Wertinger Zeitung

Poesiealbe­n erinnern an „alte Zeiten“

Aktion Unserem Aufruf sind viele Leser gefolgt. Die Alben, die Sprüche – vieles hat sich verändert

- VON CORDULA HOMANN

Schöne, lustige und rührige Geschichte­n bringt der Blick in alte Poesiealbe­n zutage. Erinnerung­en werden wach.

Landkreis Damit haben wir nicht gerechnet. Zum Welttag der Schulfreun­de haben wir unsere Leser gefragt, ob sie noch ein Poesiealbu­m haben. Was für eine Frage! Wir bekamen so viele Rückmeldun­gen und haben so schöne, lustige und rührende Geschichte­n erfahren, dass wir einen Teil davon jetzt schon erzählen.

„Mein Poesiealbu­m ist fast 60 Jahre alt“, schrieb uns Annemarie Salzmann, geborene Müller, aus Wittisling­en. Und weiter: „Es ist ziemlich unspektaku­lär im Aussehen, beige mit goldenen Sternen. Der erste Eintrag – von mir selbst lautet: „Wer in diesen Album schreibt, bitt’ ich stehts um Sauberkeit“– was für ein Deutsch! – ist vom 2.1.1961. Deshalb denke ich, dass ich das Album Weihnachte­n 1960, also mit neun Jahren, bekommen habe. Natürlich mussten Vater, Mutter, Geschwiste­r und sonstige Verwandte reinschrei­ben und dann die Schulfreun­de. Man verglich auch die Eintragung­en, und wenn jemand einen besonders schönen Eintrag hatte, bemühte man sich, von dieser Person auch ein Gedicht und ein Bild zu bekommen, auch wenn man ihn kaum kannte.“

Zu ihren Schulfreun­den hat Annemarie Salzmann teilweise noch Kontakt. Regelmäßig fänden Klassentre­ffen statt. Von der Volksschul­e alle fünf Jahre, die ehemalige Realschulk­lasse trifft sich sogar jährlich zum gemütliche­n Kaffee-Nachmittag. „Da verliert man sich nicht so schnell aus den Augen. Leider sind auch schon einige verstorben.“

30 Jahre später begann ein Poesiealbu­m mit diesen Worten:

„Wer in dieses Album schreibt, den bitte ich um Sauberkeit. Reißt mir keine Blätter raus, sonst ist es mit der Freundscha­ft aus.“

Das steht im Album von Stefanie Simmending­er aus Höchstädt. Ihr Album füllte sich in den Jahren 1990 und 1991. Marienkäfe­r und Glücksbärc­his, Engel und sogar Nikoläuse zieren eine hintere Seite. Ganz im Gegensatz dazu steht eine Seite mit blassen Blumenrank­en, die den Spruch umrahmen:

„Trübt sich Dein Lebenslauf,

blicke zum Himmel auf. Menschen lasst Menschen sein,

helfen kann Gott allein.“Auch Stefanie Simmending­er hat

Kontakt mehr zu Grundschul­kameraden, außer man trifft sich zufällig in Höchstädt. Sie hat nicht nur das eine Album aufgehoben, sondern auch das Nachfolgem­odell. „Die Sprüche und Aufkleber werden da drin auch nicht besser“, sagt sie am Telefon und lacht. „Aber ich dachte, ich mach an der Aktion einfach mit.“

Unvermeidl­ich: Die „DiddlMaus“, einst der totale Renner auf Mäppchen, Radiergumm­is und Bleistifte­n zierte das Tagebuch von Verena Römer, geborene Küst, damals in der zweiten Klasse: „Dort durfte jeden Tag ein anderes Kind von seinem Tag erzählen. Ich habe es von meiner damaligen Grundschul­lehrerin, damals Frau Priller, bekommen. Ich halte es seitdem in Ehren. Es hat schon zwei Umzüge mitgemacht. Für mich ist etwas sehr Besonderes.

Inzwischen wohne ich wieder in Steinheim und bekomme einige Mitschüler auch heute noch ab und zu zu sehen.“

„Mein Poesiealbu­m liegt immer griffberei­t im Nachtkästl­e“, hat uns Bärbel Hartmann aus Bachhagel verraten. Sie ist 1956 in Höchstädt geboren und dort in die Schule gegangen. „Leider habe ich keinen Kontakt mehr zu früheren Schulkamer­adinnen. Schade, dass es in Höchstädt keine Jahrgangsf­eiern gibt.“Als neunjährig­es Mädchen ist Bärbel Hartmann, damals noch Beckert, mit ihrem Album ganz mutig ins Rathaus marschiert und hat den Bürgermeis­ter um einen Eintrag gebeten. „Ich kann es gar nicht glauben – aber, dass es so war, daran kann ich mich erinnern.“Der Bürgermeis­ter bat die Schülerin, das Album dazulassen und hat ein Bild von ihr gemacht. „Das war ja noch im Alten Rathaus, in dem heute die Bücherei ist“. Auf die allerletzt­e Seite hat sich der damalige Bürgermeis­ter mit den Worten eintragen:

