Wenn es einfach nicht reicht
HandballWM Die deutsche Nationalmannschaft nährt bei der knappen Niederlage gegen Ungarn den Verdacht, dass die Weltmeisterschaft für sie schnell beendet sein wird. Selbst die Offiziellen zweifeln an der Qualität des Teams
Gizeh Alfred Gislason hatte gehofft, dass es anders kommt, aber eben auch immer wieder auf das Problem hingewiesen. Und am Dienstagabend fühlte er sich bei der Weltmeisterschaft in Ägypten in seinen Befürchtungen bestätigt. „Wir haben schon zu Beginn dieses Monats gesagt, dass das eine Schwachstelle ist. Wir müssen einen besseren Innenblock hinbekommen“, sagte der Trainer der deutschen HandballNationalmannschaft nach dem 28:29 gegen Ungarn im Indoor Sports Complex von Gizeh. Gewiss, die Niederlage war unglücklich, weil den Magyaren erst vier Sekunden vor dem Abpfiff der Siegtreffer gelang. Und doch verloren die Deutschen nicht unverdient. Gerade weil sie eben keinen besseren Innenblock hinbekamen. DHB-Co-Trainer Erik Wudtke sprach am Tag nach der Niederlage von der Abwehr als „Entwicklungsfeld“.
Johannes Golla sowie der früh mit zwei Zeitstrafen bedachte Sebastian Firnhaber fanden keinen Zugriff. Erst mit Fabian Böhm stabilisierte sich die Deckung halbwegs. Doch der Qualitätsverlust in Abwesenheit des etablierten Duos Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek sowie des sonstigen Ersatzmannes Finn Lemke fiel gleich im ersten Spiel gegen einen etwas besseren, aber keinesfalls überragenden Gegner ins Gewicht. Und zwar entscheidend, was gravierende Folgen für den Turnierverlauf haben kann.
Schon am Donnerstag (20.30 Uhr, ZDF) trifft die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) im ersten Hauptrundenspiel auf Europameister Spanien. Eine Mannschaft, die wie auch die Ungarn „sehr viel über den Kreisläufer“agiert, wie Wudtke berichtete. Für die Deutschen ist das erst einmal keine gute Nachricht: Denn den ungarischen Koloss am Kreis namens Bence Bánhidi (acht Tore) bekamen sie überhaupt nicht in den Griff.
DHB-Vizepräsident Bob Hanning spricht angesichts der Ausgangslage von einem „Alles-oderNichts-Spiel“gegen die Spanier, die zwar ähnlich auftreten wie die Ungarn, aber deutlich stärker einzuschätzen sind. Doch eine Niederlage können sich die Deutschen nicht mehr erlauben. Wenn sie ins Viertelfinale einziehen wollen, müssen wahrscheinlich Siege über Spanien,
Brasilien (Samstag) und Polen (Montag) her. Hanning glaubt zu wissen, wie das gelingen könnte: „Die Jungen müssen all ihre Energie reinbringen, und die Erfahrenen müssen die Energie lenken.“Wenn das immer so einfach wäre.
Am Mittwoch verließ der Europameister von 2016 sein Luxusquartier im Schatten der Pyramiden und machte sich auf den 60 Kilometer langen Weg nach New Capital östlich von Kairo. Dort ist auf 700 Quadratkilometern mitten in der Wüste für 45 Milliarden Dollar die neue ägyptische Regierungsstadt entstanden. Ein Prestigeprojekt, natürlich mit einer schmucken Arena, in der die Deutschen am Donnerstag ohne große Vorbereitung gegen einen der Titelanwärter antreten. „Ich werde versuchen, den Feinschliff am Computer hinzubekommen“, sagte Gislason. Er wirkte nicht verzweifelt, weil er immer an seine Arbeit und seine Mannschaft glaubt: „Aber es muss mehr klappen als gegen Ungarn.“
Gegen diese wankte der Innenblock durch das Spiel wie ein Schiff im aufgewühlten Meer. Am Ende stand die Erkenntnis: „Wenn man ein Spiel mit einem Tor Differenz verliert, bewegt man sich auf Augenhöhe. Aber weiter sind wir nicht“, so Wudtke. Was er allerdings verschwieg: Die Ungarn gehören sicherlich zu den besseren Teams auf der Welt, aber keinesfalls zu den Besten.
„Wir können gegen diesen Gegner gewinnen, müssen es aber niemals mit dieser Mannschaft“, gewährte der DHB-Sportvorstand Axel Kromer einen Einblick in die intern vielleicht viel geringeren Erwartungen, nachdem zuvor stets öffentlich das Viertelfinale als Ziel genannt worden war. Mit Blick auf das Spiel gegen Spanien sprach er nun gar von „Welten, die da aufeinandertreffen“. Jetzt ist es nicht immer von Vorteil, sich selbst ganz kleinzumachen. Doch Kromers Statement klang eher nicht wie Tiefstapelei, sondern mehr nach einem Geständnis, dass es in dieser Konstellation vielleicht doch nicht für die K.o.-Runde reicht.