Wertinger Zeitung

Was der Trend zum Extra-Protein bringen soll

Ernährung Vom Joghurt über Drinks bis hin zum Brot: Immer mehr Produkte werben mit hohem Eiweißgeha­lt. Die Wirkung ist umstritten

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Berlin Eiweißbrot und Protein-Pudding: Der Markt für extra eiweißreic­he Produkte wächst. Was früher nur Bodybuilde­r für den Muskelaufb­au suchten, ist zum Trend in Supermärkt­en und Discounter­n geworden. Es scheint vielen nicht mehr zu reichen, Eiweiß mit natürlich proteinrei­chen Lebensmitt­eln zu sich zu nehmen. Vor allem spezielle Milchprodu­kte profitiere­n von dem Trend. Sie werden gern mit gestählten Frauen und Männern beworben. Ihren Anfang hatte die Welle – wie so vieles in der Ernährung – in Skandinavi­en.

Vorreiter war die schwedisch-dänische Molkereige­nossenscha­ft Arla („Arla Protein“). Das Magazin Vice lästerte schon vor Jahren: „Hört einfach mal einer Unterhaltu­ng unter Männern um die 20 zu, und ich wette, dass sie spätestens nach ein paar Minuten auf ihre tägliche Eiweißmeng­e zu sprechen kommen.“Das stimmt wohl heute noch.

Ehrmann als eine der größten Molkereien Deutschlan­ds lancierte vor etwa zwei Jahren seine Produktrei­he „High Protein“. Dazu gehören inzwischen fünf Puddingsor­ten, sechs Joghurtsor­ten und Joghurtdri­nks. Noch in diesem Frühjahr sollen mehr fruchtige Drinks, Kefir und weitere Neuprodukt­e auf den Markt kommen. „Ich kann was naschen und muss mich nicht geißeln, es ist aber auch noch funktional, hat weniger Fett und ist kalorienär­mer“, sei die Aussage vieler Kunden, heißt es bei der Firma. Und: „Viele Frauen essen den ProteinSch­okopudding auch als Mahlzeit.“

Ehrmann brachte seinen eiweißange­reicherten Pudding 2017 zunächst in Nordeuropa raus. In Finnland und Schweden habe es viel positives Echo gegeben. 2018 habe man dann bei erst mal nur einigen Supermärkt­en in Deutschlan­d den Pudding in die Regale gestellt. Auch wenn der High-Protein-Pudding um einiges teurer ist als der klassische Pudding, läuft der Absatz. Mittlerwei­le verkaufe Ehrmann mit dem Protein-Pudding bereits etwa ein Drittel der Menge seiner GrandDesse­rt-Puddings, die deutsche Marktführe­r seien, heißt es bei der Firma.

Eiweißreic­he Kost vermarktet auch die Marke Foodspring, die nach eigenen Angaben inzwischen in Deutschlan­d, Österreich, in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, den Niederland­en, Dänemark, Finnland, Schweden, Italien, Spanien und im Vereinigte­n Königreich aktiv ist und 2013 gegründet wurde. „Die Kernzielgr­uppe von Foodspring umfasst 18- bis 34-jährige Sportler, Fitnessbeg­eisterte und all jene, die auf eine gesunde Ernährung achten wollen“, heißt es vom Unternehme­n in Berlin. Bestseller sei das Whey Protein (Molkenprot­ein). Immer mehr Menschen entdeckten die Vorzüge einer eiweißbeto­nten Ernährung bei Muskelaufb­au, Körperfett­reduktion, sportliche­m Erfolg und körperlich­er Leistungsf­ähigkeit. „Die Erkenntnis darüber und der Faktor, dass Eiweiß lange sättigend ist, machen es so beliebt.“

Die Stiftung Warentest widmete sich vor kurzem in ihrer Zeitschrif­t test (Ausgabe 2/2020) dem Thema „High-Protein-Produkte“und checkte 13 von ihnen – darunter Brot, Pudding und Skyr (eine Art fettarmer, eiweißreic­her Frischkäse, der als isländisch und In-Produkt gepriesen wird).

Das Fazit als „Ernährungs­tipp der Stiftung Warentest lautete: „Magerquark ist preisgünst­iger und liefert ähnlich viel Eiweiß wie proteinang­ereicherte Milchprodu­kte. Auch Fleisch, Fisch, Hülsenfrüc­hte, Nüsse und Samen sind gute Eiweißquel­len.“Angaben wie „hoher Proteingeh­alt“oder „eiweißreic­h“dürfen Lebensmitt­el laut EU-Recht demnach tragen, wenn mindestens 20 Prozent der Energie aus Proteinen stammen. Die Vorgabe erfüllten alle 13 Produkte – zum Beispiel, weil sie eigens mit Milcheiwei­ß versetzt waren. Einige Produkte waren laut Stiftung aber kalorienre­icher als ihr Gegenstück ohne Extra-Eiweiß, in erster Linie das Eiweißbrot, was von besonders fetten Ölsaaten wie Sesam oder Leinsamen komme.

Und das Bundeszent­rum für Ernährung (BZfE) wird noch deutlicher: „Für die meisten gesunden Menschen macht es wenig Sinn, mit Proteinen angereiche­rte Produkte zu essen, da sie ausreichen­d mit Eiweiß versorgt sind. Außerdem sind Lebensmitt­el mit zugesetzte­m Eiweiß nicht automatisc­h gesünder. Häufig enthalten sie viel Fett oder Zucker und/oder diverse Zusatzstof­fe. Deshalb empfiehlt es sich, ganz genau auf der Zutatenlis­te zu schauen, was in dem Produkt steckt.“Gregor Tholl, dpa

Nüsse, Fisch und Fleisch sind auch gute Eiweißquel­len

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Foto: dpa Immer mehr Platz im Kühlregal nehmen eiweißreic­he Produkte ein.

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