Corona im Biergarten: Was wäre wenn?
Gastronomie Namenslisten sollen bei der Aufklärung einer möglichen Ansteckung helfen. Ob das funktioniert, ist ungewiss
Augsburg Die Maske darf erst am Tisch abgenommen werden. Die Kellner tragen ebenfalls einen Mund-Nasen-Schutz, außerdem sollen alle Kunden Abstände zu anderen Gästen einhalten. Und die Bedienung reicht einen Zettel, auf dem man seinen Namen und seine Kontaktdaten angeben muss. So ganz normal fühlt sich ein Gastronomiebesuch noch nicht an, doch für viele ist es ein Gefühl der Freiheit, wieder in Biergärten und Wirtschaften sitzen zu können. So kritzeln sie ihre Namen und ihre Telefonnummern mal auf Formulare auf dem Tisch, mal auf ausliegende Listen, mal auf den Block der Bedienung. Im Falle eines Corona-Falles soll so ermittelt werden, wer auch betroffen sein könnte. Doch was bedeutet das eigentlich?
Alles beginnt damit, dass sich eine Person, nennen wir sie Frau Mayer, mit Covid-19 infiziert. Sobald diese Information beim zuständigen Gesundheitsamt gelandet ist, beginnen die Nachforschungen: Wo hat sich Frau Mayer in der Zeit aufgehalten, als sie infektionsfähig war, also andere anstecken konnte? Ein Biergartenbesuch fällt in diese Zeit. „Wir nehmen dann Kontakt mit dem Gastronomiebetreiber auf und lassen uns die Gästeliste geben“, sagt Sabine Imhof vom Augsburger Gesundheitsamt. Im Wesentlichen gehe es darum herauszufinden, ob die erkrankte Person näheren Kontakt zu anderen gehabt habe.
„Näher“bedeutet: Jemand müsste mindestens 15 Minuten Gesichtskontakt oder direkten Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten von Frau Mayer gehabt haben. In diesem Fall ist dieser Jemand dem Robert-Koch-Institut zufolge eine besonders infektionsgefährdete Kontaktperson der Kategorie 1 – und als solche müsste sie umgehend in Quarantäne. Wenn sich Frau Mayer bei ihrem Biergartenbesuch an die gängigen Abstands- und Hygieneregeln gehalten hat, sollte das
Ansteckungsrisiko also gering sein. Aber hat sie das? Das herauszufinden, ist die Aufgabe des Gesundheitsamts. Hygienekontrolleure nehmen die Sitzordnung im Biergarten in den Blick, sprechen mit dem Betreiber und kontaktieren über die Gästeliste Personen, die zeitgleich dort waren.
Zentraler Anhaltspunkt für die Kontrolleure sind die Angaben zur Aufenthaltsdauer der Gäste. Auf dem Formular, das Biergartengänger und Besucher der Außengastronomie seit dem 18. Mai ausfüllen müssen, wird auch die Ankunftszeit abgefragt. Wann der Gast wieder geht, wird aber oft nicht unmittelbar erfasst. „Wir empfehlen, die gesamte Dauer des Aufenthalts zu dokumentieren“, sagt Frank-Ulrich John, Sprecher des Bayerischen Hotelund Gaststättenverbands (Dehoga). „Das ist auch im Interesse der Betriebe, weil sie besser vor
Schließungen geschützt sind, wenn der Fall tatsächlich eintritt. In der Praxis ist das aber sicher schwierig.“Jeder der zusätzlichen Schritte – das Erfassen, das Archivieren, das anschließende Löschen der Unterlagen – erfordere Personal und koste Geld. Allein die Ankunftszeit sei aber schon ein ausreichender Anhaltspunkt, mit dem die gefährdeten Personen identifiziert werden könnten, wenn auch etwas zeitintensiver.
Wie präzise die Betreiber die Aufenthaltsdauer dokumentieren, weiß auch das Gesundheitsamt erst, sobald ein Infektionsfall bekannt wird. Ohne konkreten Anlass wird die Dokumentation nicht überprüft – wie gut sie tatsächlich funktioniert, also die Gegenprobe mit der Realität, steht bislang aus: Nach Dehoga-Angaben ist im Freistaat noch kein Fall eines Covid-19-infizierten Außengastronomiebesuchers bekannt.