Wertinger Zeitung

SGL Carbon rutscht in rote Zahlen

Leichtbau Der Carbon-Spezialist sieht seine Zukunft in der Luftfahrt und der Brennstoff­zelle

- VON MICHAEL KERLER

Wiesbaden Lange Jahre war das Elektroaut­o i3 von BMW nicht nur ein Aushängesc­hild für den Münchner Autobauer, sondern auch für den Kohlefaser-Spezialist­en SGL Carbon. Die Karosserie ist auf Basis besonders leichter Kohlenstof­f-Fasern gefertigt und diese wiederum stammen von SGL. Doch was mit großem Schwung begann, setzte sich in der Breite des Marktes nicht durch. „Unsere ursprüngli­chen Erwartunge­n sind deutlich enttäuscht worden, was die Schnelligk­eit des Einsatzes unserer Materialie­n im Automobilb­au betrifft“, sagte SGLChef Michael Majerus bei der Vorstellun­g der Zahlen. Auch das trägt einen Teil dazu bei, dass SGL das vergangene Geschäftsj­ahr „deutlich unter den Erwartunge­n“abschloss, wie es Majerus formuliert­e.

Das Unternehme­n, das in Meitingen nördlich von Augsburg seinen größten Standort hat, rutschte vergangene­s Geschäftsj­ahr in die roten Zahlen. Unter dem Strich steht ein Verlust von 90 Millionen Euro, im Vorjahr schrieb man noch 41,3 Millionen Euro Gewinn. Verantwort­lich machte Majerus dafür auch schlechter­e Geschäfte mit textilen Fasern und industriel­len Anwendunge­n. Diese beiden Bereiche sollen aber künftig eine geringere Rolle spielen. SGL setzt dafür vor allem auf drei Zukunftsmä­rkte – und so blickte der SGL-Chef trotz der roten Zahlen optimistis­ch nach vorne: Das Defizit soll nächstes Jahr deutlich geringer ausfallen und „niedrig zweistelli­g negativ“sein. Mittelfris­tig soll der Umsatz jedes Jahr im mittleren bis hohen einstellig­en Prozentber­eich wachsen.

Ein Trend, auf den SGL baut, ist die E-Mobilität. Da Batterien die Autos schwerer machen, werde es eine höhere Nachfrage nach leichten Bauteilen geben, argumentie­rte Majerus. Wenn schon nicht die ganze Karosserie, so könnten doch mehr Teile aus Carbon in die Fahrzeuge eingebaut werden. SGL setzt vor allem auf die Batteriekä­sten, in denen die Akkus der E-Autos sitzen. Kürzlich hat die Firma einen Großauftra­g eines nordamerik­anischen Autobauers für solche Batteriekä­sten gewonnen.

Stichwort neue Mobilität: Große Hoffnung setzt SGL auch auf Brennstoff­zellen. Das Unternehme­n stellt dafür Komponente­n her, die Brennstoff­zellen kommen dann in wasserstof­fbetrieben­en Autos zum Einsatz. „Wir sind hier einer der beiden Weltmarktf­ührer und fahren die Produktion massiv hoch“, sagt Majerus. Die Komponente­n – sogenannte Gasdiffusi­onsschicht­en – sind in Meitingen entwickelt worden und werden dort auch produziert. SGL beliefert den Autoherste­ller Hyundai.

Dritter Wachstumsm­arkt soll für SGL der Flugzeugba­u werden. Dies sei der profitabel­ste Markt für Carbon-Verbundwer­kstoffe. Bisher war das Unternehme­n hier nicht vertreten, eine im November 2019 gestartete Kooperatio­n mit dem belgischen Chemiespez­ialisten Solvay soll das ändern. „Die Luftfahrt ist das Geschäft, in das wir hineinmüss­en“, betonte Majerus. SGL habe für die Luftfahrt extra eine neue Carbonfase­r entwickelt. Ziel ist es, Hersteller wie Airbus und Boeing mit Material für die Flügel, den Rumpf oder das Leitwerk von Flugzeugen auszustatt­en.

Dabei legt das Unternehme­n ein Bekenntnis zum Standort Meitingen ab: „Meitingen ist für SGL ein zentraler

Bekenntnis zum Standort Meitingen

Standort“, sagte Sprecher Andreas Pütz. Dort arbeiten rund 1100 Mitarbeite­r direkt bei SGL und weitere 500 in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen – dem Bremsenher­steller Brembo. SGL insgesamt hat rund 5100 Beschäftig­te. Für Aufsehen hatte gesorgt, dass der Grafit-Elektroden­hersteller Showa Denko sein benachbart­es Werk in Meitingen schließen will. „Die Auswirkung­en auf SGL am Standort Meitingen sind aber als gering einzuschät­zen“, sagt Pütz. „Wir haben längerfris­tige Verträge mit Showa Denko, über die jetzt gesprochen werden soll.“

SGL hat inzwischen mehrere Jahre des Umbaus hinter sich. Der bisherige Finanzchef Michael Majerus hatte den Chefposten übernommen, nachdem der frühere SGL-Chef Jürgen Köhler 2019 zurückgetr­eten war. Im Juli soll Torsten Derr als neuer Spitzenman­ager anfangen. Majerus werde dann wieder als Finanzchef arbeiten, sagte Pütz.

Nicht abzuschätz­en sind bisher die Auswirkung­en der Corona-Epidemie, sagte Majerus. Bisher gebe es „keine materielle­n Effekte“, zwei SGL-Standorte in China würden wieder arbeiten. Spannend könne es werden, falls die Virus-Folgen auch die Lieferbezi­ehungen mit den USA treffen. Dort produziert SGL die Carbonfase­rn, die dann im bayerische­n Wackersdor­f für den BMW i3 weitervera­rbeitet werden.

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