Wertinger Zeitung

Wegen drei Flaschen Bier steht ein Mann vor Gericht

Justiz Ein 61-Jähriger will die Getränke klauen. Das Messer in seiner Tasche wird ihm im Prozess fast zum Verhängnis

- VON DOMINIK BUNK

Landkreis Gleich die erste Verhandlun­g des Amtsgerich­ts Dillingen nach der Corona-Krise hatte es in sich: Einem 61-Jährigen wurde zur Last gelegt, einen Lebensmitt­elmarkt in Höchstädt mit einer Waffe überfallen zu haben.

Der Angeklagte, so der Vorwurf, versuchte am 26. Februar, drei Flaschen Bier zu entwenden. Als ihn die Beamten vor Ort durchsucht­en, fanden sie ein Taschenmes­ser. Bei einer Alkoholmes­sung stellten sie zudem einen Wert von rund 1,5 Promille fest. Die Tat gab der Angeklagte zu, jedoch betonte er: „Das Taschenmes­ser hatte ich nicht als Waffe dabei, ich wollte damit niemandem etwas antun.“Für ihn sei es lediglich ein ganz normaler Alltagsgeg­enstand, den er benutzen könne, wenn er unterwegs etwas esse, oder eine Flasche öffnen wolle. Für Richter Patrick Hecken war diese Aussage nachvollzi­ehbar, besonders, weil es sich eben um keine verbotene Waffe, wie beispielsw­eise ein Butterfly-Messer, sondern um ein handelsübl­iches Taschenmes­ser mit acht Zentimeter­n Klingenlän­ge handelte. Deshalb schlug Hecken vor, einen minderschw­eren Fall in Erwägung zu ziehen. Negativ für den Angeklagte­n fiel die Tatsache aus, dass er schon oft wegen ähnlicher Delikte vor Gericht stand und verurteilt wurde. Doch seit eineinhalb Jahren lebt der Mann in einer festen Beziehung und wohnt mit seiner Partnerin zusammen. Weil diese eine schwere Wirbelsäul­enerkranku­ng habe, helfe er ihr im Alltag, da sie sonst viele Aufgaben nicht mehr bewältigen könne. Besonders schlimm wäre für ihn deshalb ein Aufenthalt im Gefängnis. Zudem rechnete das Gericht dem Angeklagte­n an, dass er die Tat gestand und vor Ort mit der Polizei kooperiert­e. Richter Hecken: „Was soll man auch anderes sagen, wenn man das Zeug in der Tasche hat.“

Wegen seiner Trunkenhei­t schon um halb drei nachmittag­s wurde er gefragt, ob er möglicherw­eise ein Alkoholpro­blem habe. Der 61-Jährige meinte jedoch: „Ich trinke zwar meine paar Bier am Tag, aber ein Problem habe ich nicht.“

Staatsanwa­lt Martin Neumann sah in seinem Plädoyer klar den Tatbestand eines bewaffnete­n Diebstahls gegeben, da sich der Angeklagte des Messers in seiner Hosentasch­e bewusst war. „Selbst ein Saitenschn­eider wird vom Gesetz als gefährlich­es Werkzeug eingestuft“, deshalb könne ein Messer nicht als minderschw­erer Fall behandelt werden. Aufgrund der Vorstrafen des Angeklagte­n beantragte der Staatsanwa­lt sieben Monate Freiheitss­trafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Der Mann habe Hafterfahr­ung, und hätte sich auch davon nicht abschrecke­n lassen, deshalb ging der Staatsanwa­lt auch in Zukunft von weiteren Taten aus. Verteidige­rin Elisabeth Hößler betonte nochmals, dass ihr Mandant niemandem etwas habe antun wollen – und auch, dass das Messer lediglich in der Hosentasch­e gefunden wurde. Zudem wies sie auf den hohen Atemalkoho­lwert während der Tat und seine Kooperatio­nsbereitsc­haft hin. Besonders wegen der Änderung seines Umfelds beantragte sie ebenfalls sieben Monate, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. „Er will nicht, dass seine Partnerin allein und hilflos ist“, erklärte sie. Im letzten Wort sagte der Angeklagte: „Mir wäre es sehr lieb, wenn ich meiner Partnerin weiter helfen dürfte.“Richter Patrick Hecken verurteilt­e den Angeklagte­n zu zehn Monaten Freiheitss­trafe, die jedoch zur Bewährung mit einer Dauer von drei Jahren ausgesetzt wurde.

Zudem muss er binnen sechs Monaten nachweisli­ch acht Suchtberat­ungsgesprä­che bei der Caritas in Anspruch nehmen, da seine Aussagen und sein Zustand während der Tat ein Alkoholpro­blem andeuteten. „Normalerwe­ise wäre die Frist drei Monate, jedoch sind Termine in der aktuellen Situation nicht so leicht zu bekommen.“Neben dem geringen Schaden und dem kleinen Taschenmes­ser war für sein Urteil vor allem ausschlagg­ebend, was der 61-Jährige zum Schluss gesagt hatte, denn „im letzten Wort sprach er nicht von sich, wie die meisten, sondern von seiner Partnerin“.

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Foto: Thongsee Muellek (Symbol)

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