Der nächste Akt im Thüringer Polittheater
Regierungskrise Im Erfurter Landtag kommt es zum großen Showdown. Fast hätte das Coronavirus die Wahl verhindert
Erfurt Vier Wochen lang hat Thüringen die Republik in Atem gehalten. Die AfD landete Anfang Februar einen Coup und erschütterte damit das Parteiengefüge. Sie schaffte es, den beliebten Landesvater Bodo Ramelow abzusägen und mit ihren Stimmen einen Kurzzeitministerpräsidenten von der FDP ins Amt zu wählen. In Berlin stürzten die Schockwellen aus Erfurt die CDUChefin, der FDP-Chef strauchelte. Am Mittwoch soll wieder Ruhe einkehren. Viele Thüringer wünschen, dass sich die Volksvertreter nicht mehr nur mit sich selbst beschäftigen. Schließlich sind seit der Landtagswahl mehr als vier Monate vergangen. Ob sich der Wunsch erfüllt, war zeitweise fraglich. Ein CDUAbgeordneter stand am Dienstag unter Quarantäne, weil er sich mit dem Coronavirus angesteckt haben soll. Der Verdacht bestätigte sich allerdings nicht, am Dienstagabend gab ein Test Entwarnung, die Wahl kann stattfinden.
Wenn es läuft wie geplant, wird Bodo Ramelow wieder die Regierungsgeschäfte übernehmen. Es sieht danach aus, aber nichts ist sicher im Erfurter Landtag. Ramelow fehlen – wie bereits vor vier Wochen – vier Stimmen von der Opposition. Er bearbeitete deshalb in der Zwischenzeit einzelne Abgeordnete von CDU und FDP, damit sie ihm im ersten Wahlgang ihre Stimme geben. Mit den Christdemokraten hat sich Ramelow auf zentrale Projekte verständigt, die gemeinsam mit seiner Minderheitskoalition angepackt werden sollen. Außerdem sind Neuwahlen auf April nächsten Jahres verschoben, um der CDU die Chance zu geben, sich aus dem Umfragetief nach oben zu arbeiten.
Der scheidende CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring hält es für „gut möglich“, dass der LinkenPolitiker im ersten Wahlgang gewählt wird. Ein Fraktionskollege erklärte sogar, die Wahl Ramelows werde sichergestellt. Im dritten Wahlgang würde Ramelow dafür die einfache Mehrheit reichen. Für die CDU-Spitze in Berlin ist die Unterstützung eines Politikers der SED-Nachfolgepartei jedoch nach wie vor ein Sakrileg. Die drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz haben sich klar für den bestehenden Abgrenzungsbeschluss ausgesprochen, weder mit den Linken noch der AfD gemeinsame Sache zu machen. Im Osten hat die Brandmauer nach links wegen der Stärke der AfD Risse bekommen, weil der CDU sonst Machtoptionen fehlen. Die Mehrzahl der Thüringer hat nichts gegen eine Zusammenarbeit beider Parteien. Linke-Parteichef Bernd
Riexinger fordert die Thüringer CDU auf, geschlossen für Ramelow zu stimmen. Dies würde einem breiten Wählerwillen entsprechen, sagte er unserer Redaktion. „Rund zwei Drittel der Menschen in Thüringen würden Ramelow in einer Direktwahl zum Ministerpräsidenten wählen“, betont Riexinger. „Die NichtWahl von Ramelow lässt sich ganz sicher nicht mit dem Willen der Wählerschaft begründen.“
Die Kandidatur von AfD-Landeschef Björn Höcke sollte es der CDU dabei einfach machen: „Sie kann sich jetzt ganz klar zwischen einem Faschisten und einem demokratischen Sozialisten entscheiden“, sagt der Linke-Chef. „Oder sie entscheidet sich dafür, das Land weiter ohne Regierung zu belassen, und erweist sich damit als unentschiedene Chaostruppe.“Höckes Kalkül ist offensichtlich: Wenn die AfD-Abgeordneten geschlossen für ihn stimmen, kann er zeigen, dass die CDU einen Politiker der Linken zum Ministerpräsidenten gewählt haben. Die FDP will in keine Falle mehr tappen oder sich mit Abweichlern blamieren: Sicherheitshalber kündigte die Fraktion an, der Ministerpräsidentenwahl komplett fernzubleiben.