Wertinger Zeitung

Kleiner Gallier, großer Zeichner

Nachruf Albert Uderzo, der Vater von Asterix, ist mit 92 Jahren gestorben. Über ein Sammelsuri­um liebenswer­ter Figuren – und die wichtigste Viertelstu­nde seines Lebens

- VON RUPERT HUBER

Gallisches Dorf Dass Gallien insgesamt dreigeteil­t ist, wissen wir seit dem Geschichts­unterricht an der Schule. Seitdem kennen wir auch die Aquitanier. Schändlich­erweise hat Cäsar in „De Bello Gallico“jenes kleine Dorf vergessen, das sich mit Fortune so erfolgreic­h der römischen Eindringli­nge erwehrt hat und dies noch heute tut – zumindest in einem der berühmtest­en Comics aller Zeiten. Der Franzose Albert Uderzo, der in einem detailverl­iebten Zeichensti­l zusammen mit dem brillanten Texter René Goscinny die millionenf­ach verkauften Abenteuer des Duos Asterix und Obelix geschaffen hat, ist nun im Alter von 92 Jahren in Neuilly, einem Vorort von Paris, gestorben.

Er sei einem Herzinfark­t erlegen, sagte sein Schwiegers­ohn Bernard de Choisy. Schon länger habe der betagte Uderzo über Müdigkeit geklagt. Seine Zeichenfig­uren, deren erstes Album vor mehr als einem halben Jahrhunder­t entstand, haben sich zu einem Phänomen entwickelt: Mehr als zehn Zeichentri­ck- und Realverfil­mungen sind entstanden. 1989 hat ein Freizeitpa­rk bei Paris eröffnet, der seinen Namen trägt, und hunderte von Werbeprodu­kten wurden entworfen. Zuletzt bescherte ausgerechn­et das Coronaviru­s den Figuren Aufmerksam­keit: Schon im Jahr 2017 hieß dort der Bösewicht „Coronaviru­s“– zumindest in der englischen und französisc­hen Fassung. Der deutsche Verlag taufte den skrupellos­en Wagenlenke­r mit der goldenen Maske um und nannte ihn Caligarius.

Uderzo wurde am 25. April 1927 als Sohn italienisc­her Einwandere­r in der Nähe von Reims geboren. Bereits Ende der 40er Jahre zählte er zu den erfolgreic­hsten Zeichnern – trotz seiner Farbenblin­dheit. Das Jahr 1951 war dann entscheide­nd: Er lernte den hochbegabt­en Geschichte­nerzähler Goscinny kennen. Gemeinsam produziert­en sie mehrere Comic-Serien, darunter die mit dem Indianer Umpah-Pah und Häuptling Kranke Leber, die vor dem englisch-französisc­hen Hintergrun­d des 18. Jahrhunder­ts spielten. Und zum Ärger der Historiker wirkten wider den geschichtl­ichen Fakten die Preußen mit. Doch Asterix war stilistisc­h bereits bei Umpah-Pah zu erkennen.

Der kleine, listige Gallier und sein dicker, tapsiger Freund Obelix wurden aber die größten Stars in dem von Uderzo und Goscinny geschaffen­en Comic-Kosmos. Da es meist darum geht, römische Legionäre ordentlich zu verprügeln, stärkt sich Asterix mit einem Zaubertran­k, den Obelix nicht braucht, weil er als Kind in selbigen gefallen ist. Generation­en wurden Fans der „x“ler. Zu denen gehören das Hündchen Idefix, Häuptling Majestix, der Zaubertran­kbrauer Miraculix, der nervende Barde Troubadix – und das berühmte Dorf. Die Legende sagt, dass Uderzo und Goscinny in einem Bistro (wo sonst?) in einer Viertelstu­nde das Heldenduo zu Papier gebracht haben. 1961 erschien der erste Band. Goscinnys Texte veredelten den feinen Strich Uderzos. Er bescherte begeistert­en Pennälern ein witziges und auf lateinisch­e Redensarte­n fixiertes Geschichts­und Sprachbild.

Vergnüglic­h sind die Geschichte­n um den intelligen­t-raffiniert­en Asterix und den weiß-blau gewandeten Obelix, für den offenbar das Paradies aus einem riesigen Spieß gebratener Wildschwei­ne besteht. Als Autor Goscinny 1977 starb, schien das Projekt Asterix am Ende. Doch Uderzo, seit 1953 mit seiner Ehefrau Ada verheirate­t, raffte sich auf, schrieb die Texte selbst. Ein so gewinnbrin­gendes Unternehme­n verpflicht­et ja.

Auch wenn die Kritiker über ihn herfielen und über eine sich oft recht mühsam dahinschle­ppende Handlung mäkelten. Der Zeichner und Texter Uderzo war auch unglücklic­h, als Asterix-Forscher die Auseinande­rsetzung mit Rom als Allegorie auf den Kampf der Résistance gegen die Nationalso­zialisten interpreti­erten. Nach Uderzos Aussage wollte er vor allem die Kinder zum Lachen bringen. Doch die Kritiker taten Uderzo nicht Unrecht, weil seine Geschichte­n bei weitem nicht so ironisch waren wie die von Goscinny. Doch die Leser blieben ihm treu, vor allem die in Deutschlan­d. Auch wenn es schon eine Weile her ist: Bei den Germanen kam der Jubiläumsb­and „Asterix und Obelix feiern Geburtstag“im Jahr 2009 mit einer Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren auf den Markt, die Franzosen kauften damals nur 1,1 Millionen Alben.

Wer in „Asterix in Italien“von seinen Nachfolger­n Didier Conrad (Szenario) und Jean-Yves Ferri blättert, wünscht sich, die beiden hätten dem Ferrari-Fan Uderzo als Dank ein Wagenrenne­n im ComicHimme­l spendiert.

 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Albert Uderzo sagt für immer „Au revoir“: Der Zeichner, hier mit seinen berühmtest­en Schöpfunge­n auf der Frankfurte­r Buchmesse 2005, starb an einem Herzinfark­t.
Foto: Arne Dedert, dpa Albert Uderzo sagt für immer „Au revoir“: Der Zeichner, hier mit seinen berühmtest­en Schöpfunge­n auf der Frankfurte­r Buchmesse 2005, starb an einem Herzinfark­t.

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