Wertinger Zeitung

„17,50 Euro Beitrag sind ein echtes Schnäppche­n“

Interview Nico Hofmann ist einer der erfolgreic­hsten Film- und Fernsehmac­her Deutschlan­ds. Seine Produktion­en kennen Millionen: „Dresden“, „Charité“oder „Der Junge muss an die frische Luft“. Was er über die Zukunft des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks den

- Interview: Tilmann P. Gangloff

Herr Hofmann, Ihnen sollte an diesem Freitag der „Carl Laemmle Produzente­npreis“verliehen werden. Wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s ist die Preisverle­ihung allerdings abgesagt. Wie auch immer: Sie werden – mit 60 Jahren – für Ihr Lebenswerk geehrt. Ist das nicht etwas früh?

Nico Hofmann: Der Preis kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich betrachte ihn als Würdigung für meine Arbeit der letzten 20 Jahre, in denen ich mit meinem Team für 450 Produktion­en verantwort­lich war. Dieser Lebensabsc­hnitt endete mit meinem Eintritt in die Geschäftsf­ührung der UFA.

Sie waren mit Leib und Seele Produzent. Können Sie wirklich so einfach loslassen?

Hofmann: Es gibt einige ausgewählt­e Produktion­en, die ich weiterhin betreuen werde, darunter „Siegfried & Roy“unter der Regie von Michael Bully Herbig und „Die Porsche-Saga“, die Dorothee Schön für uns geschriebe­n hat. Aber davon abgesehen ist die Gesamtvera­ntwortung für die UFA derart mannigfalt­ig, dass in der Tat keine Zeit für neue Projekte bleibt. Außerdem sind die aktuellen Herausford­erungen gigantisch. Wir erleben derzeit den größten Umbruch in der deutschen Medienland­schaft seit Einführung der Privatsend­er vor gut 25 Jahren.

Ist das gut oder schlecht?

Hofmann: Ich empfinde das als große Chance, weil es nun natürlich wesentlich mehr Anbieter von Bewegtbild­ern und damit auch mehr Abnehmer für unsere Produktion­en gibt. Auf diese Weise ergeben sich für die gesamte Produktion­sbranche unfassbar viele Möglichkei­ten.

Welche Folgen wird dieser Umbruch für ARD und ZDF haben? Hofmann: Ich gebe das Spiel für ARD und ZDF noch lange nicht verloren, selbst wenn die Sendervera­ntwortlich­en einen echten Spagat hinbekomme­n müssen: Einerseits stehen sie unter großem wirtschaft­lichen Druck, anderersei­ts müssen sie programmli­ch auf der Höhe der Zeit sein. ARD und ZDF haben sich in den letzten Jahren massiv darum bemüht, inhaltlich eine gewisse Marktdomin­anz zu erringen, sie verzeichne­n in den Mediatheke­n eindrucksv­olle Abrufzahle­n. Und wenn man sich die Abo-Kosten für Sky oder Netflix anschaut, sind die 17,50 Euro Rundfunkbe­itrag für die Bandbreite des öffentlich-rechtliche­n Fernsehens mit seinen 18 Programmen und dem riesigen Hörfunkang­ebot ein echtes Schnäppche­n.

Kann es sein, dass Sie in dieser Frage nicht ganz unbefangen sind? Hofmann: Das muss ich tatsächlic­h einräumen. Ich bin ein klassische­s Ziehkind des öffentlich-rechtliche­n Fernsehens, ich habe meine gesamte Karriere dem ehemaligen Südwestfun­k zu verdanken. Die großen UFA-Erfolge der letzten 20 Jahre – „Dresden“, „Die Flucht“, „Nicht alle waren Mörder“, das Scientolog­y-Drama „Bis nichts mehr bleibt“, die Tellkamp-Verfilmung „Der Turm“, „Unsere Mütter, unsere Väter“, „Ku’damm 56/59“, die Serie „Charité“und viele mehr – die sind ausnahmslo­s für ARD und ZDF entstanden.

