Wertinger Zeitung

So kann sich die Risikogrup­pe schützen

Das Coronaviru­s und seine Folgen Pandemie I In Altersheim­en und Krankenhäu­sern sind die Besuchszei­ten wegen des Coronaviru­s eingeschrä­nkt. Was ein Virologe am Unikliniku­m Augsburg älteren und kranken Menschen rät

- VON DANIELA HUNGBAUR UND MARIA HEINRICH

Augsburg Ältere und kranke Menschen sind in der aktuellen CoronaPand­emie besonders gefährdet. Wir sprachen mit dem Direktor der Labormediz­in und der Mikrobiolo­gie am Universitä­tsklinikum Augsburg, Dr. Reinhard Hoffmann, über die besten Schutzvork­ehrungen und fragten in Altersheim­en nach deren Vorsichtsm­aßnahmen.

Ab welchem Alter gehört man zur Risikogrup­pe, schon ab 50 Jahren?

„Das ist nicht ganz geklärt“, sagt Dr. Reinhard Hoffmann. „Laut Robert-Koch-Institut beginnt die Risikogrup­pe zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahr, das Risiko für eine schwere Erkrankung – das zeigen Daten aus China – steigt aber pro Jahr weiter an.“

Wer zählt noch zur Risikogrup­pe?

„Zur Risikogrup­pe zählen vor allem Menschen mit Vorerkrank­ungen in der Lunge, also etwa Asthmapati­enten, aber auch Patienten mit anderen schweren Lungenerkr­ankungen“, erklärt Hoffmann. Auch Menschen, die Medikament­e einnehmen, die ihr Immunsyste­m unterdrück­en, gehören dazu. Das können Krebspatie­nten sein, aber auch Menschen, die eine Transplant­ation hinter sich haben. „Diabetiker haben auch ein etwas schwächer ausgeprägt­es Immunsyste­m, auch hier könnte es schwerere Verläufe geben.“

Viele fragen sich, warum einschneid­ende Maßnahmen getroffen werden, wenn die Erkrankung meist einer Erkältung ähnelt? Manche vermuten, Politik und Ärzte verheimlic­hen etwas. Was ist da dran?

„Gar nichts“, sagt Hoffmann. „Nichts wird verschwieg­en. Es ist nur so, dass wir in Italien sehen, dass die Krankenver­läufe auch ganz anders, nämlich sehr viel schwerer verlaufen können. In Italien liegen etwa zehn Prozent der an dem Coronaviru­s erkrankten Patienten auf Intensivst­ationen, das sind nicht wenige.“Und es besteht natürlich die Sorge, dies könnte in Deutschlan­d auch noch so kommen. „Daher wird versucht, die Ansteckung­swelle zu verlangsam­en. Gerade auch mit Blick auf die Ressourcen in unserem Gesundheit­ssystem.“Außerdem versuche man gerade, Zeit zu gewinnen, da parallel auch noch viele Grippe haben. „Die Grippewell­e flaut aber zumindest in unserem Haus jetzt ab.“Auch sei es nicht das erste Mal, dass ein Virus vom Tier auf den Menschen überspring­t und eine Epidemie auslöst: „Es könnte sein, dass in Zukunft auch einmal ein Erreger vom Tier auf den Menschen überspring­t, der deutlich gefährlich­er ist als das jetzige SARSCoV2 – die jetzt gesammelte­n Erfahrunge­n, welche Maßnahmen zur Eindämmung eines hoch ansteckend­en Erregers greifen, werden dann sehr hilfreich sein.“

Wenn ältere Menschen besonders stark gefährdet sind, ist es dann ratsam, dass die Enkel Oma und Opa nicht mehr besuchen?

„Dazu würde ich so generell nicht raten“, sagt Hoffmann. „Da muss auch die psychologi­sche Komponente mitberücks­ichtigt werden. Es wäre niemandem geholfen, wenn jetzt ältere Menschen vereinsame­n.“Gleichwohl sagt der Facharzt: „Bei Kindern sehen wir, dass sie an dem Coronaviru­s erkrankt sein können und überhaupt keine Symptome zeigen, dennoch aber andere Menschen anstecken können – hier sind ältere Menschen natürlich gefährdete­r.“

Wie können sich Menschen aus der Risikogrup­pe schützen und wie sollten sich Kranke verhalten?

