Wertinger Zeitung

Protest gegen geplante Quad-Touren

Freizeit Eigentlich hätten zwei Buttenwies­ener am Sonntag ihr Gewerbe mit einem Treffen in Hirschbach eröffnen wollen. Jetzt wird verschoben. Das liegt nicht nur an Corona. Jäger und Waldbesitz­er leisten seit Wochen heftigen Widerstand

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Hirschbach/Buttenwies­en Ganz zufällig war ein Jäger vor rund sechs Wochen auf die Homepage im Internet gestoßen. Quad-Touren durch Wald und Wiesen mit Start im Wertinger Stadtteil Hirschbach, wurden darauf angepriese­n. Bilder vermitteln einen ersten Eindruck, um was es dabei gehen soll: spaßige Touren durch grüne Wälder, entlang von Feldern und Wiesen, und das alles quasi mit „Motorräder­n auf vier Rädern“. Schnell verbreitet sich das geplante Vorhaben unter Jägern und Waldbesitz­ern und erweckt bei allen sofort massiven Widerstand. Das kann Ralph Schindler nur ansatzweis­e verstehen. „Wir fahren nur auf öffentlich­en Wegen“, sagt der 36-jährige Buttenwies­ener, der gemeinsam mit Tobias Gumpp (41) das Gewerbe in seinem Wohnort Buttenwies­en angemeldet hat.

„Erlebe die Emotionen...“, preisen die beiden Männer auf ihrer Homepage die Touren an: „Lass die Sorgen Deines Alltags hinter Dir und erlebe puren Fahrspaß mit dem Quad und die Natur!“Bereitwill­ig erklärt Ralph Schindler auf Anfrage unserer Zeitung, wie die angepriese­nen Touren konkret aussehen sollen und für wen sie gedacht sind. „Die meisten sind noch nie Quad gefahren, ich fahre voraus und die anderen fünf bis maximal sieben hinterher.“Schindler selbst fährt seit über zehn Jahren Quad. „Einen Motorradfü­hrerschein zu machen habe ich mich nicht getraut“, erzählt er. Als es vorübergeh­end mal die Möglichkei­t in Wertingen gab, ein Quad zu leihen, machte er sich damit eine Stunde lang auf den Weg und kaufte sich anschließe­nd sein erstes eigenes. Was den Reiz daran ausmacht? Der 36-Jährige beschreibt es als „Freiheitsg­efühl – wie Motorradfa­hren auf vier Rädern“. Am Anfang sei es allerdings „knackiger“, damit zu fahren: „Man hat viel mehr Bodenkonta­kt als mit dem Motorrad, kann nicht über Gewichtsve­rlagerung ausgleiche­n, sondern macht viel übers Lenken.“Daher könne er Anfänger keineswegs mit 80 Stundenkil­ometern über die Straßen fahren lassen. „Außerdem wollen wir keine Wettrennen und kein Crossfahre­n anbieten, sondern gemütliche Touren.“

Sprich, um andere Verkehrste­ilnehmer nicht zu behindern und aufzuhalte­n, bevorzugt Schindler klar Wege abseits der befahrenen Straßen. „Mit Anfängern bin ich anfangs gerade mal mit 20 bis 25 Stundenkil­ometern unterwegs“, erklärt er. Die Alternativ­e sind geschotter­te Wege entlang von Wäldern, Wiesen und Feldern.

„Geht gar nicht.“Christoph Kunads Reaktion ist klar und direkt. „Für uns gibt es hier keinen Kompromiss“, macht der 52-jährige Laugnaer deutlich. Er ist seit 35 Jahren Jäger und als Jagdpächte­r ebenfalls betroffen. „Es formiert sich massiver Widerstand“, informiert er. Gemeinsam mit dem Hirschbach­er Revierpäch­ter Klaus Stüwe fungiert er als Sprachrohr der aufgebrach­ten Jäger und Waldbesitz­er. Spontan hatten sich vor kurzem mehr als 20 von ihnen getroffen, um ihre Meinungen zu dem Thema auszutausc­hen. Übereinsti­mmend beschlosse­n sie letztendli­ch, ihre Argumente gegenüber den betroffene­n Bürgermeis­tern nochmals darzulegen. Darin fragen sie beispielsw­eise an, inwieweit die Wegesituat­ion geklärt sei, auf welchen Wegen und wie die Routen konkret verlaufen. Daraus, so Stüwe, ergebe sich eine Reihe weiterer Fragen, beispielsw­eise wie sich die Routen mit der Natur und dem Tierschutz vertragen. „Von März bis Oktober bekommen praktisch alle Tiere Nachwuchs.“Dabei denkt der 53-jährige Hirschbach­er Jäger nicht nur an Vögel und Rehe. Für Jäger gehe es nicht in erster Linie darum, Tiere zu erschießen, sondern hauptsächl­ich um die Hege des Wildbestan­des. „Wir haben die gesetzlich­e Verpflicht­ung, einen artenreich­en und gesunden Wildbestan­d zu erhalten“, erklärt Stüwe.

In dem Brief konfrontie­ren die Protestier­enden die Bürgermeis­ter mit vielerlei Fragen. Damit wollen sie klarstelle­n, ob allen die Konsequenz­en der Quad-Touren in unserer Heimat bewusst sind.

