Und täglich grüßt es aus Punxsutawney
USA Ein Erfolgsfilm aus den 90ern mit Bill Murray machte die Kleinstadt in Pennsylvania weltberühmt. Diese nennt sich bescheiden „Wetterhauptstadt der Welt“. Warum dort Murmeltiere ihre Prognosen abgeben
Punxsutawney Schon die Fahrt nach Punxsutawney hat etwas von „Groundhog Day“, von „Murmeltier-Tag“. Einsame Straßen in hügeliger Landschaft, durch die Luft schwirrende Schneeflocken, Bauernhöfe mit hohen Silos, stoppelige Maisfelder – und hinter dem nächsten Hügel alles wieder von vorne, ähnlich wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“, dem Erfolgsfilm aus dem Jahr 1993, in dem Wetteransager Bill Murray denselben Tag immer wieder neu erlebt.
Und dann grüßt das Murmeltier wirklich: „Willkommen in Punxsutawney, der Wetterhauptstadt der Welt“, heißt es schon auf dem Ortsschild. Comicartig gezeichnete Murmeltiere mit zwei großen Vorderzähnen grüßen von vielen Wänden, Murmeltier-Statuen stehen vor fast jedem Geschäft, verkleidet als Briefträger, Feuerwehrmann oder Freiheitsstatue. Die Kleinstadt mit 6000 Einwohnern – deren Name auf amerikanische Ureinwohner zurückgeht und von den Einheimischen liebevoll „Punxsy“abgekürzt wird – ist vor allem so, wie es auf einem Graffiti am Ufer des Flüsschens Mahoning Creek Lake steht: „Heimat des berühmten Murmeltiers“.
„Dieses Murmeltier hat uns einen Platz auf der Landkarte beschert“, sagt John Griffith. „Es gibt so viele kleine Städtchen hier im Westen von Pennsylvania, die niemand kennt. Aber uns kennt man auf der ganzen Welt.“Griffith arbeitet eigentlich in der Erdgas-Industrie, seit rund 13 Jahren ist der 59-Jährige aber vor allem Herrchen von Phil, dem Waldmurmeltier, um das sich in Punxsutawney alles dreht.
Auch am diesjährigen „Groundhog Day“am Sonntag müssen er und sein Co-Herrchen A. J. Dereume dafür sorgen, dass Phil frühmorgens auf einen auf einer Holzbühne aufgebauten Baumstumpf kommt und – über den Präsidenten des Punxsutawney Groundhog Clubs – seine Wetterprognose abgibt: Sieht Phil seinen Schatten, dann gibt es einen frühen Frühling. Sieht er ihn nicht, dauert der Winter noch weitere sechs Wochen an.
1887 wurde das Wetterspektakel erstmals am Gobbler’s Knob, einem Waldstück außerhalb von Punxsutawney, gefeiert. Die Tradition geht angeblich auf deutsche und niederländische Einwanderer zurück und wird inzwischen auch an Dutzenden anderen Orten in den USA begangen. Punxsutawney hat sich – auch dank des erfolgreichen Hollywoodfilms, der dort spielt, allerdings im Bundesstaat Illinois gedreht wurde – als Zentrum des Murmeltier-Spektakels etabliert. Inzwischen kommen bis zu 30000 Zuschauer dafür in die Kleinstadt, es gibt Feuerwerk, die Nationalhymne, Musik und Verköstigung. Tausende weitere Menschen verfolgen Phils Auftritt per Fernseher oder Livestream.
Die Anziehungskraft reicht weit über den „Groundhog Day“hinaus, sagt Ron Ploucha, der früher auch einmal als Herrchen von Phil im Einsatz war und immer noch Mitglied des Groundhog Clubs ist, des wohl wichtigsten Vereins im Ort.
„An 365 Tagen im Jahr haben wir hier Touristen. Sie kommen aus der ganzen Welt.“Auch Phil ist nicht nur am Murmeltier-Tag selbst im Einsatz. „Wir nehmen ihn mit zu Messen und in Schulen, und er war auch schon Stargast bei Baseballspielen“, erzählt Ploucha, 70 Jahre alt und Lehrer im Ruhestand.
Wenn das viel beschäftigte Murmeltier mal frei hat, lebt es in einem Gehege im Zentrum von Punxsutawney direkt neben der Stadtbücherei, gemeinsam mit seiner Partnerin Phyllis. Beide schlafen dann viel – Winterschlaf halten sie im Gehege anders als ihre MurmeltierKollegen im Wald allerdings keinen. „Phil’s Burrow“(Phil’s Bau) steht über einer Glasscheibe, durch die Besucher die Murmeltiere beobachten können. Angefasst werden dürfen sie nur von den beiden Herrchen, die sie auch füttern (Grünkohl, Brokkoli, Blumenkohl, Karotten, Süßkartoffeln und Phils Lieblingsessen: Bananen), mit Wasser versorgen und den Bau reinigen.
„Man baut eine Verbindung zueinander auf. Ich kann ihn auf den Arm nehmen und halten, und dann liegt er da meistens ganz ruhig in meinem Arm. Er fühlt sich dann an wie eine große, schwere Plastiktüte voll Wasser, weil sein Körper fast nur aus Fett besteht. Ihn hochzunehmen bleibt allerdings schwierig, denn er ist und bleibt ein wildes Tier, kein Haustier“, sagt Griffith. Phil hat scharfe Krallen und große Zähne. Dicke schwarze Lederhandschuhe zieht Griffith an, wenn er das etwa katzengroße braune Tier auf den Arm nimmt. „Und trotzdem passiert so etwas“, sagt das Murmeltier-Herrchen und zeigt auf eine Bissspur auf seinem Unterarm.
Phils Alter ist Tabuthema in Punxsutawney. Eigentlich werden Waldmurmeltiere maximal nur bis etwa zehn Jahre alt. Phil aber bekomme jedes Jahr ein ganz spezielles Elixier zu trinken, das sein Leben verlängere, sagen die Mitglieder des Groundhog Clubs, die sich am liebsten mit schwarzen Zylindern zeigen – und sie zwinkern dazu verschwörerisch. Nervös sei er vor dem großen Tag nicht mehr, sagt Griffith. Und hat Phils Herrchen eine Vorahnung, was sein Murmeltier-Schützling dieses Jahr prognostizieren könnte? „Nein. Aber ich bin immer für einen frühen Frühling.“