Lehrvideos für die Meise
Blaumeisen und Kohlmeisen können allein durch Video-Schauen voneinander lernen, welche Nahrung schmeckt und welche nicht. In Experimenten lernten die Vögel, ungenießbare Beute zu meiden, wenn sie zuvor einen anderen Vogel beobachtet hatten, der sich nach deren Verzehr etwa vor Ekel schüttelte. Blaumeisen lernten dabei sowohl von anderen Blaumeisen als auch von Kohlmeisen und umgekehrt, berichtet ein internationales Forscherteam im Journal of Animal Ecology.
„Blaumeisen und Kohlmeisen suchen gemeinsam nach Nahrung und ernähren sich ähnlich“, erläutert Liisa Hämäläinen, federführende Wissenschaftlerin und derzeit an der Macquarie University in Sydney tätig. „Indem sie andere beobachten, können sie schnell und sicher lernen, welche Beute sich am besten zum Fressen eignet. Das spart Zeit und Energie beim Ausprobieren verschiedener Beute und hilft zudem, die krank machende Wirkung giftiger Nahrung zu vermeiden.“
Für ihre Experimente zeigten die Forscher Kohlmeisen und Blaumeisen nacheinander Videos von anderen Blau- und Kohlmeisen, die einen ungenießbaren Happen probierten. Deren Ekel zeigte sich darin, dass sie ihren Schnabel wiederholt an der Sitzstange rieben und den Kopf schüttelten.
Das Ungenießbare waren kleine Mandelstückchen, die die Wissenschaftler zuvor in bitterer Lösung gebadet hatten. Sie waren in Papier verpackt, das von außen mit einem Quadrat auffällig gekennzeichnet war – analog zu giftigen Insekten, die oft eine auffällige und abschreckende Färbung oder Musterung aufweisen, etwa Feuerwanzen oder Marienkäfer. Schmackhafte Häppchen verpackten die Forscher in Papier, das mit einem weniger gut sichtbaren Kreuz gekennzeichnet war.
Die Auswertung ergab, dass das Betrachten der Ekel-Videos die Beobachter-Vögel davon abhielt, selbst zu probieren, sie schnappten und verzehrten deutlich seltener Päckchen mit Warnquadrat. Blaumeisen lernten am besten von ihren Artgenossen, Kohlmeisen lernten genauso gut von Blaumeisen. Das Lernen hat auch Konsequenzen für die Überlebenschancen der Beutetiere: „Auffällige Warnfarben von Insekten wehren Fressfeinde effektiv ab – aber erst, nachdem die Fressfeinde gelernt haben, das Warnsignal mit einem ekligen Geschmack in Verbindung zu bringen“, erläutert Hämäläinen. Für unerfahrene Räuber sind die Insekten eine leicht zu schnappende Beute. Lernen Vögel allein durch Beobachten, werden weniger Insekten verspeist.