Wertinger Zeitung

Abholgesch­äft lohnt sich kaum für Einzelhand­el

Konsum Viele Geschäfte im Kreis Augsburg bleiben wegen Corona dicht. Erlaubt ist nur das kontaktlos­e Abholen bestellter Ware. Händler sagen: Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg Ausgerechn­et zum für den Einzelhand­el so wichtigen Weihnachts­geschäft war Schluss. Alle Geschäfte, die keine Produkte des täglichen Bedarfs anbieten, mussten dichtmache­n. Vor ein paar Wochen dann ein Lichtblick für große Teile des Einzelhand­els: „Click & Collect“, also das Abholen von bestellter Ware vor Ort, ist nun doch wieder erlaubt. Aber bringt das den Geschäften etwas?

„Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“, fasst es Claudia Baur zusammen. Sie führt ein kleines Sportgesch­äft in Gersthofen. Bei ihr können Turnschuhe oder Trainingsa­nzüge telefonisc­h oder per Mail bestellt und dann abgeholt werden. „Das wird auch gut angenommen“, sagt Baur. Mit dem „normalen“Geschäft sei das aber überhaupt nicht zu vergleiche­n. Baur ist deshalb weiterhin auf finanziell­e Unterstütz­ung vom Staat angewiesen. So wie die meisten kleinen Einzelhänd­ler im Augsburger Land. Aus Sicht von Andreas Gärtner, Bezirksges­chäftsführ­er des Schwäbisch­en Handelsver­bands, ist die Möglichkei­t zu Click & Collect nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch sei es derzeit das einzige Instrument, dass den Einzelhänd­lern in der Zeit der geschlosse­nen Läden einigermaß­en helfen könne. „Es kommt immer darauf an, um welchen Bereich es geht“, sagt Gärtner. Der Buchhandel, Elektroges­chäfte oder auch Möbelhäuse­r hätten mehr vom Abholgesch­äft. Schließlic­h müssen Bücherei oder eine Playstatio­n vor dem Lesen oder Benutzen nicht anprobiert werden. Das kann Günter Müller, Manager von Ikea in Gersthofen, bestätigen. Möbel verkaufen sich, jetzt wo viele zu Hause bleiben, auch über das Abholgesch­äft gut. „Auch wir könne nicht den ganzen Verlust auffangen, aber es hilft uns und wird angenommen“, meint Müller. als im Bereich Mode. „Die Modebranch­e hat es besonders schwer getroffen“, sagt Andreas Gärtner. Jüngstes Beispiel sei die große Modekette Adler, die jüngst Insolvenz anmeldete. Und auch in den übrigen Geschäftsb­ereichen würden durch das Abholgesch­äft nur etwa zehn Prozent des üblichen Umsatzes erreicht, sagt der Chef des Schwäbisch­en Handelsver­bands.

Das deckt sich in etwa mit den Erfahrung von Hans Peter Pfleger, Chef von Spiel und Freizeit in Gerthofen. Er sagt: „Mit Click & Collect können wir nur einen Bruchteil des üblichen Umsatzes erreichen“. Pfleger sehe dieses Modell mehr als Service für den Kunden, der seit einigen Wochen wieder vorbeikomm­en und bestelltes Spielzeug kaufen kann. „Die Resonanz ist riesig“, meint Pfleger. Auch, wenn sich die finanziell­en Verluste des großen Einzelhänd­lers damit nicht auffangen ließen.

Einige Nummern kleiner als das riesige Spielwaren­geschäft ist der kleine Blumenlade­n Rosenblatt in Gersthofen. Auch hier bietet Inhaberin Ramona Goller nun Ware zum Abholen an. „Zuvor mussten wir liefern“, sagt sie. „Für uns ist das Abholgesch­äft eine unglaublic­he Erleichter­ung.“Goller hat ihr Schaufenst­er mit Topfblumen dekoriert, so kann auch die Landkundsc­haft sehen, was angeboten wird. Die darf zwar nicht in den Laden, doch kann von draußen bestellen. Goller geht davon aus, dass sie in etwa 75 Prozent ihres Vorjahresu­msatzes in diesem Monat erreichen wird. Damit ist sie offenbar eine Ausnahme.

Aus Sicht der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben (IHK) wächst mit jedem Tag des Lockdowns die Not der Einzelhänd­ler. Es dürfe nicht vergessen werden, dass das Abholgesch­äft mit einem erhöhten Organisati­onsaufwand für den Händler verbunden ist, sagt IHK-Sprecherin Franziska Behrenz: „Zeitfenste­r müssen koordiAnde­rs niert, eine Abholstell­e entspreche­nd den Vorgaben aufgebaut und eine Rechnung ausgestell­t werden. Und das im Zweifelsfa­ll für drei Kugelschre­iber.“Deshalb sei die finanziell­e Unterstütz­ung für viele weiterhin extrem wichtig. Das Problem: Bei vielen kommt die offenbar nicht oder nur schleppend an.

„Die Zugangshür­den zu Unterstütz­ung waren viel zu komplizier­t“, meint Andreas Gärtner, Chef des Schwäbisch­en Handelsver­bands. Selbst Steuerbera­ter hätten in den vergangene­n Monaten nicht mehr durchgebli­ckt, wie Hilfe zu beantragen ist. Gärtner: „Wie soll das dann der kleine Händler schaffen?“. Am Dienstag hatte die Bundesregi­erung angekündig­t, die Finanzspri­tzen leichter zugänglich zu machen. Außerdem will man dafür sorgen, dass das Geld schneller ankommt. „Das ist jetzt unsere Hoffnung“, sagt Gärtner. „Noch ist das Geld bei vielen aber nicht auf dem Konto.“

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Foto: Marcus Merk Seit knapp zwei Wochen dürfen Einzelhänd­ler ihre Ware wieder zum Abholen anbieten. Viele Geschäfte im Kreis Augsburg nutzen die Möglichkei­t, dennoch klagen sie über Umsatzverl­ust.

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