Er will die katholische Kirche erneuern
Porträt Als Chef der Deutschen Bischofskonferenz kämpft Georg Bätzing gegen die rückwärtsgewandten Kräfte. Schon einmal hat er gezeigt, wie ein neuer Anfang gelingen kann – in der Nachfolge des skandalumwitterten Bischofs von Limburg
Mainz Georg Bätzing, der Bischof von Limburg, tritt jetzt ins Blitzlichtgewitter. Der St.-HildegardSaal des Mainzer Tagungshauses, in dem am Dienstag um kurz nach 13 Uhr die Pressekonferenz abgehalten wird, ist überfüllt. Das Interesse an der Wahl des neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz: überwältigend. In den Fernsehnachrichten wird seit dem frühen Morgen darüber berichtet. Bätzing also ist es geworden, nach „nicht wesentlich mehr“als zwei Wahlgängen, wie er sagt.
Sein Vorgänger, der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, der neben ihm steht, sagt: „Ich bin froh… – Georg, du bist dran.“Die beiden kennen sich aus Trierer Zeiten, wo Bätzing zuletzt Generalvikar war, und fühlen sich eng verbunden. Aus Sicht von Marx hätte es kaum einen besseren Bischofskonferenz-Vorsitzenden geben können. Denn dessen Wahl ist ein Zeichen der Kontinuität. Mit Bätzing ist ein ähnlich reformorientierter Bischof zum Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland geworden. Einer, der Erneuerung verspricht, nicht Rückwärtsgewandtheit oder Stillstand.
In ruhigem Ton erklärt der 58-jährige Bätzing, es gelte, wichtige Themen zu klären: die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Die Fortführung des Reformprozesses „Synodaler Weg“, von dem er sehr überzeugt sei. Die Ökumene, über die er sagt: „Wir werden nur konfessionsübergreifend eine Wirkung haben.“Seine Schwerpunktsetzung gefällt selbst den kritischen Reformern von „Wir sind Kirche“.
Über den Wechsel ins Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz erzählt Bätzing, dieser sei „unprätentiös“vonstattengegangen. Er habe seine Tasche genommen, und Kardinal Marx sei einen Stuhl weitergerückt. Unprätentiös ist auch Bätzing. Er wurde 2016 zum Limburger Bischof geweiht und verkörpert das Gegenteil seines Vorgängers Franz-Peter Tebartz-van Elst, den Medien den Beinamen „Prunk-Bischof“gaben. Tebartz-van Elst war 2014 zurückgetreten, nachdem er aufgrund seiner Sonderwünsche den Bau des neuen Bischofssitzes in Limburg massiv verteuert und die Baukosten von mindestens 31 Millionen Euro verschleiert habe. Eine von Bätzings ersten Entscheidungen war es, nicht in den skandalumwobenen Bischofshaus-Neubau einzuziehen. Es ist der mit der berühmt-berüchtigten Luxus-Badewanne. Danach musste Bätzing sein Bistum einen – und erwies sich dabei als nahbar, bereit und fähig zum (Reform-)Dialog. So sagte er, die Sexuallehre der Kirche werde eher als Verbotsmoral empfunden und sprach sich für eine „Weitung, Öffnung und Veränderung dieser Lehre“aus. Zum Zölibat, der priesterlichen Ehelosigkeit, meinte er: Es schade der Kirche nicht, „wenn Priester frei sind zu wählen, ob sie die Ehe leben wollen oder ehelos leben wollen“.
Am Dienstag nun, auf der Pressekonferenz in Mainz, strahlt Bätzing Zuversicht aus. Und lässt Raum für Zweifel. Auf die Frage, wie er zwischen den deutschen Bischöfen und dem Vatikan vermitteln wolle, antwortet er: Er spreche kein Italienisch, habe keine nennenswerten Erfahrungen mit der Römischen
Kurie, dem Verwaltungsapparat des Vatikan. Daher wolle er sich von anderen Bischöfen helfen lassen, allen voran von Reinhard Marx. Er habe sich von ihm „sehr vertreten gefühlt“. Zugleich stellt er klar: „Ich bin kein zweiter Reinhard Marx.“
Schließlich kündigt er zwei Dinge an, die es bundesweit in die Nachrichten schaffen werden: Er hoffe, dass man noch in Mainz ein Ergebnis beim Thema „Opferentschädigung“präsentieren könne, „das Betroffenen gegenüber ein Signal ist“. Und er sagt, dass kirchliche Verwaltungsgerichte, vor denen sich auch Bischöfe verantworten müssten, kommen werden.
