Funktionieren die Corona-Nothilfen?
Hintergrund Der Bund und das Land bieten Programme an, um großen und kleinen Unternehmen in der Krise beizustehen. Aber ganz so einfach fließen die Gelder offensichtlich nicht. Das zeigt die Praxis
München Im Best Hotel Zeller in Königsbrunn sperrt Familienunternehmerin Gabi Dreisbach derzeit etagenweise zu. Der Strom wird abgestellt, die Aufzüge abgeschaltet, der Wellnessbereich hat aus Hygienegründen geschlossen. Nur noch elf Gäste waren am Mittwoch zu Gast, dabei hätte sie 71 Zimmer. Noch zwei weitere Hotels gehören zum Familienunternehmen. Dort sieht es angesichts der Corona-Epidemie ähnlich aus. Es herrscht Krisenstimmung in der Wirtschaft. Um die Folgen aufzufangen, hat der Staat Notprogramme erlassen. Aber kommt die Hilfe auch an?
Gabi Dreisbach beschäftigt 73 Mitarbeiter, für sie hat sie diese Woche Kurzarbeitergeld beantragt, für das die Bundesarbeitsagentur zuständig ist. Das Interesse der Hoteliers daran ist enorm. Zusammen mit dem Branchenverband Dehoga und der regionalen Arbeitsagentur hat Gabi Dreisbach diese Woche eine Videokonferenz für Kollegen eingerichtet, um Fragen zur Kurzarbeit zu klären. Ganze 68 Gastronomen und Hoteliers nahmen teil.
Der Ansturm auf die Arbeitsagenturen ist groß, telefonisch durchzukommen schwer. Zudem müssen Unternehmer auch bei Kurzarbeit die Löhne vorstrecken, 15 Tage später bekommen sie das Kurzarbeitergeld zurückerstattet. Aber es gibt noch andere Hilfen, erklärt Thomas Schörg von der IHK Schwaben.
Unternehmen können, je nach
Größe, zwischen 5000 Euro und 30 000 Euro Soforthilfe des Freistaates beantragen. „Dieses Geld soll ab Freitag fließen“, sagt Schörg. Die Nachfrage sei enorm, in der Telefonberatung der IHK sei „die Hölle los“. Wie schnell das Geld fließt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, da es erst seit dieser Woche die Anträge gibt.
Die Nothilfe müsse aber schnell kommen, fordert Hotel-Betreiberin Gabi Dreisbach. „Es darf nicht Wochen dauern“, sagt sie. Ausreichen wird es in vielen Fällen auch nicht: Die Hoteliers müssten Mitarbeiter, aber auch Mieten und Pachten bezahlen, sagt Dreisbach. Ein Hotelier spricht im Hintergrund von monatlichen Fixkosten in Höhe von 185000 Euro. Bis zu 30000 Euro Nothilfe sind dann schnell weg.
Es gibt zwar noch weitere Programme: Über die Hausbanken können Unternehmen Kredite beantragen, für die die KfW-Förderbank des Bundes und die LfA-Bank des Freistaats weitgehende Garantien übernehmen. Gabi Dreisbach sieht Kredite aber kritisch: „Die meisten Hoteliers haben nicht die Möglichkeit, zusätzliche Darlehen aus dem Umsatz zu bedienen“, sagt sie. „Wir bräuchten eine Perspektive für eine Wiedergutmachung“, fordert sie, also Entschädigungen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Große Probleme hat auch der Einzelhandel.
Christina Lechner betreibt seit 26 Jahren das Wäsche- und DessousGeschäft „Hautnah“in Donauwörth und beschäftigt eine Mitarbeiterin.
„14 Tage können wir überstehen“, sagt die Inhaberin. „Danach wird es eng.“Ihre Fixkosten von rund 3500 Euro im Monat bleiben, gerade habe ein Lieferant zudem 3000 Euro für neue Ware abgebucht. Ihre Einnahmen: derzeit Null. „Um die Rechnungen zu begleichen, habe ich schon mein privates Polster angezapft“, berichtet Lechner. Die Liquiditätsdecke vieler kleiner Unternehmen ist dünn.
Die Bundesregierung hat anscheinend die Nöte der kleinen Firmen erkannt: Sie plant seit Donnerstag ein Hilfspaket von bis zu 50 Milliarden Euro für Solo-Selbstständige und Kleinstfirmen.
