Protest gegen geplante Quad-Touren
Freizeit Eigentlich hätten zwei Buttenwiesener am Sonntag ihr Gewerbe mit einem Treffen in Hirschbach eröffnen wollen. Jetzt wird verschoben. Das liegt nicht nur an Corona. Jäger und Waldbesitzer leisten seit Wochen heftigen Widerstand
Hirschbach/Buttenwiesen Ganz zufällig war ein Jäger vor rund sechs Wochen auf die Homepage im Internet gestoßen. Quad-Touren durch Wald und Wiesen mit Start im Wertinger Stadtteil Hirschbach, wurden darauf angepriesen. Bilder vermitteln einen ersten Eindruck, um was es dabei gehen soll: spaßige Touren durch grüne Wälder, entlang von Feldern und Wiesen, und das alles quasi mit „Motorrädern auf vier Rädern“. Schnell verbreitet sich das geplante Vorhaben unter Jägern und Waldbesitzern und erweckt bei allen sofort massiven Widerstand. Das kann Ralph Schindler nur ansatzweise verstehen. „Wir fahren nur auf öffentlichen Wegen“, sagt der 36-jährige Buttenwiesener, der gemeinsam mit Tobias Gumpp (41) das Gewerbe in seinem Wohnort Buttenwiesen angemeldet hat.
„Erlebe die Emotionen...“, preisen die beiden Männer auf ihrer Homepage die Touren an: „Lass die Sorgen Deines Alltags hinter Dir und erlebe puren Fahrspaß mit dem Quad und die Natur!“Bereitwillig erklärt Ralph Schindler auf Anfrage unserer Zeitung, wie die angepriesenen Touren konkret aussehen sollen und für wen sie gedacht sind. „Die meisten sind noch nie Quad gefahren, ich fahre voraus und die anderen fünf bis maximal sieben hinterher.“Schindler selbst fährt seit über zehn Jahren Quad. „Einen Motorradführerschein zu machen habe ich mich nicht getraut“, erzählt er. Als es vorübergehend mal die Möglichkeit in Wertingen gab, ein Quad zu leihen, machte er sich damit eine Stunde lang auf den Weg und kaufte sich anschließend sein erstes eigenes. Was den Reiz daran ausmacht? Der 36-Jährige beschreibt es als „Freiheitsgefühl – wie Motorradfahren auf vier Rädern“. Am Anfang sei es allerdings „knackiger“, damit zu fahren: „Man hat viel mehr Bodenkontakt als mit dem Motorrad, kann nicht über Gewichtsverlagerung ausgleichen, sondern macht viel übers Lenken.“Daher könne er Anfänger keineswegs mit 80 Stundenkilometern über die Straßen fahren lassen. „Außerdem wollen wir keine Wettrennen und kein Crossfahren anbieten, sondern gemütliche Touren.“
Sprich, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu behindern und aufzuhalten, bevorzugt Schindler klar Wege abseits der befahrenen Straßen. „Mit Anfängern bin ich anfangs gerade mal mit 20 bis 25 Stundenkilometern unterwegs“, erklärt er. Die Alternative sind geschotterte Wege entlang von Wäldern, Wiesen und Feldern.
„Geht gar nicht.“Christoph Kunads Reaktion ist klar und direkt. „Für uns gibt es hier keinen Kompromiss“, macht der 52-jährige Laugnaer deutlich. Er ist seit 35 Jahren Jäger und als Jagdpächter ebenfalls betroffen. „Es formiert sich massiver Widerstand“, informiert er. Gemeinsam mit dem Hirschbacher Revierpächter Klaus Stüwe fungiert er als Sprachrohr der aufgebrachten Jäger und Waldbesitzer. Spontan hatten sich vor kurzem mehr als 20 von ihnen getroffen, um ihre Meinungen zu dem Thema auszutauschen. Übereinstimmend beschlossen sie letztendlich, ihre Argumente gegenüber den betroffenen Bürgermeistern nochmals darzulegen. Darin fragen sie beispielsweise an, inwieweit die Wegesituation geklärt sei, auf welchen Wegen und wie die Routen konkret verlaufen. Daraus, so Stüwe, ergebe sich eine Reihe weiterer Fragen, beispielsweise wie sich die Routen mit der Natur und dem Tierschutz vertragen. „Von März bis Oktober bekommen praktisch alle Tiere Nachwuchs.“Dabei denkt der 53-jährige Hirschbacher Jäger nicht nur an Vögel und Rehe. Für Jäger gehe es nicht in erster Linie darum, Tiere zu erschießen, sondern hauptsächlich um die Hege des Wildbestandes. „Wir haben die gesetzliche Verpflichtung, einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten“, erklärt Stüwe.
