mit ihren Kunden haben, so sein Ansatz.
Die Entscheidung Putins, auf eine eher blasse Figur zu setzen, erinnert an einen anderen Michail: 2009 machte Putin, ähnlich überraschend, Michail Fradkow zum Ministerpräsidenten. Auch er war Leiter der Steuerbehörde – und wurde nach nur drei Jahren als Premier durch den Finanzexperten Viktor Subkow ersetzt.