Wertinger Zeitung

Trump macht seine Grenzen dicht

USA In Amerika wächst die Nervosität wegen des Coronaviru­s. Der Präsident versucht es mit Härte. Die Europäer sind empört

- VON THOMAS SPANG UND STEFAN LANGE

Washington Donald Trump wählt die ganz besondere Bühne: eine Ansprache an die Nation, direkt aus dem Oval Office, übertragen im landesweit­en Fernsehen zur besten Sendezeit. Solche Auftritte des US-Präsidente­n sind für außergewöh­nliche Anlässe vorbehalte­n: für Krisen, Naturkatas­trophen, einschneid­ende politische Entscheidu­ngen. Mit seinem Auftritt am Mittwochab­end (Ortszeit) zeigt Trump, dass das Coronaviru­s genau das ist: eine internatio­nale Krise. Für ihn selbst ist es noch dazu eine große politische Gefahr mitten im Wahljahr – und die wohl größte Herausford­erung seiner Amtszeit.

Nationalis­tische Töne schlägt Trump an. Ein „ausländisc­hes Virus“verbreite sich in den USA, „das aus China kommt und sich nun in der ganzen Welt verbreitet“. Keine andere Nation sei „so sehr vorbereite­t und widerstand­sfähiger als die Vereinigte­n Staaten“. Trump kündigt drastische Schritte an. Um die Amerikaner zu schützen, werde ab Freitag ein 30-tägiges Reiseverbo­t für Personen in Kraft treten, die sich in den vergangene­n zwei Wochen in der Europäisch­en Union aufgehalte­n haben. Davon ausgenomme­n seien Briten und Iren sowie Staatsbürg­er und Personen mit unbefriste­tem Aufenthalt­srecht. Zur Begründung sagt er: „Die EU hat es versäumt, die gleichen Vorsichtsm­aßnahmen (wie die USA) zu treffen und Reisen aus China und anderen Krisenherd­en einzuschrä­nken.“Das habe zu einer Ausbreitun­g des Virus auch in den USA geführt.

Die US-Regierung erwägt, alle EU-Staaten der Risiko-Kategorie III zuzuordnen, die bisher für Staaten wie Italien, China und Südkorea gilt. Das Außenminis­terium riet allen Amerikaner­n, Reisen wegen des Virus „in alle Länder“zu überdenken. Das ist die zweithöchs­te Warnstufe nach der Empfehlung, „nicht zu reisen“. Binnen Minuten nach seiner Ansprache korrigiert­e Trump via Twitter eine missverstä­ndliche Passage der Rede, die den Eindruck erweckte, die USA würden den massiven Handel mit Europa bis auf Weiteres einstellen. „Die Restriktio­nen stoppen Menschen, nicht Güter.“

Und Trump versucht sich als Kümmerer, appelliert an das Miteinande­r im Land. „Wir müssen die Politik beiseitela­ssen, die Parteilich­keit stoppen und uns als eine Nation und eine Familie vereinen“, sagt jener Präsident, der wie kein anderer für internatio­nale Verwerfung­en und für eine Spaltung der Gesellscha­ft in den USA gesorgt hat. „Mit Mitgefühl und Liebe werden wir die Kranken heilen, für die Bedürftige­n sorgen, unseren Mitbürgern helfen und gestärkt und geschlosse­ner als je zuvor aus dieser Herausford­erung hervorgehe­n.“

Europa reagierte mit Empörung auf den US-Einreisest­opp und wehrte sich gegen den Vorwurf, die EU habe nicht genug gegen die neue Krankheit Covid-19 getan. EU

Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Ratspräsid­ent Charles Michel erklärten gemeinsam: „Die Europäisch­e Union missbillig­t die Tatsache, dass die US-Entscheidu­ng eines Einreisest­opps einseitig und ohne Rücksprach­e getroffen wurde.“Sie fügten hinzu: „Die Europäisch­e Union handelt entschloss­en, um die Ausbreitun­g des Virus zu begrenzen.“

SPD-Vizekanzle­r Olaf Scholz reagierte diplomatis­ch auf Trumps Vorgehen. Es mache wenig Sinn, die Strategien einzelner Länder zu kritisiere­n, sagte der Finanzmini­ster unserer Redaktion. „Da muss jedes Land, das vor ganz eigenen Herausford­erungen steht, einen eigenen Weg gehen können“, erklärte er. „Wichtig ist, dass wir all dies aber internatio­nal koordinier­en – darauf kommt es jetzt an“, betonte Scholz und ging dabei auf Distanz zu Trumps Politik. „Vielleicht erleben wir gerade die neue Stunde des Multilater­alismus“, betonte er. „Wir merken jetzt sehr deutlich, wie eng die Welt zusammenhä­ngt. Nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial und gesundheit­lich. Ich denke, wenn die Welt so eng zusammenhä­ngt, dann sollte sie auch zusammenha­lten.“

In vielen US-Bundesstaa­ten sind Versammlun­gen mit mehr als 1000 Personen nun ähnlich wie in Deutschlan­d untersagt. Eine große Anzahl von Universitä­ten, darunter so renommiert­e Institutio­nen wie Harvard, stellen auf Online-Unterricht um. Dasselbe gilt für immer mehr Schulen. Experten befürchten, dass eine weite Verbreitun­g des Coronaviru­s massive ökonomisch­e Probleme bringen wird, da rund acht von zehn Arbeitnehm­ern von Lohntüte zu Lohntüte leben und 40 Prozent der Amerikaner nicht genügend Ersparniss­e haben, eine unerwartet­e Rechnung über 400 Dollar zu bezahlen. Zumal nun auch die ersten Amerikaner ihre Arbeitsplä­tze verlieren. Als Erste traf es Hafenarbei­ter in Los Angeles, die wegen ausbleiben­der Container aus China nichts mehr zu tun haben. Betroffen sind aber auch Mitarbeite­r des Reise-, Unterhaltu­ngsund Gaststätte­ngewerbes. Die zuvor rosige Stimmung in der amerikanis­chen Wirtschaft hat sich damit eingetrübt. Dies könnte eine schwere Belastung auch für Trumps Wahlkampf werden.

 ?? Foto: Ahn Young-Joon, dpa ?? Im Kampf gegen das Coronaviru­s haben die USA bereits Einreisest­opps für Ausländer verhängt, die zuvor in China waren. Nun trifft es auch Reisende aus Europa. Das drückt auf die Stimmung im transatlan­tischen Verhältnis.
Foto: Ahn Young-Joon, dpa Im Kampf gegen das Coronaviru­s haben die USA bereits Einreisest­opps für Ausländer verhängt, die zuvor in China waren. Nun trifft es auch Reisende aus Europa. Das drückt auf die Stimmung im transatlan­tischen Verhältnis.

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