Vor Bätzings Wahl sagte einer der 68 anwesenden Bischöfe, es sei völlig offen, wer Nachfolger von Marx werde. Der 66-Jährige hatte Mitte Februar zur Überraschung auch seiner Mitbrüder erklärt, nicht mehr zur Wiederwahl als Vorsitzender anzutreten. Aus Altersgründen. Ein Jüngerer solle ran. Bätzing ist in der Tat einer der jüngeren Bischöfe in der Bischofskonferenz.
Er weiß, was auf ihn zukommt. Von einer „großen Bürde“spricht er. Die Kirche befindet sich im Umbruch. Und wie sehr sie um ihren künftigen Kurs ringt, zeigt zum Beispiel der Blick zurück auf den Montag, den ersten Tag des Bischofstreffens. Da tritt Marx ins Blitzlichtgewitter, die Finger zur Merkel-Raute geformt. Es ist seine letzte Frühjahrs-Vollversammlung als Vorsitzender in unruhigen Zeiten. Marx steht wie kein Zweiter für den innerkirchlichen Reformprozess „Synodaler Weg“, den er vor einem Jahr maßgeblich auf den Weg brachte. Mit seinem Rückzug hängt über dessen Fortgang ein Fragezeichen. Wie über dem Thema „Entschädigung für Missbrauchsopfer“. Marx redet von „Anerkennung“.
Für Missbrauchsopfer ist das gleich die erste herbe Enttäuschung. „Anerkennung“sei etwas rein Symbolisches, „Entschädigung“dagegen sei ein Schuldeingeständnis. Sie kämpfen um angemessene Entschädigungen für ihr lebenslanges Leid.
Seit ein paar Wochen sind ihre Hoffnungen jedoch in Frustration umgeschlagen. Bischöfe deuteten an, es gehe um Summen im mittleren fünfstelligen Bereich, nicht wie von Matthias Katsch von der Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“und anderen gefordert um bis zu 400000 Euro. Marx dämpft die Erwartungen, es sei alles nicht so einfach. Katsch empfindet das als Hohn. Er „erwarte einen starken und klaren Protest der kirchlichen Basis“. Er spricht davon, Gottesdienste zu stören.
Für Marx gehen in Mainz sechs anstrengende Jahre zu Ende, wie er sagt. Für seinen Nachfolger gebe es „genügend offene Baustellen“. Man sei „in einem Momentum der Kirchengeschichte, wo sich manches zuspitzt – und wo sich vieles entscheide“. Zuvor hatten ihm katholische Frauenorganisationen mehr als 130 000 Unterschriften für eine „geschlechtergerechte und glaubwürdige Kirche“überreicht. Sie wollen das „Männerbündische“brechen; Frauen sollten zu Priesterinnen geweiht werden, fordern sie. Marx dämpfte auch ihre Erwartungen.
Gegen 18 Uhr laufen die Bischöfe dann von ihrem Tagungsort zum Dom, Marx unter einem weißen Regenschirm. Eine Gruppe von Frauen der Reforminitiative „Maria 2.0“, alle in weißen Schals, erwartet die Bischöfe dort schon. Die „rebellischen Frauen“, wie sie eine ältere Gottesdienstbesucherin nennt, setzen sich im Dom auf die hinteren Stufen, einer Tribüne gleich, um von den Bischöfen gesehen zu werden. Und sie sind nicht zu übersehen. Und nicht zu überhören. Zwei Mal applaudieren sie Marx während dessen Predigt. „Da wo die Kirche in der Lage ist, die Zeichen der Zeit zu sehen, wird sie begreifen, was die Stunde geschlagen hat“, sagt er. Sein konservativer Gegenspieler, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, sitzt hinter ihm und wedelt mit dem Liederheft. Bätzing ahnt da noch nicht, dass seine Mitbrüder ihn zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen werden. Im Nachhinein könnte man vielleicht behaupten, er sei der ideale Kandidat gewesen. Sein bischöflicher Wahlspruch lautet: „Congrega in unum“– „Führe zusammen“.