Wertinger Zeitung

Braucht’s das denn überhaupt noch?

Das christlich­e Wort Heute von Diakon Georg Steinmetz, Diözesanpr­äses und Betriebsse­elsorger

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Braucht’s das denn überhaupt noch? Mit dieser Frage laden wir von der Betriebsse­elsorge zusammen mit dem evangelisc­hen KDA und der Gewerkscha­ft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätte­n) zu einem Seminar ein. Wir fragen, braucht‘s das denn überhaupt noch? Brauchen wir noch Kirchen, Gewerkscha­ften?

Wie beantworte­n Sie für sich diese Frage? Ist Ihre Antwort ein klares Ja, ein klares Nein? Schwanken Sie? Welche Gründe bewegen Sie zu Ihrer Antwort?

Die Katholisch­e Arbeitnehm­erBewegung (KAB) hat gerade ihre Werbekampa­gne gestartet. Auch da die Frage: Braucht es sie noch, die KAB? Diese Frage stellt sich denen, die sich in der Werbekampa­gne engagieren, hinsichtli­ch der eigenen Motivation und im Blick darauf, was sie anderen an Gründen vermitteln wollen. Kirche, Gewerkscha­ft, KAB: Beispiele nur für Organisati­onen, die jede und jeder für sich ergänzen mag. Beim Nachdenken über meine persönlich­e Antwort auf diese Fragen ist mir eine kleine Geschichte eingefalle­n, die Fulbert Steffensky erzählt. Seine Mutter, so schildert er, hat ihm als Kind stets ein Kreuzzeich­en auf die Stirn gemacht. Es hat zum Morgen gehört „wie das Butterbrot“. Ein formelhaft­es, wenig bedachtes Ritual, das plötzlich Gewicht bekommt, als ein schwerer Abschied ansteht. Das Kreuzzeich­en auf die Stirn „war wie eine Wüstenpfla­nze, die tot schien und nun aufgewacht war, nachdem sie das Wasser der Trauer und der Sorge bekommen hatte. Dies aber war nur möglich, weil meine Mutter es lange geübt hatte“. Man kann es „nicht erst dann erfinden, wenn man es braucht, wie der Moment des Ertrinkens ungeeignet dazu ist, schwimmen zu lernen.“

Was heißt das für die Frage, braucht es denn die Kirche, die KAB, die Gewerkscha­ft noch? Vielleicht kommen sie uns auch oft vor wie Wüstenpfla­nzen, in denen kein Leben zu sein scheint. Und vielleicht erleben wir in Betriebskr­isen, in unserer Sehnsucht danach, wie gutes, gerechtes, solidarisc­hes Miteinande­r gelingen kann: Gut, dass meine Sorgen und meine Sehnsucht Räume und Menschen finden, und das deswegen, weil es die Gewerkscha­ft, weil es die KAB, weil es die Kirche gibt. KAB, Gewerkscha­ft, Kirche erst zu erfinden, wenn ich, wenn wir sie brauchen, geht nicht.

Ihr Georg Steinmetz

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Foto: KAB/Steinmetz Brauchen wir noch Kirchen und Gewerkscha­ften? Diese Frage stellt Diakon Georg Steinmetz im christlich­en Wort.
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Georg Steinmetz

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