Richtig schwer trifft es derzeit Unternehmen, die von Veranstaltungen leben. Tobias Kub ist Chef von „Waitersclub“in Oberhaching. Normalweise sollte er jetzt Chauffeure oder Servicepersonal für Messen oder Konferenzen vermitteln. „Aber die Eventbranche ist tot“, sagt er. 420 Servicekräfte sind bei ihm gemeldet. Für 80 Prozent seiner 21 Vollzeitmitarbeiter im Büro hat er diese Woche Kurzarbeit beantragt. Auch um 30 000 Euro Nothilfe des Freistaats bemüht er sich. Die Summe würde ihm aber nur kurze Zeit helfen: „30 000 Euro decken ein Sechstel unserer Fixkosten“, sagt Kub. In der jetzigen Lage könne er eineinhalb Monate durchhalten, „dann geht uns die Puste aus“.
Denn die vom Bund und Land vorgestellte Möglichkeit für KfW- oder LfA-Kredite und Bürgschaften seien nicht so leicht zu bekommen.
„Wir waren am Dienstagnachmittag bei unserer Hausbank, aber diese stellt sich quer, obwohl ihr die Förderbanken 80 Prozent des Risikos abnehmen würden“, schildert Kub die Situation. Die Hilfe sei alles andere als unbürokratisch. Was müsste passieren? „Wir bräuchten Liquiditätszuschüsse, die ausreichen, oder Kredite, ohne dass Hausbanken dazwischenstehen“, meint der Gründer.
Dass die Vermittlung der Kredite über die Hausbanken schwierig ist, sagt auch der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit 20 Mitarbeitern in Schwaben. Er will namentlich nicht genannt werden, da Kreditverhandlungen laufen. Die Firma ist im Werkzeugbau tätig und wünscht sich 100000 Euro Kredit. Auch hier berichtet der Geschäftsführer, dass die Hausbank keinen Kredit gewähren will, obwohl die Förderbanken 80 Prozent des Risikos übernehmen, und er Aufträge vorweisen könne und Zahlungen erwarte. „Die Bank will weitere Sicherheiten zu 100 Prozent – Aktien, Immobilien, privates Vermögen“, sagt der Mann. Das sei in kurzer Zeit nicht zu leisten. Für ihn sind die Not-Kreditprogramme „ein Rohrkrepierer“: „Wenn die Anträge weiter über die Hausbanken laufen müssen, rast eine Insolvenzwelle auf uns zu“, vermutet der Manager. Er selbst stehe kurz vor diesem Schritt.
Unternehmensberaterin Gertrud Hansel von der Schule für Unternehmer aus Friedberg-Derching will dagegen Mut machen: „Die Formulare für die Soforthilfe des Freistaats sind in drei Minuten ausgefüllt, für das Kurzarbeitergeld ist das Verfahren sehr verkürzt worden“, sagt sie. Was Kredite betrifft, rät Hansel, sich in die Lage von Sparkassen und Genossenschaftsbanken hineinzuversetzen: „Auch die Hausbanken brauchen Unterlagen und aussagefähiges Zahlenmaterial.“Bereits jetzt sollten betroffene Unternehmer mit der Hausbank einen Termin vereinbaren, nicht erst, wenn das Geld ausgeht. Ihr Tipp: Sinnvoll sei es, sich um einen Bereitstellungskredit zu bemühen: „Dafür zahlt man einen gewissen Zinssatz und hat das Geld sicher zur Verfügung, falls man es im Notfall braucht“, erklärt Hansel.
Die schwere Zeit zu überstehen ist das eine. Was aber kommt danach? Händler wie Christina Lechner von „Hautnah“in Donauwörth hoffen, dass ihnen die Kunden die Treue halten.
An ihre Ladentür hat sie genauso wie ihre Kollegin Christine Moll vom Modegeschäft „CMoll“ein Schild geheftet: „Liebe Kundinnen, eine Bitte: Kauft nicht online all die schönen Dinge ein – nur wenn wir zusammenstehen, können wir die Krise überstehen.“
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Infos und Formulare über Hilfen für Unternehmer hat die Industrie- und Handelskammer unter www.schwaben.ihk.de gebündelt.
Rast da auf uns eine Insolvenzwelle zu?