Jesus, Twitter und Rock ’n’ Roll
Gonzalo Aemilius ist neuer Privatsekretär von Papst Franziskus. Das Klischee des typischen Priesters erfüllt der 40-Jährige nicht
Es war nur ein paar Tage nach Amtsantritt, als Papst Franziskus im März 2013 in der Vatikan-Gemeinde Sankt Anna eine Messe feierte. Vor der Kirche hatte sich ein junger Mann mit blondem, halblangem Haar postiert. „Jorge!“, rief Gonzalo Aemilius dem frisch gewählten Papst zu, „ich bin’s, Gonzalo.“Jorge Bergoglio, der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires, nahm den jungen Priester, mit dem er seit Jahren bekannt war, zu sich. „Ich will euch einen Priester vorstellen, der von Weitem gekommen ist“, sagte der Papst während der Messe und holte Aemilius zum Altar. Der Papst lobte die Arbeit des Priesters mit Straßenkindern und Drogenabhängigen in Montevideo und bat die Gemeinde, dass sie für Aemilius bete. Jetzt ernannte Papst Franziskus Gonzalo Aemilius zu seinem Privatsekretär.
Seit dem Auftritt in Sankt Anna vor bald sieben Jahren ist der 40-jährige Aemilius der bekannteste Priester Uruguays. Der bisherige Privatsekretär Fabian Pedacchio und der zweite Sekretär, der ägyptische Kopte Yoannis Lahzi Gaid, traten öffentlich so gut wie nicht in Erscheinung, ganz im Gegensatz zu Erzbischof Georg Gänswein, der als Sekretär Benedikt XVI. sein Amt durchaus medienwirksam ausübt.
Aemilius entspricht nicht nur wegen seines Engagements für sozial Benachteiligte dem Idealbild, das Franziskus von einem katholischen Priester hat. Aemilius wurde 1979 in Montevideo in eine nicht gläubige
Familie geboren, seine Großmutter ist jüdischen Glaubens. Mit elf Jahren ließ sich Aemilius taufen, mit 18 Jahren entschied er sich, katholischer Priester zu werden. Wie er später einmal berichtete, lag die Schwierigkeit weniger in den Reaktionen seines Elternhauses, sondern beim Freundeskreis. Der junge Gonzalo trug lange Haare, ging ins Fußballstadion, hörte Rock ’n’ Roll und hatte Freundinnen, der Wandel war schwer zu vermitteln. Nach dem Besuch im Priesterseminar wurde er 2006 zum Priester geweiht und bereits ein Jahr zuvor mit der Leitung des „Liceo Jubilar Juan Pablo II.“in einem Problemviertel von Montevideo betraut. Der charismatische Aemilius war als junger Schulleiter und Priester die Identifikationsfigur für zahlreiche Jugendliche.
Aemilius’ Beliebtheit lässt sich vor allem mit seiner für einen Priester eher ungewohnten Greifbarkeit erklären. „Ich will vor allem für diejenigen da sein, die nicht von selbst in die Kirche kommen“, sagte er einmal. Aemilius, der in Rom Theologie und Pädagogik studierte, spricht in seinen Predigten mehr über Jesus Christus und das Leben als über moralische Regeln. Manchmal verwendete er Lieder uruguayischer Rock-Gruppen in seinen Messen. „Ich bin ein Priester, der Rock ’n’ Roll mag, der im Stadion schreit und der Twitter benutzt“, erzählte er in einem Interview. Das sei nicht das, was man sich traditionell von einem Priester erwarte.