Trump macht seine Grenzen dicht
USA In Amerika wächst die Nervosität wegen des Coronavirus. Der Präsident versucht es mit Härte. Die Europäer sind empört
Washington Donald Trump wählt die ganz besondere Bühne: eine Ansprache an die Nation, direkt aus dem Oval Office, übertragen im landesweiten Fernsehen zur besten Sendezeit. Solche Auftritte des US-Präsidenten sind für außergewöhnliche Anlässe vorbehalten: für Krisen, Naturkatastrophen, einschneidende politische Entscheidungen. Mit seinem Auftritt am Mittwochabend (Ortszeit) zeigt Trump, dass das Coronavirus genau das ist: eine internationale Krise. Für ihn selbst ist es noch dazu eine große politische Gefahr mitten im Wahljahr – und die wohl größte Herausforderung seiner Amtszeit.
Nationalistische Töne schlägt Trump an. Ein „ausländisches Virus“verbreite sich in den USA, „das aus China kommt und sich nun in der ganzen Welt verbreitet“. Keine andere Nation sei „so sehr vorbereitet und widerstandsfähiger als die Vereinigten Staaten“. Trump kündigt drastische Schritte an. Um die Amerikaner zu schützen, werde ab Freitag ein 30-tägiges Reiseverbot für Personen in Kraft treten, die sich in den vergangenen zwei Wochen in der Europäischen Union aufgehalten haben. Davon ausgenommen seien Briten und Iren sowie Staatsbürger und Personen mit unbefristetem Aufenthaltsrecht. Zur Begründung sagt er: „Die EU hat es versäumt, die gleichen Vorsichtsmaßnahmen (wie die USA) zu treffen und Reisen aus China und anderen Krisenherden einzuschränken.“Das habe zu einer Ausbreitung des Virus auch in den USA geführt.
Die US-Regierung erwägt, alle EU-Staaten der Risiko-Kategorie III zuzuordnen, die bisher für Staaten wie Italien, China und Südkorea gilt. Das Außenministerium riet allen Amerikanern, Reisen wegen des Virus „in alle Länder“zu überdenken. Das ist die zweithöchste Warnstufe nach der Empfehlung, „nicht zu reisen“. Binnen Minuten nach seiner Ansprache korrigierte Trump via Twitter eine missverständliche Passage der Rede, die den Eindruck erweckte, die USA würden den massiven Handel mit Europa bis auf Weiteres einstellen. „Die Restriktionen stoppen Menschen, nicht Güter.“
Und Trump versucht sich als Kümmerer, appelliert an das Miteinander im Land. „Wir müssen die Politik beiseitelassen, die Parteilichkeit stoppen und uns als eine Nation und eine Familie vereinen“, sagt jener Präsident, der wie kein anderer für internationale Verwerfungen und für eine Spaltung der Gesellschaft in den USA gesorgt hat. „Mit Mitgefühl und Liebe werden wir die Kranken heilen, für die Bedürftigen sorgen, unseren Mitbürgern helfen und gestärkt und geschlossener als je zuvor aus dieser Herausforderung hervorgehen.“
Europa reagierte mit Empörung auf den US-Einreisestopp und wehrte sich gegen den Vorwurf, die EU habe nicht genug gegen die neue Krankheit Covid-19 getan. EU
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel erklärten gemeinsam: „Die Europäische Union missbilligt die Tatsache, dass die US-Entscheidung eines Einreisestopps einseitig und ohne Rücksprache getroffen wurde.“Sie fügten hinzu: „Die Europäische Union handelt entschlossen, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen.“
SPD-Vizekanzler Olaf Scholz reagierte diplomatisch auf Trumps Vorgehen. Es mache wenig Sinn, die Strategien einzelner Länder zu kritisieren, sagte der Finanzminister unserer Redaktion. „Da muss jedes Land, das vor ganz eigenen Herausforderungen steht, einen eigenen Weg gehen können“, erklärte er. „Wichtig ist, dass wir all dies aber international koordinieren – darauf kommt es jetzt an“, betonte Scholz und ging dabei auf Distanz zu Trumps Politik. „Vielleicht erleben wir gerade die neue Stunde des Multilateralismus“, betonte er. „Wir merken jetzt sehr deutlich, wie eng die Welt zusammenhängt. Nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial und gesundheitlich. Ich denke, wenn die Welt so eng zusammenhängt, dann sollte sie auch zusammenhalten.“
In vielen US-Bundesstaaten sind Versammlungen mit mehr als 1000 Personen nun ähnlich wie in Deutschland untersagt. Eine große Anzahl von Universitäten, darunter so renommierte Institutionen wie Harvard, stellen auf Online-Unterricht um. Dasselbe gilt für immer mehr Schulen. Experten befürchten, dass eine weite Verbreitung des Coronavirus massive ökonomische Probleme bringen wird, da rund acht von zehn Arbeitnehmern von Lohntüte zu Lohntüte leben und 40 Prozent der Amerikaner nicht genügend Ersparnisse haben, eine unerwartete Rechnung über 400 Dollar zu bezahlen. Zumal nun auch die ersten Amerikaner ihre Arbeitsplätze verlieren. Als Erste traf es Hafenarbeiter in Los Angeles, die wegen ausbleibender Container aus China nichts mehr zu tun haben. Betroffen sind aber auch Mitarbeiter des Reise-, Unterhaltungsund Gaststättengewerbes. Die zuvor rosige Stimmung in der amerikanischen Wirtschaft hat sich damit eingetrübt. Dies könnte eine schwere Belastung auch für Trumps Wahlkampf werden.