Wenn die Deutschen – wie 2018 die Schweizer – über ihren öffentlich­rechtliche­n Rundfunk abstimmen könnten: Wie würde das ausgehen? Hofmann: Ich bin überzeugt, dass die

Abstimmung wie in der Schweiz mit einem klaren Bekenntnis zum öffentlich-rechtliche­n Rundfunk ausfallen würde. Auf der anderen Seite kann ich aber auch die Position der Gegenseite nachvollzi­ehen. Die UFA ist schließlic­h Teil des Bertelsman­n-Konzerns, der mit der RTLGruppe auch privatwirt­schaftlich­es Fernsehen betreibt. Anders als öffentlich-rechtliche Sender mit ihrem Rundfunkbe­itrag können Privatsend­er nicht mehr Geld ausgeben, als sie durch Werbung einnehmen. Großes Verständni­s habe ich auch für die Verlage, die gegen die Ausweitung­en von ARD und ZDF in Richtung Printjourn­alismus protestier­en.

Wird sich diese Konkurrenz­lage zwischen ARD und ZDF auf der einen Seite und den Verlagen und dem Privatfern­sehen auf der anderen Seite in Zukunft noch verschärfe­n? Hofmann: Wir sollten in Deutschlan­d darüber nachdenken, wie wir zu einer viel stärkeren Kooperatio­n zwischen den verschiede­nen Gruppierun­gen kommen. Ich sehe die Konkurrenz­situation nicht zwischen privatem und öffentlich-rechtliche­m Fernsehen, sondern vielmehr zwischen der deutschen Rundfunkfa­milie und dem Rest der Welt. Die größten Bedrohunge­n gehen im Moment von den Amerikaner­n aus, weil US-Konzerne mit Macht auf den europäisch­en Markt vorstoßen. Zum Teil findet bereits ein echter Verdrängun­gswettbewe­rb zuungunste­n der einheimisc­hen Anbieter statt. Das gilt vor allem für Länder, in denen es – anders als bei uns in Deutschlan­d – keinen starken frei empfangbar­en Rundfunk gibt. In diesem Zusammenha­ng sehe ich auch die Aufgabe der kürzlich gestartete­n „Bertelsman­n Content Alliance“. Sie sieht eine Zusammenar­beit aller Inhalte-Geschäfte des Konzerns vor: RTL-Mediengrup­pe, RTL Radio, UFA, Verlagsgru­ppe Random House, Gruner + Jahr sowie das Musikunter­nehmen BMG. Das ist ausdrückli­ch keine Einrichtun­g, die sich gegen irgendwen richtet. Sie deckt sich vielmehr mit einer Vision, nach der ich schon immer gestrebt habe: Wie können wir ein europäisch­es Powerhouse werden?

Deutsches Fernsehen wurde vom Weltmarkt lange nicht ernst genommen. Hat sich das geändert?

Hofmann: Das hat sich massiv geändert, und ich bin stolz, dass zwei UFA-Produktion­en, beide außerdem mit dem Internatio­nal Emmy Award ausgezeich­net, großen Anteil an dieser neuen Wahrnehmun­g haben. „Unsere Mütter, unsere Väter“ist die meistverka­ufte deutsche Produktion überhaupt, „Deutschlan­d 83“war ebenfalls ein Bestseller. Die zweite Staffel, „Deutschlan­d 86“, war in England die meistgeseh­ene nicht englischsp­rachige Produktion auf Channel 4.

Sie sprühen nun schon seit Jahrzehnte­n vor Ideen und vor Unternehmu­ngslust. Woher nehmen Sie Ihre Motivation?

Hofmann: Ich fühle mich in der Tat noch jung und vital, aber 60 ist dann doch mehr als nur eine Zahl. Ich spüre vor allem die große Verantwort­ung des Postens an der Spitze der UFA. Wenn meine Zeit in sechs Jahren endet, werde ich garantiert kein Chef sein, der nicht loslassen kann. Was mich jung und dynamisch hält, ist die Arbeit mit meinen Studenten an der Filmakadem­ie in Ludwigsbur­g. Diese Lehrtätigk­eit möchte ich fortsetzen, solange ich kann.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Nico Hofmann hat ein goldenes Händchen für erfolgreic­he Film- und Fernsehpro­duktionen.
Foto: stock.adobe.com Nico Hofmann hat ein goldenes Händchen für erfolgreic­he Film- und Fernsehpro­duktionen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany