Immer wieder Mundschutz-Zoff
Pandemie Für die meisten Menschen ist die Gesichtsmaske längst zum Alltagsbegleiter geworden – andere indes weigern sich, sie aufzusetzen. Manchmal entbrennt daraus sogar ein handfester Streit. Lässt die Disziplin der Bürger langsam nach?
Augsburg Vor kurzem in der Linie 1 der Augsburger Straßenbahn: Ein Mann betritt die Tram, einen Mundschutz trägt er nicht, obwohl er das eigentlich müsste. Der Fahrer spricht ihn an, bittet ihn, eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen – und dann eskaliert die Situation. Zuerst fallen nur wüste Beschimpfungen, später dann leert der zornige Fahrgast den kompletten Inhalt seiner Essensbox in der Straßenbahn aus.
Es sind Fälle wie dieser, die zeigen: Längst nicht alle Menschen sehen es ein, eine Maske zu tragen. Und mitunter ist deren Zündschnur extrem kurz. Derlei Meldungen liest man in den vergangenen Wochen immer wieder. Und man fragt sich: Lässt die Disziplin langsam nach? Nehmen wir die ganze Sache etwa nicht mehr so ernst wie zu Beginn der Corona-Krise?
Zu diesem Schluss könnte man jedenfalls kommen, wenn man Vorfälle wie diesen hört: Eine 29-jährige Frau sitzt ohne Mundschutz im Wartezimmer einer Passauer Arztpraxis. Ein anderer Patient macht sie darauf aufmerksam – und bei der
Frau brennen die Sicherungen durch. Sie geht auf den Mann los, beleidigt ihn mehrmals und versucht, ihn zu schlagen. Dann schubst sie die Ehefrau des Mannes auf den Boden und bespuckt sie.
Die gute Nachricht ist aber: Solche Vorfälle sind bisher die Ausnahme. Das sagt zumindest Maria Enslin, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Schwaben Nord in Augsburg. Gravierende Verstöße im Zusammenhang mit der Maskenpflicht sowie Personen, die das Tragen einer Maske partout verweigerten, seien nur in Einzelfällen festgestellt worden, sagt Enslin. Und eine Häufung im Vergleich zur Corona-Anfangszeit könne man aktuell auch nicht feststellen. In Zahlen ausgedrückt verhält es sich so: Im gesamten Präsidiumsbereich, in dem rund 900000 Menschen leben, mussten bisher etwa 30 Anzeigen wegen eines Verstoßes gegen die Maskenpflicht aufgenommen werden.
Leichtere Verstöße hätten zum Großteil Personen betroffen, die an Haltestellen warteten, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, oder die Masken falsch, also nicht über Mund und Nase, getragen hatten. Oft seien den Menschen die genauen Regelungen nicht klargewesen. „Wie bei den sogenannten Face-Shields, welche keinen gleichwertigen Ersatz für eine Maske darstellen, da sie Mund und Nase nicht bedecken“, erklärt Enslin. Die Beamten würden solche Unsicherheiten im Gespräch mit den Betroffenen – die zum Großteil gewillt seien, sich an die Regeln zu halten – beheben.
Auch in Supermärkten und anderen Geschäften kommt es immer wieder vor, dass Menschen ohne Mund-Nasen-Schutz einkaufen wollen. Die Polizei sei auch schon von Gewerbetreibenden zur Unterstützung gerufen worden, wenn die Ladeninhaber die Situation mit uneinsichtigen Kunden nicht lösen konnten. „Teilweise erreichen uns auch Mitteilungen von Kunden über Personen in Geschäften, welche keine geeignete Maske beziehungsweise diese falsch tragen“, berichtet Enslin. Auch diesen Hinweisen – welche jedoch nicht gehäuft auftreten würden – gehe man nach. „Dabei haben wir auch schon Personen ohne Maske angetroffen, welche eine Ausnahmegenehmigung des Gesundheitsamtes vorweisen konnten“, fährt Enslin fort. Für andere
Kunden sei das natürlich nicht ersichtlich und erwecke deswegen den Eindruck, dass sie die Maske absichtlich nicht aufsetzten.
Wie reagieren eigentlich die Supermärkte selbst, wenn Menschen ohne Maske in die Läden kommen? „Wir klären unsere Kunden umfassend über die Tragepflicht eines Mund-Nasen-Schutzes in unseren Märkten mit entsprechenden Hinweisen auf und appellieren mit
Nachdruck an unsere Kunden, die Vorschriften genau einzuhalten“, teilt Kristina Schütz, die Sprecherin der Rewe-Gruppe, mit. „Gerade in der aktuellen Situation werden die geöffneten Verkaufsstellen von den Behörden regelmäßig vor Ort kontrolliert“, erklärt Schütz. „Vor diesem Hintergrund können Sie grundsätzlich sicher sein, dass wir unser Möglichstes tun, um mit den einzelnen Schutzmaßnahmen Kunden wie Mitarbeiter in unseren Märkten zu schützen.“Und von Edeka Südbayern heißt es: „Selbstverständlich sind unsere Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mit den geltenden Hygienemaßnahmen vertraut und angehalten, Kunden auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufmerksam zu machen.“Die bisherige Erfahrung zeige jedoch, dass sich die Kunden sehr vorbildlich verhalten und Rücksicht auf Mitarbeiter und andere Kunden nähmen.
Das ist aber nicht immer so. Manchmal müssen Kassierer nicht nur vor dem Virus, sondern auch vor Gewalt geschützt werden. In der vergangenen Woche wurde eine Mitarbeiterin einer Tankstelle im Augsburger Stadtteil Lechhausen von einem Mann verletzt, nachdem sie ihn auf seinen fehlenden Mundschutz hingewiesen hatte. Der Aufforderung, doch bitte eine Maske aufzusetzen, kam der 30-Jährige nicht nach. Er beleidigte die Frau, bezahlte und ging nach draußen. Da er sich aber weiter auf dem Gelände der Tankstelle aufhielt, forderte die 60-jährige Kassiererin ihn auf, zu gehen – der Mann kehrte stattdessen an die Kasse zurück und schlug so fest gegen die Plexiglasscheibe, dass sie zerbrach. Die Kassiererin wurde dabei im Gesicht verletzt. Die Polizei sucht nun nach dem bisher unbekannten Mann.
Kunde verletzt Kassiererin