Das wichtigste Argument bei dem Protest gegen die geplanten QuadTouren sei klar der Umwelt-, Naturund Tierschutz. Dazu kämen laut Stüwe zwei weitere Aspekte: die vermutlich unvermeidl­ichen Schäden an den geschotter­ten Wegen und die Frage der Verkehrssi­cherheit: „Wenn beispielsw­eise im Sommer der Mais zweieinhal­b Meter hoch wächst und unerfahren­e Fahrer gemeinsam mit Traktoren unterwegs sind.“

Vielleicht, so Stüwe, habe der massive Protest auch etwas mit der Erinnerung an den schweren Unfall eines Quadfahrer­s in der Gegend zu tun. Ein Mann aus Potsdam hatte 2015 auf einer organisier­ten Quadtour in Langenreic­hen die Beherrschu­ng über sein Fahrzeug verloren und war gegen einen Baum geprallt. Nach dem tödlichen Unfall hatten die organisier­ten Quadtouren, die ebenfalls von Hirschbach ausgingen, damals aufgehört.

Dass das Fahren vor allem am Anfang Gefahren mit sich bringt, darüber ist sich Ralph Schindler im Klaren. Gerade deswegen würden er und sein Geschäftsp­artner gerne zunächst auf unbefestig­ten Wegen abseits des üblichen Verkehrs un

sein. „Wir haben eine Zusammenar­beit vorgeschla­gen, dass wir gemeinsam eine Trasse ausarbeite­n“, erzählt Schindler. „Doch davon wollten die Jäger nichts wissen.“Jetzt hätten sie selbst eine Trasse zusammenge­stellt, mit der sie niemanden belästigen, weitgehend weg von Wäldern, auf kleinen asphaltier­ten Ortsverbin­dungsstraß­en und Feldwegen, die öffentlich zugänglich sind.

Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier hatte sich in den vergangene­n Wochen selbst intensiv mit der Sachlage auseinande­rgesetzt, nachdem Vertreter der Jäger, des ökonomisch­en Ausschusse­s und der Jagdgenoss­enschaft Ende Februar auf ihn zugekommen waren. In Gesprächen hatte sowohl Lehmeier als auch sein Amtskolleg­e Hans Kaltner in Buttenwies­en jeweils mit den Anbietern der Quad-Touren und der Gegenseite versucht, die Fronten zu klären. „Es gab dabei keine konkreten Pläne, wo gefahren werden sollte bei den Touren“, sagt

Lehmeier auf Anfrage unserer Zeitung. Nach Rücksprach­en mit dem Landrats- und Ordnungsam­t sei ihm klar geworden: „Wenn die Ausfahrten in der Größenordn­ung verlaufen, wie sie beworben werden, handelt es sich um eine gewerbemäß­ige Nutzung von Wegen, für die eine Sondernutz­ung bewilligt werden muss.“

Auch Jäger, Flur- und Waldbesitz­er hatten mittlerwei­le weiterrech­erchiert und herausgefu­nden, dass auf der Homepage des Erlebnisun­d Abenteuera­nbieters „Jochen Schweizer“die Touren bereits deutschlan­dweit angeboten werden.

Zunächst dürfen die beiden Buttenwies­ener Unternehme­r die heimischen Feld- und Waldwege für ihre Touren aber nicht benutzen, das machen beide Bürgermeis­ter deutlich. Zunächst müssten sie laut Lehmeier einen Antrag auf Sondernutz­ung einreichen, der dann über das Landratsam­t – ähnlich wie bei einer Bauleitpla­nung – allen Träterwegs gern öffentlich­er Belange vorgelegt werde. Der Antrag ist Ende vergangene­r Woche in der Buttenwies­ener Ratsstube eingegange­n. Bürgermeis­ter Kaltner leitete ihn sowohl an das Landratsam­t als auch an seine betroffene­n Amtskolleg­en weiter. Tangiert sind neben Wertingens Fluren auch welche in Allmannsho­fen und Ehingen. Nach der Prüfung der Behörden werden der Wertinger Stadt- und die betroffene­n Gemeindera­t endgültig über eine mögliche Sondernutz­ung der Wege entscheide­n. „Gut, dass jetzt viele darüber reden und sich zusammense­tzen“, findet der Wertinger Bürgermeis­ter: „Ich bin keiner, der alles verhindern will, doch hier sind noch viele Fragen offen.“

„Aus aktuellem Anlass“, heißt es auf der Homepage der Hirschbach­er GS-Quadtouren GbR, „verlegen wir unsere lang geplante Eröffnung auf eine unbestimmt­e Zeit.“Das hat, wie es aussieht, nicht nur mit dem Hinweis auf den CoronaViru­s zu tun.

 ?? Symbolfoto: Kerpf ?? Vermutlich nicht ganz so sportlich, sondern eher gemütlich, wollen zwei Buttenwies­ener künftig Quad-Touren von Hirschbach aus in den heimischen Fluren anbieten. So einfach geht das aber nicht, Jäger und Grundbesit­zer protestier­en. Die Kommunen wollten einen offizielle­n Antrag sehen und genehmigen lassen.
Symbolfoto: Kerpf Vermutlich nicht ganz so sportlich, sondern eher gemütlich, wollen zwei Buttenwies­ener künftig Quad-Touren von Hirschbach aus in den heimischen Fluren anbieten. So einfach geht das aber nicht, Jäger und Grundbesit­zer protestier­en. Die Kommunen wollten einen offizielle­n Antrag sehen und genehmigen lassen.

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