Zwei Autoschrauber
Aktion Die Wertinger Artotek öffnet nach zwei Monaten Pause wieder. Das ist geboten
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Wertingen Die Artothek der Stadt Wertingen öffnet üblicherweise jeden ersten Sonntag im Monat. Aufgrund des Lockdowns wegen der Corona-Pandemie entfielen die Termine im April und Mai. Nun freut sich das Team der Artothek aber umso mehr, Kunstinteressierte ab Juni wieder begrüßen zu dürfen.
Die Artothek öffnet am Sonntag, 7. Juni, und Sonntag, 5. Juli, jeweils von 10 bis 13 Uhr, also je eine Stunde länger als gewohnt. Eine vorherige telefonische Terminvereinbarung ist laut Pressemitteilung erwünscht, das allgemein geltende Masken- und Abstandsgebot ist einzuhalten.
In der Artothek in Wertingen kann sich jeder Interessent Originalkunstwerke, Originaldrucke und Kleinplastiken der zeitgenössischen Kunst für drei Monate ausleihen. So hat man die Möglichkeit, moderne Kunst in den eigenen vier Wänden kennenzulernen.
Rund 200 Bilder sind im Repertoire. Die meisten Gemälde und Grafiken stammen von noch lebenden Künstlern, doch gibt es auch Werke von Joan Miro oder Max Bill. Durch den regelmäßigen Erwerb neuer Bilder und Skulpturen wird der Bestand stetig erweitert.
Nicht nur die Artotek war geschlossen – auch die geplante Kunstausstellung wurde abgesagt. Die diesjährige Stipendiatin Juliane Ebner kam aus dem lauten, viel bewegten Berlin ins noch quicklebendige Wertinger Städtchen. Sie freute sich auf ruhige Arbeitswochen, die wenig später jedoch in ein wirkliches Eremiten-Dasein mündeten: Plötzlich war sie hier als Stipendiatin auf sich selbst zurückgeworfen, ohne die Möglichkeit zum Kontakt und dem wirklichen Kennenlernen von Land und Leuten (wir berichteten).
Gut, dass sie konzentriert an den Zeichnungen für ihren neuen Film arbeiten wollte und einiges andere an Plänen und Material mitbrachte. So verwandelte sie die drei Räume der Städtischen Galerie im zweiten Stock in ein Atelier, wo dicht an dicht Folien und Papiere auf dem Boden lagen, Angefangenes, Halbfertiges, noch zu Prüfendes, neben einer Unzahl von Fotos, aufgeklappten Büchern, Zeitungsausrissen, Textstellen, einer Sammlung von Porträts und mehr. Es war gut zu sehen, wie sie sammelnd Geschehnisse in ihre Arbeit aufnimmt, überall und in allem ihre Themen findet und Bezüge herstellt. Bilder als Erinnerungsträger von Geschichten, historischen Ereignissen, Begebenheiten unterschiedlichster Art sind der Fundus, aus dem ihre Zeichnungen entstehen. Jede Zeichnung hat verschiedene Erzählebenen, die sich überlagern und ineinanderschieben, vergleichbar mit dem Wechsel von Gedanken und Empfindungen, die sich ständig in unseren Köpfen abspielen.
Ebner hat auch bewegte Bilder entwickelt, eine Art Vorstufe zum Film. Die Mutter dreier erwachsener Kinder wurde in Stralsund geboren, hat zuerst in Dresden Kirchenmusik studiert und abgeschlossen, in Kiel dann freie Kunst (Diplom) und Theologie.
Zur gemeinsamen Ausstellung mit den Augsburger Künstlerinnen Dorothea Dudek und Brigitte Heintze war die Vorführung von Juliane Ebners preisgekröntem Film „Landstrich“geplant: Ein gezeichneter, dicht erzählter 30-minütiger Kurzfilm über das Leben ihrer Großmutter. Sie wurde dafür mit dem Deutschen Kurzfilmpreis (2017) und weiteren internationalen Filmpreisen ausgezeichnet.
Die Artothek freut sich auf zwei feine kleine farbige Zeichnungen, auf teilweise übereinandergelegten Folien gearbeitet und hinter Acrylglas gelegt, die heuer entstanden sind. Sie gehören zu der Serie von Bildern für ihren neuesten Film „Durchgangslage“(2020), in dem sie sich intensiv mit dem Krieg und Völkermord im Balkan in den 1990er Jahren auseinandersetzt; speziell auch mit der Tatsache, dass dieses schreckliche Geschehen zeitgleich neben unserem ganz gewöhnlichen Leben stattfand.
Die erste Zeichnung zeigt zwischen zart getupften Bäumchen eine in einer Art Hängematte ruhende Männergestalt. So leicht ist alles hingezeichnet, frühlingshaft und friedvoll die Stimmung. Beim genaueren Betrachten spürt man die Erschöpfung des Mannes, – er liegt verletzt auf einer Bahre, ist in Kampfhandlungen verwickelt gewesen. Die Situation sterbender Menschen bei schönstem Wetter kommt uns ja gerade sehr bekannt vor. Dieses Nebeneinander von Leid und Glück. Auf der zweiten Zeichnung ist ein massives dunkles Bauwerk zu sehen, an einen Tanker erinnernd, der auf dem Wasser liegt. Vorn legt ein kleines Motorboot vom Ufer ab. Offensichtlich ist es eine Festung, hohe Lampen und Strahler scheinen es wie hell glänzende Perlenreihen zu schmücken.
Tatsächlich ist es das Abbild des zerstörten Rathauses in Sarajewo, eines alten am Fluss liegenden Prachtbaus, der im Laufe der vierjährigen Belagerung mitsamt seiner wertvollen Bibliothek völlig zerschossen und ausgebrannt wurde. Dort im Innenhof der Ruine spielte über Jahre jeden Tag ein Cellist Cello-Sonaten von Bach.
Für Juliane Ebner ist Zeichnen Respektarbeit: dadurch, dass man etwas festhält, kann man ihm noch einmal Bedeutung verleihen, es dem Vergessen entreißen. Mit ihrer Kunst hat sie eine Form gefunden, zeitlich versetzte Geschichten zu erzählen, die an ein und demselben Ort passiert sind; oder auch Geschichten, die gleichzeitig an unterschiedlichen Orten passieren.
Wie die Stadt Wertingen weiter mitteilt, wird Juliane Ebner ab 8. November in der Städtischen Galerie, Schulstraße 10 in Wertingen, ihre Ausstellung „Streugebiet“präsentieren. Dabei werden auch Werke von Dorothea Dudek und Brigitte Heintze zu sehen sein.