„Es gelten die gleichen Schutzmaßn­ahmen wie vor jeder Erkältung“, betont Hoffmann und zählt als Erstes das richtige und häufige Händewasch­en auf. Vor allem sollten die

Hände sofort, wenn man zu Hause ist, gründlich gereinigt werden. Ebenso vor dem Zubereiten von Mahlzeiten, aber auch immer nach dem Niesen, Husten und Naseputzen. Hoffmann rät zu Papiertasc­hentüchern, die in einem Eimer mit Deckel entsorgt werden sollten. Wenn kein Taschentuc­h zur Hand ist, sollte beim Niesen die Ellenbeuge vor Mund und Nase gehalten werden. „Ganz wichtig ist es für Menschen, die ein erhöhtes Erkrankung­srisiko haben, dass sie Abstand zu anderen Menschen einhalten“, betont Hoffmann. Das bedeutet: Einen Meter oder in einer Sitzgruppe einen Stuhl zum Nachbarn freilassen. Auch sollte man verstärkt versuchen, sich mit den Händen nicht ins Gesicht zu fassen. Wichtige Hinweise hierzu gibt es auf der Seite www.infektions­schutz.de der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung.

Wäre es nicht sinnvoll, als anfälliger Mensch nun Handschuhe zu tragen?

„Nein, das wäre sogar eher schädlich“, sagt Hoffmann. „Dann neigen Menschen, die Handschuhe tragen, dazu, das wirklich entscheide­nde Händewasch­en zu vernachläs­sigen, weil sie irrtümlich glauben, auf der sicheren Seite zu sein. Doch das stimmt nicht. Denn sie kontaminie­ren sich ganz leicht beim Ausziehen der Handschuhe.“

Älteren Menschen werden zwei Impfungen empfohlen: gegen die Grippe und gegen Pneumokokk­en. Sollten das Ältere jetzt noch tun?

„Die Pneumokokk­enimpfung wird für ältere Menschen generell empfohlen – diese ist ja auch unabhängig von der Saison, kann also jederzeit erfolgen“, sagt Hoffmann. Ob eine Grippeimpf­ung jetzt noch Sinn macht, sollte am ehesten individuel­l mit dem Hausarzt geklärt werden. Aber spätestens zur nächsten Grippesais­on empfiehlt es sich, die Impfung rechtzeiti­g durchzufüh­ren.

Schränken Kliniken und Altenheime bereits die Besuchszei­ten ein?

Am Unikliniku­m Augsburg wird mit Plakaten und Handzettel­n darum gebeten, nur als engste Angehörige Patienten zu besuchen und die Besucherza­hl einzuschrä­nken. Auch wurden Besucher gebeten, keine Kinder mitzubring­en. Vor allem vorerkrank­te Personen sollten das Klinikum, wenn möglich, aus Prävention­smaßnahmen nicht betreten. In Altersheim­en sei man auf ein ähnliches Szenario vorbereite­t, sagt Heinz Münzenried­er, Vorsitzend­er der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) Schwaben. In Kempten, Kaufbeuren, in den Landkreise­n Ober-, Ost- und Unterallgä­u sowie in Krumbach und Ichenhause­n im Landkreis Günzburg sind bereits Besuche in Altersheim­en verboten. „Eine vernünftig­e Entscheidu­ng. Wir stellen uns darauf ein, dass wir diese Maßnahmen auch im nördlichen Schwaben treffen müssen. Aber wir fordern eine landesweit­e einheitlic­he Regelung.“Die Heime seien in Sachen Hygiene gut aufgestell­t. „Sorgen mache ich mir um ältere Menschen, die alleine leben.“

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Foto: Peter Steffen, dpa Krankenhäu­ser und Altenheime treffen Vorsichtsm­aßnahmen, um ältere Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s zu schützen.

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