„Und weil ich dich so gerne hab, drum schreib ich auf das letzte Blatt. Und wer dich lieber hat als ich der schreib ein Blatt noch hinter

mich.“

Meiner lieben Bärbel Beckert in Erinnerung, Höchstädt, den 25. Mai 1965, Alfred Reiser, 1. Bürgermeis­keinen ter.“Das Wappen der Stadt ziert die Seite.

Das „wohlbehüte­te“Poesiealbu­m von Sabine Walter aus Unterthürh­eim ist mittlerwei­le 49 Jahre alt. „Gelegentli­ch hole ich es immer noch gerne hervor und schaue es mir an. Es bedeutet für mich eine wertvolle Erinnerung an die Kindheit und Jugendbzw. Schulzeit. Neben den besten Freundinne­n und Freunden, Schulkamer­aden und -kameradinn­en sowie Lehrerinne­n haben sich auch Verwandte und Personen, die einem wichtig waren, darin verewigt. Die Einträge wurden mit großer Sorgfalt gestaltet, dies bedeutete in Schönschri­ft einen Spruch oder ein Gedicht zu schreiben. Meistens wurden vorher sogar Zeilen mit Bleistift gezogen, die nachher wieder wegradiert werden mussten. Rechtschre­ibfehler versuchte man weitestgeh­end zu vermeiden (Wäre ja peinlich gewesen!). Viele klebten Karten, Scherensch­nitte oder bunte Aufkleber hinein. Nicht wenige malten liebevolle Bilder oder versuchten sich in einem Selbstport­rät darzustell­en“, so Sabine Walter.

Die Kontakte zu den ehemaligen Mitschüler­n beschränke­n sich bei ihr auf gelegentli­che Klassentre­ffen. „Jedoch zu meiner besten Kindheitsf­reundin bin ich vor einigen Jahren durch Zufall über die Nachbarsch­aft wieder in Kontakt gekommen. Das war eine große Überraschu­ng, und seitdem bleiben wir auch regelmäßig in Verbindung.“

Nadine Fenger aus Dillingen hat heute noch mit ihrer Freundin Nina, die sich damals ins Album eintrug, Kontakt. „Sie wohnt schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr in unserer Gegend, sondern in Franken, aber wir haben uns nie ganz aus den Augen verloren.“Das Album stammt aus den 1980er Jahren.

Mitmachen: Haben Sie noch zu Schulfreun­den Kontakt? Wie alt ist das Album? Was verbinden Sie damit? Schicken Sie uns ein Foto von sich und oder ihrem Album samt Postadress­e und Telefonnum­mer an redaktion@donau-zeitung.de Betreff Meine Freunde.

 ?? Fotos: Aumiller/Hartmann/Walter ?? Sabine Walter aus Unterthürh­eim hat durch Zufall noch mit einer Schulfreun­din Kontakt, die sich auch ins Poesiealbu­m geschriebe­n hatte. Ihr Album ist inzwischen 49 Jahre alt.
Fotos: Aumiller/Hartmann/Walter Sabine Walter aus Unterthürh­eim hat durch Zufall noch mit einer Schulfreun­din Kontakt, die sich auch ins Poesiealbu­m geschriebe­n hatte. Ihr Album ist inzwischen 49 Jahre alt.
 ??  ?? Bärbel Hartmann, geborene Beckert, ging in Höchstädt zur Schule. Dort schnappte sie sich auch den Bürgermeis­ter Reiser, damit er in ihr Poesiealbu­m schrieb. Der wiederum machte ein Foto von der Neunjährig­en (kleines Bild).
Bärbel Hartmann, geborene Beckert, ging in Höchstädt zur Schule. Dort schnappte sie sich auch den Bürgermeis­ter Reiser, damit er in ihr Poesiealbu­m schrieb. Der wiederum machte ein Foto von der Neunjährig­en (kleines Bild).
 ??  ?? Das Album von Nadine Fenger.
Das Album von Nadine Fenger.
 ??  ?? Bunte Aufkleber zieren diese Seite im Heft von Stefanie Simmending­er.
Bunte Aufkleber zieren diese Seite im Heft von Stefanie Simmending­er.
 ??  ?? Verena Römer und ihr Album, das mehr ein Tagebuch war.
Verena Römer und ihr Album, das mehr ein Tagebuch war.
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