Messe IAA kommt nach München
Hintergrund Die Landeshauptstadt kann nun zeigen, wie das Auto zur Mobilität der Zukunft passt und dass Messen noch berechtigt sind. Nach der Absage des Autosalons in Genf probiert die Branche digitale Konzepte aus
München Den Zuschlag für die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) hat München erhalten. Das hat der Branchenverband VDA entschieden. Damit gehen Berlin und Hamburg leer aus, die ebenfalls in der Endauswahl waren. In der Runde zuvor hatten bereits die weiteren Bewerber Frankfurt, Hannover, Stuttgart und Köln den Kürzeren gezogen. München gilt seit Wochen als Favorit für die Ausrichtung der künftigen IAA. Damit übernimmt die Landeshauptstadt die Schau von Frankfurt. Zuletzt war dort massive Kritik am Messekonzept geäußert worden. Viele Autoproduzenten haben sich nicht mehr an der Veranstaltung beteiligt. (sts)
Warum Automessen in neuer Form eine Zukunft haben könnten, lesen Sie in der
München Auch wenn sich die Entscheidung seit Wochen andeutet, ist die Freude groß in der Landeshauptstadt. Der Münchner MesseChef Klaus Dittrich ist am Ziel seiner Träume. Monate harter Arbeit liegen hinter ihm. Nun steht fest: Die Automesse IAA wird ab 2021 in München stattfinden. Die Metropole hat sich gegen Konkurrenten wie Berlin durchgesetzt. „Wir freuen uns sehr über das Vertrauen, das der VDA uns hiermit entgegengebracht hat“, sagte Dittrich am Montagabend. Nun will er beweisen, dass München in der Lage ist, die IAA neu zu erfinden und wieder mehr Zuschauer und Aussteller als zuletzt in Frankfurt anzuziehen. Der die Messe veranstaltende Branchenverband VDA hatte sich deswegen entschieden, der Main-Metropole den Rücken zu kehren. Die bayerische Landeshauptstadt konnte mit der Idee punkten, die neue IAA in den Großraum München und dessen Suche nach innovativen Verkehrskonzepten zu integrieren.
Genau das ist nach Ansicht des Auto-Experten Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, richtig. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt er: „Automessen haben nur dann eine Chance, wenn sie Problemlöser für die Mobilität der Zukunft sind.“Sonst hätten sie ein Problem. München leidet wie viele Großstädte unter massiven Verkehrsproblemen. Die Messeveranstalter könnten also ab nächstem Jahr aufzeigen, wie Menschen sich in einem urbanen Raum klug fortbewegen, wie also schlaue Mobilität in Großstädten aussieht.
Automessen sind zuletzt generell in die Kritik geraten. So sieht Professor Ferdinand Dudenhöffer, Deutschlands bekanntester AutoExperte, auch den Autosalon in Genf, der wegen des Coronavirus abgesagt wurde, kritisch: „Bereits im letzten Jahr wurden die Messeflächen mit Bistros, Reifenherstellern und Nachbauten von Oldtimern aufgepolstert.“Selbst wenn die Show stattgefunden hätte, wären aus Sicht des Branchenkenners mehr als 14 prominente Firmen wie Ford, Mitsubishi, Tesla und Volvo der Veranstaltung ferngeblieben. Ein ähnliches Schicksal hat die IAA im Jahr 2019 erlebt.
Nach dem diesjährigen Aus für die Genfer Messe haben die Autokonzerne schnell in den digitalen Gang geschaltet. So meldete sich BMW-Chef Oliver Zipse anderweitig zu Wort. Ohne Ansteckungsrisiko können Journalisten dem Manager in einer Telefonkonferenz Fragen stellen. Die Reporter sehen nur nicht, wie der 56-Jährige schaut und gestikuliert, wenn er unangenehmere Fragen beantworten muss.
Zu Beginn sagte Zipse: „Gesundheit und Sicherheit gehen vor.“Dann wird es spannender. Denn der BMW-Chef verrät, dass er nach gegenwärtigem Stand trotz der Ausbreitung der Epidemie an den Absatzzielen des Unternehmens festhält. Er sehe gegenwärtig keine Auswirkungen auf die weltweiten Verkäufe außerhalb Chinas. Dabei hätten gut 450 der insgesamt mehr als 500 BMW-Händler in dem asiatischen Riesenreich ihre Verkaufsräume wieder geöffnet. China kehrt also langsam zur Normalität zurück.
Der BMW-Chef kann die ihm auf dem Herzen liegenden Botschaften ähnlich wie bei einer Messe rüberbringen. In einem ebenfalls digital verbreiteten Video feiert das schnittige Elektroauto „Concept i4“der Münchner Weltpremiere. Noch ist das als Antwort auf den Verkaufserfolg des US-Herstellers Tesla gedachte Fahrzeug ein Konzept. Deswegen hält sich BMW mit Details wie den künftigen Preisen zurück.
Doch der BMW-Chef gestattete bei seinem digitalen Messeauftritt zumindest einige Einblicke. Demnach kann das elegante Auto in vier Sekunden von null auf 100 Kilometer beschleunigen und baut auf die Kraft von 530 PS. Das Elektrofahrzeug verfügt über eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Der Öko-Flitzer wäre sicher eine der Attraktionen in Genf gewesen, muss nun aber digital durchstarten.
BMW-Designchef Adrian von Hooydonk, 55, rühmte den Wagen als „stark, sexy und modern“. Am Ende des Videos wollen sich Zipse und van Hooydonk die Hand geben, überlegen es sich aber in Viruszeiten doch anders und bewegen nur die rechten Fäuste aufeinander zu.
Die Präsentation der Münchner wirkt gewohnt unaufgeregt, was sich über die digitale Pressekonferenz von Mercedes-Benz nicht sagen lässt. Die Veranstaltung ist mangels Journalisten keine Pressekonferenz, sondern ein Auftritt führender Daimler-Manager um Konzern-Chef Ola Källenius, 50.
Dass der Auftritt schrill gerät, liegt nicht an den Verantwortlichen des Unternehmens, sondern der amerikanischen, schnell sprechenden 37-jährigen TV-Moderatorin Katie Linendoll, deren beide schwarz-weiß gerandete Brillengläser je die Form einer platt gedrückten Acht aufweisen und damit designmäßig aufregender wirken als die in dem Video präsentierte neue E-Klasse-Version. Die Amerikanerin trägt auch ein auffälliges dunkelgelbes, mit Blumen besticktes Kleid. Sie stellt Fragen, die jeden Chef verzücken, etwa: „Was ist der größte Erfolgsfaktor der E-Klasse?“
Entsprechend gut gelaunt wirkt Källenius. Derart unternehmensfreundlich kann eine digitale Messe sein. Journalisten mögen sich hier wieder analoge Autoshows zurückwünschen, wo sie kritische Fragen stellen können. Dabei glaubt Dudenhöffer, große Automessen seien nur noch ein Schatten ihrer selbst: „Wenn sich große Veranstaltungen nicht neu erfinden, droht ihnen die Einstellung.“München kann nun das Gegenteil beweisen.