Die vielseitige Frau Noll
Literarisches Sammelsurium
„In Liebe Dein Karl“assoziiert Romantik. Der Name Ingrid Noll hingegen hübsch verpackte Verbrechen. Nun, der Leser bekommt diesmal beides – und noch viel mehr: auch Autobiografisches. Der jetzt erschienene Erzählband „In Liebe Dein Karl“mit 31, zum Teil bisher unveröffentlichten Erzählungen, macht nicht nur mit Nolls Kindheit in China bekannt, sondern gibt auch einen uneitlen Blick auf ihre Herkunft, Wurzeln und Entwicklungen frei. Das literarische Sammelsurium beginnt mit MiniKrimis, also dem Stoff, für den die preisgekrönte Autorin den meisten Lesern bekannt sein dürfte: Im Kapitel „Diebe und Triebe“schließt man Bekanntschaft mit einer armen Irren, einem Prostituiertenmörder, einer betrogenen Ehefrau und einer diebischen Hotelangestellten. Die titelgebende Kurzgeschichte findet sich in „Lust und Last der Liebe“wieder, wobei der in Liebe entbrannte Karl längst tot ist, aber einer finanziell klammen Familie noch ein schönes Weihnachtsfest beschert. Am rührendsten aber gibt sich die 84-jährige Schriftstellerin in ihrem Memento an die Eltern – im Abschnitt „Erinnerungen und Notizen“. Der Vater, viel zu früh verstorben, war „Wie ein wärmender Ofen“, die Mutter eine kluge, weitsichtige, aus kindlicher Sicht aber oft zu rational handelnde Frau. Ihr setzt Noll im Brief „Liebe Mutter“ein Denkmal. Alles in allem also: Erneut großartiger Lesestoff von der Krimi-Queen.
Diogenes , 336 S., 24 Euro