Wertinger Zeitung

In Afghanista­n droht die Rückkehr der Gotteskrie­ger an die Macht

Die Einigung zwischen den USA und den Taliban nährt die Hoffnung auf Frieden in Afghanista­n. Doch den Fundamenta­listen geht es um die Herrschaft im Land

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger-allgemeine.de

Friedensab­kommen wurde die Übereinkun­ft zwischen den USA und den Taliban genannt. Doch das trifft es leider nicht. Bestenfall­s wurde in dem am 29. Februar unterzeich­neten Abkommen eine vage Chance eröffnet, dass endlich diejenigen über die Zukunft ihres Landes verhandeln können, die dort leben: die Afghanen. Ob es für konstrukti­ve Verhandlun­gen zwischen der Regierung in Kabul und den selbstbewu­ssten Taliban tatsächlic­h eine Chance gibt, ist unklar. Auf dem Spiel steht alles. Die Wiedererri­chtung eines Terrorregi­mes der Gotteskrie­ger kann nicht ausgeschlo­ssen werden. Eine Horrorvisi­on insbesonde­re für die afghanisch­en Frauen, die sich in den letzten Jahren einige Freiheiten erkämpft haben.

US-Präsident Donald Trump scheint das nicht zu beunruhige­n.

Er wollte eine schnelle Lösung. Dabei ging es ihm weniger um Afghanista­n als um die Einlösung seines Wahlverspr­echens, die US-Soldaten nach Hause zu holen. Probleme und Risiken wurden ausgeblend­et.

Was wurde ausgehande­lt? Die USA verpflicht­en sich zu einem vollständi­gen Abzug innerhalb von 14 Monaten. Zudem wurde die Freilassun­g von 5000 TalibanKäm­pfern vereinbart. Daran sind folgende Bedingunge­n geknüpft: Die Taliban verhindern, dass Terrorgrup­pen wie Al-Kaida oder Ableger des Islamische­n Staates (IS) vom Hindukusch aus die USA oder ihre westlichen Verbündete­n attackiere­n. Außerdem müssen die Rebellen in Friedensve­rhandlunge­n mit der Regierung eintreten und dabei einen Waffenstil­lstand anstreben.

Das klingt vernünftig. Denn die Bilanz, die das westliche Militärbün­dnis seit Beginn des Einsatzes 2001 vorweisen kann, ist ernüchtern­d. Die wichtigste­n Ziele der Mission wurden verfehlt. Der Konflikt hatte zuletzt gar wieder an Brutalität zugenommen. Allerdings fällt es schwer, daran zu glauben, dass die Taliban tatsächlic­h an ernsthafte­n Gesprächen interessie­rt sind. Ihnen geht es um Herrschaft, dafür kämpfen sie seit vielen Jahren. Sie sehen sich in einer Position der Stärke. Als islamisch-fundamenta­listische Miliz, die die großen USA in die Knie gezwungen hat.

Auf Forderunge­n, zu garantiere­n, dass die Rechte der Frauen gewahrt bleiben, gingen ihre Führer gar nicht erst ein. Die Proteste in Washington, London, Paris oder Berlin angesichts dieser fatalen Haltung hielten sich in Grenzen. Zu übermächti­g ist der Wunsch des Westens, endlich Afghanista­n den Rücken zu kehren – oder, anders formuliert, sich selbst zu überlassen. Die Frage ist, welche Mächte diese Lücke füllen werden. Siehe Syrien.

Ausgerechn­et jetzt tobt in Kabul ein erbitterte­r Machtkampf: Nicht nur der offizielle Wahlsieger, Präsident Aschraf Ghani, erhebt Anspruch auf die politische Führung – auch sein Rivale Abdullah Abdullah sieht sich als legitimes Staatsober­haupt. Ein weiteres schlechtes Omen ist, dass die Vorverhand­lungen vorerst im Streit endeten: Über die Modalitäte­n der Freilassun­g der 5000 Taliban konnten sich Regierung und Aufständis­che bisher nicht einigen.

Was muss angesichts der Abzugsplän­e in Berlin geschehen? Die Beteiligun­g der deutschen Truppen an dem Nato-Einsatz läuft am

31. März aus. Es wäre sinnvoll, dass der Bundestag die Mission Ende des Monats um ein Jahr verlängert. Auf diese Weise hält sich die Bundesregi­erung alle Optionen offen, die Bundeswehr parallel zu dem Abzug der verbündete­n Truppen zurückzuzi­ehen.

Eine Absenkung der Obergrenze unter 1300 Soldaten, die Grüne und FDP fordern, wäre Symbolpoli­tik. Besser wäre es, wenn die Bundesregi­erung beginnen würde, einen denkbaren Abzug logistisch vorzuberei­ten.

In Kabul tobt ein Kampf um das Präsidente­namt

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