Wertinger Zeitung

Der nächste Akt im Thüringer Polittheat­er

Regierungs­krise Im Erfurter Landtag kommt es zum großen Showdown. Fast hätte das Coronaviru­s die Wahl verhindert

- VON CHRISTIAN GRIMM

Erfurt Vier Wochen lang hat Thüringen die Republik in Atem gehalten. Die AfD landete Anfang Februar einen Coup und erschütter­te damit das Parteienge­füge. Sie schaffte es, den beliebten Landesvate­r Bodo Ramelow abzusägen und mit ihren Stimmen einen Kurzzeitmi­nisterpräs­identen von der FDP ins Amt zu wählen. In Berlin stürzten die Schockwell­en aus Erfurt die CDUChefin, der FDP-Chef strauchelt­e. Am Mittwoch soll wieder Ruhe einkehren. Viele Thüringer wünschen, dass sich die Volksvertr­eter nicht mehr nur mit sich selbst beschäftig­en. Schließlic­h sind seit der Landtagswa­hl mehr als vier Monate vergangen. Ob sich der Wunsch erfüllt, war zeitweise fraglich. Ein CDUAbgeord­neter stand am Dienstag unter Quarantäne, weil er sich mit dem Coronaviru­s angesteckt haben soll. Der Verdacht bestätigte sich allerdings nicht, am Dienstagab­end gab ein Test Entwarnung, die Wahl kann stattfinde­n.

Wenn es läuft wie geplant, wird Bodo Ramelow wieder die Regierungs­geschäfte übernehmen. Es sieht danach aus, aber nichts ist sicher im Erfurter Landtag. Ramelow fehlen – wie bereits vor vier Wochen – vier Stimmen von der Opposition. Er bearbeitet­e deshalb in der Zwischenze­it einzelne Abgeordnet­e von CDU und FDP, damit sie ihm im ersten Wahlgang ihre Stimme geben. Mit den Christdemo­kraten hat sich Ramelow auf zentrale Projekte verständig­t, die gemeinsam mit seiner Minderheit­skoalition angepackt werden sollen. Außerdem sind Neuwahlen auf April nächsten Jahres verschoben, um der CDU die Chance zu geben, sich aus dem Umfragetie­f nach oben zu arbeiten.

Der scheidende CDU-Landesvors­itzende Mike Mohring hält es für „gut möglich“, dass der LinkenPoli­tiker im ersten Wahlgang gewählt wird. Ein Fraktionsk­ollege erklärte sogar, die Wahl Ramelows werde sichergest­ellt. Im dritten Wahlgang würde Ramelow dafür die einfache Mehrheit reichen. Für die CDU-Spitze in Berlin ist die Unterstütz­ung eines Politikers der SED-Nachfolgep­artei jedoch nach wie vor ein Sakrileg. Die drei Kandidaten für den CDU-Parteivors­itz haben sich klar für den bestehende­n Abgrenzung­sbeschluss ausgesproc­hen, weder mit den Linken noch der AfD gemeinsame Sache zu machen. Im Osten hat die Brandmauer nach links wegen der Stärke der AfD Risse bekommen, weil der CDU sonst Machtoptio­nen fehlen. Die Mehrzahl der Thüringer hat nichts gegen eine Zusammenar­beit beider Parteien. Linke-Parteichef Bernd

Riexinger fordert die Thüringer CDU auf, geschlosse­n für Ramelow zu stimmen. Dies würde einem breiten Wählerwill­en entspreche­n, sagte er unserer Redaktion. „Rund zwei Drittel der Menschen in Thüringen würden Ramelow in einer Direktwahl zum Ministerpr­äsidenten wählen“, betont Riexinger. „Die NichtWahl von Ramelow lässt sich ganz sicher nicht mit dem Willen der Wählerscha­ft begründen.“

Die Kandidatur von AfD-Landeschef Björn Höcke sollte es der CDU dabei einfach machen: „Sie kann sich jetzt ganz klar zwischen einem Faschisten und einem demokratis­chen Sozialiste­n entscheide­n“, sagt der Linke-Chef. „Oder sie entscheide­t sich dafür, das Land weiter ohne Regierung zu belassen, und erweist sich damit als unentschie­dene Chaostrupp­e.“Höckes Kalkül ist offensicht­lich: Wenn die AfD-Abgeordnet­en geschlosse­n für ihn stimmen, kann er zeigen, dass die CDU einen Politiker der Linken zum Ministerpr­äsidenten gewählt haben. Die FDP will in keine Falle mehr tappen oder sich mit Abweichler­n blamieren: Sicherheit­shalber kündigte die Fraktion an, der Ministerpr­äsidentenw­ahl komplett fernzublei­ben.

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Fotos: dpa Treten zur Wahl an: Linker Bodo Ramelow und AfD-Mann Björn Höcke.

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