Wenn Kunst auf Frauenquote trifft
Festival Zehn Stücke werden zum Berliner Theatertreffen eingeladen. In diesem Jahr gab es bei der Auswahl erstmals einen Vergabeschlüssel, damit genügend Regisseurinnen zum Zug kommen. Das halten Theatermacher der Region davon
Die Diskussion hat schon lange gegärt: Jedes Mal, wenn das Berliner Theatertreffen die zehn Inszenierungen präsentiert hat, die eine Jury für die besten eines Jahres hielt, gab es Kritik, dass vorwiegend Männer zum Zug gekommen waren. Für die Auswahl in diesem Jahr hat sich die Jury erstmals eine Frauenquote auferlegt. Das Ergebnis: In sechs der ausgewählten Inszenierungen haben Frauen Regie geführt. Allerdings ist dieses Vorgehen nicht unumstritten, weil eine Quote ja auch bedeutet, dass bei der Auswahl der Stücke nicht nur die künstlerische Qualität ausschlaggebend ist, sondern gleichzeitig auch das Geschlecht, es also ein zusätzliches Kriterium gibt.
Jetzt ist es überhaupt an den deutschen Stadt- und Staatstheatern so, dass dort überwiegend Männer den Intendantenposten einnehmen. Eine Ausnahme von dieser Regel findet sich am Landestheater Schwaben in Memmingen. Kathrin Mädler heißt die Intendantin und sagt, dass sie eine grundsätzliche Verfechterin von Quotenregelungen sei. „Es geht dabei ja nicht darum, Leute nach oben zu bringen, die nichts können, sondern Frauen, die etwas können, sichtbar zu machen.“Für sie sei die Quote für das Berliner Theatertreffen schon der übernächste Schritt. Wichtiger als bei der Stückeauswahl für das Theatertreffen seien institutionelle Quoten, in den Ensembles und auch in der Auswahl der Inszenierungsteams.
Wobei Mädler auch sagt, dass bei einer künstlerischen Auswahl eine Quotenregelung problematisch sei. „Ein zweites Wertungskriterium halte ich da für schwierig.“Wenn sie da aber sehe, dass von den 432 Inszenierungen, die die Jury gesichtet habe, 261 von Regisseuren und nur 171 von Regisseurinnen stammen, sei das schon ein Hinweis darauf, dass sich an den Theatern noch etwas ändern müsse.
Ganz anders betrachtet André Bücker, der Intendant des Staatstheaters Augsburg, das Prozedere des Berliner Theatertreffens. „Die Bedeutungslosigkeit des Berliner Theatertreffens wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass es jetzt eine Quote gibt“, sagt Bücker. „Quote und Proporz haben grundsätzlich nichts in der Kunst zu suchen.“Die
Inszenierungen, die das Theatertreffen jedes Jahr einlade, könnten nie die vielen hundert neuen Inszenierungen abbilden, die jedes Jahr in Deutschland zu sehen seien.
Auch für sein Staatstheater Augsburg möchte Bücker nichts von einer Quote wissen. „Dass bei uns Männer und Frauen inszenieren, ist selbstverständlich.“Das wird im Blick ins Programmheft der Spielzeit 2019/20 deutlich – im Musiktheater finden sich vier Männer und drei Frauen, im Schauspiel sieben Männer und fünf Frauen auf der Regieposition. Bücker fände einen Spielplan, der nur Männer in der
Regie vorsehe, seltsam, genauso aber auch das Gegenteil, dort nur Frauen einzusetzen. „In der einen Spielzeit mag es mal mehr Männer geben, in der anderen dann mehr Frauen.“
Und wie kommt die Quotenregelung nun bei einer Frau an, die zum Theatertreffen eingeladen worden ist? Eine der sechs Frauen hat auch in Augsburg zwischen 2007 und 2013 als Regisseurin Spuren hinterlassen, mit starken Arbeiten, 2013 waren von Anne Lenk in Augsburg „Minna von Barnhelm“und „Bernarda Albas Haus“zu sehen. Danach fing sie an, verstärkt für die größeren Staatstheater zu arbeiten. Aktuell ist sie Hausregisseurin am Schauspiel in Nürnberg. Ausgewählt für das Theatertreffen wurde Lenk mit ihrer Inszenierung von Molières „Der Menschenfeind“am Deutschen Theater Berlin mit Ulrich Matthes in der Hauptrolle.
Bislang habe das Theatertreffen in ihrem Leben keine große Rolle gespielt, sagt Lenk. „Ich habe mich auf meine Arbeit konzentriert.“Nachdem sie innerhalb kürzester Zeit viele Glückwunsch-Nachrichten erhalten habe, sei ihr aufgegangen, welcher Stellenwert das Theatertreffen für viele habe. „Ich finde es mutig und toll, dass dort jetzt eine Quote eingerichtet wurde.“Dies habe nämlich auch Rückwirkungen auf die Theaterhäuser.
Denn es komme nicht nur darauf an, dass Frauen in den Häusern inszenieren können, sondern dass ihnen dort auch die gleichen Produktionsbedingungen geboten werden, zum Beispiel dass Frauen nicht nur für Bei-Stücke als Regisseurinnen geholt werden, Inszenierungen, bei denen sie nur begrenzt auf die Bühzehn ne und den Theaterapparat zugreifen können, weil parallel dazu groß angelegte Produktionen laufen. „Wichtig ist auch, dass Regisseurinnen an der Stückeauswahl beteiligt werden“, sagt Lenk, dass sie auch bei der Besetzung der Stücke und der Auswahl der Schauspieler nicht benachteiligt werden. Eine Quotenregelung für das Theatertreffen könnte nun auch für die Intendanten der großen deutschsprachigen Bühnen heißen, Frauen verstärkt mit wichtigen Inszenierungen der Häuser zu betrauen.