In dem Brief konfrontieren die Protestierenden die Bürgermeister mit vielerlei Fragen. Damit wollen sie klarstellen, ob allen die Konsequenzen der Quad-Touren in unserer Heimat bewusst sind.
Das wichtigste Argument bei dem Protest gegen die geplanten QuadTouren sei klar der Umwelt-, Naturund Tierschutz. Dazu kämen laut Stüwe zwei weitere Aspekte: die vermutlich unvermeidlichen Schäden an den geschotterten Wegen und die Frage der Verkehrssicherheit: „Wenn beispielsweise im Sommer der Mais zweieinhalb Meter hoch wächst und unerfahrene Fahrer gemeinsam mit Traktoren unterwegs sind.“
Vielleicht, so Stüwe, habe der massive Protest auch etwas mit der Erinnerung an den schweren Unfall eines Quadfahrers in der Gegend zu tun. Ein Mann aus Potsdam hatte 2015 auf einer organisierten Quadtour in Langenreichen die Beherrschung über sein Fahrzeug verloren und war gegen einen Baum geprallt. Nach dem tödlichen Unfall hatten die organisierten Quadtouren, die ebenfalls von Hirschbach ausgingen, damals aufgehört.
Dass das Fahren vor allem am Anfang Gefahren mit sich bringt, darüber ist sich Ralph Schindler im Klaren. Gerade deswegen würden er und sein Geschäftspartner gerne zunächst auf unbefestigten Wegen abseits des üblichen Verkehrs un
sein. „Wir haben eine Zusammenarbeit vorgeschlagen, dass wir gemeinsam eine Trasse ausarbeiten“, erzählt Schindler. „Doch davon wollten die Jäger nichts wissen.“Jetzt hätten sie selbst eine Trasse zusammengestellt, mit der sie niemanden belästigen, weitgehend weg von Wäldern, auf kleinen asphaltierten Ortsverbindungsstraßen und Feldwegen, die öffentlich zugänglich sind.
Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier hatte sich in den vergangenen Wochen selbst intensiv mit der Sachlage auseinandergesetzt, nachdem Vertreter der Jäger, des ökonomischen Ausschusses und der Jagdgenossenschaft Ende Februar auf ihn zugekommen waren. In Gesprächen hatte sowohl Lehmeier als auch sein Amtskollege Hans Kaltner in Buttenwiesen jeweils mit den Anbietern der Quad-Touren und der Gegenseite versucht, die Fronten zu klären. „Es gab dabei keine konkreten Pläne, wo gefahren werden sollte bei den Touren“, sagt
Lehmeier auf Anfrage unserer Zeitung. Nach Rücksprachen mit dem Landrats- und Ordnungsamt sei ihm klar geworden: „Wenn die Ausfahrten in der Größenordnung verlaufen, wie sie beworben werden, handelt es sich um eine gewerbemäßige Nutzung von Wegen, für die eine Sondernutzung bewilligt werden muss.“
Auch Jäger, Flur- und Waldbesitzer hatten mittlerweile weiterrecherchiert und herausgefunden, dass auf der Homepage des Erlebnisund Abenteueranbieters „Jochen Schweizer“die Touren bereits deutschlandweit angeboten werden.
Zunächst dürfen die beiden Buttenwiesener Unternehmer die heimischen Feld- und Waldwege für ihre Touren aber nicht benutzen, das machen beide Bürgermeister deutlich. Zunächst müssten sie laut Lehmeier einen Antrag auf Sondernutzung einreichen, der dann über das Landratsamt – ähnlich wie bei einer Bauleitplanung – allen Träterwegs gern öffentlicher Belange vorgelegt werde. Der Antrag ist Ende vergangener Woche in der Buttenwiesener Ratsstube eingegangen. Bürgermeister Kaltner leitete ihn sowohl an das Landratsamt als auch an seine betroffenen Amtskollegen weiter. Tangiert sind neben Wertingens Fluren auch welche in Allmannshofen und Ehingen. Nach der Prüfung der Behörden werden der Wertinger Stadt- und die betroffenen Gemeinderat endgültig über eine mögliche Sondernutzung der Wege entscheiden. „Gut, dass jetzt viele darüber reden und sich zusammensetzen“, findet der Wertinger Bürgermeister: „Ich bin keiner, der alles verhindern will, doch hier sind noch viele Fragen offen.“
„Aus aktuellem Anlass“, heißt es auf der Homepage der Hirschbacher GS-Quadtouren GbR, „verlegen wir unsere lang geplante Eröffnung auf eine unbestimmte Zeit.“Das hat, wie es aussieht, nicht nur mit dem Hinweis auf den CoronaVirus zu tun.