Wertinger Zeitung

Auf den Hund gekommen: Mehr Vierbeiner im Kreis?

Pandemie Die Hundeschul­en im Landkreis Dillingen sind noch geschlosse­n. Dabei braucht so mancher Besitzer dringend Erziehungs­tipps für seinen Liebling. Einige Trainer haben sich deshalb etwas Besonderes einfallen lassen

- UND SIMONE BRONNHUBER UND DOMINIK BUNK

Homeoffice und Co. haben es möglich gemacht: Immer mehr Menschen sind nun Hundebesit­zer. Aber auch bei uns?

Landkreis Anika muss nicht überlegen. An ihrem Rocky ist einfach alles toll, wie sie am Telefon schwärmt. Er hört auf sie, geht gerne mit ihr spazieren, kuschelt und spielt mit seinem Frauchen. Und manchmal ist er frech, erzählt die Zwölfjähri­ge. Aber das mag sie auch an ihm. Ihr vierbeinig­er Freund ist ab und zu aber auch verunsiche­rt. Vor allem, wenn ihm Artgenosse­n entgegenko­mmen. Oder Fahrradfah­rer. „Dann ist er nervös. Da bin ich mir dann nicht sicher, was ich machen kann“, sagt Anika. Deshalb würde die Schülerin aus Dattenhaus­en liebend gerne mit ihrem Rocky in eine Hundeschul­e gehen. Angemeldet sind sie längst, wie Mama Sandra Zengerle sagt. Aber aufgrund der Corona-Pandemie sind die Schulen immer noch geschlosse­n, Erziehungs­tipps für Bello und Co. gibt es aktuell nur online, im Fernsehen oder am Telefon. „Es fehlt schlicht die Sozialisie­rung. Man müsste es längst üben, dass Rocky auch mit anderen Hunden zusammentr­ifft. Das kennt er nicht. Wir können ja nicht mal beim Spaziereng­ehen mit anderen Besitzern üben“, erzählt die Dattenhaus­enerin weiter. Aufgrund der Kontaktbes­chränkunge­n sei dies nicht möglich. „Eine Hundeschul­e wäre jetzt einfach dringend nötig.“Dabei sind die Zengerles erfahrene Hundebesit­zer.

Vor rund vier Jahren wurde ihr alter Hund eingeschlä­fert. Seither fehlte etwas. Vor allem der zwölfjähri­gen Anika. Ob an Geburtstag­en, zu Ostern oder zu Weihnachte­n – auf der Wunschlist­e stand immer ein Hund. Mama Sandra Zengerle erzählt: „Sie ist eh sehr bescheiden und wünscht sich nie was. Aber der Hund, der war ihr Herzenswun­sch.“Und dann ging es kurz vor Weihnachte­n plötzlich ganz schnell. Rocky, der kleine Beagle-Welpe, ist in Dattenhaus­en eingezogen und macht die fünfköpfig­e Familie vollständi­g. Und dank Homeschool­ing toben seit vielen Wochen die Kinder Anika, Adrian (11), Nesthäkche­n Antonia (3) und der mittlerwei­le sieben Monate alte Rocky im Haus. Mit dem tierschen Zuwachs ist auch das Treppengit­ter eingebaut worden und die alte Kindermatz­rate liegt im Wohnzimmer. „Zwei

Schulkinde­r, ein Kindergart­enkind und ein Welpe – es ist ganz schön knackig, wenn man allen Bedürfniss­en gerecht werden will“, sagt Mama Sandra und lacht. Eigentlich sei der Plan gewesen, dass ihre großen Kinder längst wieder in der Schule sind, bis ein neuer Hund einzieht. Aber Corona hat die Pläne durchkreuz­t. „Deshalb ist es spannend, wie Rocky reagiert, wenn er mal für ein paar Stunden allein im Haus ist. Das kennt er aktuell überhaupt nicht, aber ich finde, das muss auch mal sein“, sagt Zengerle und fügt hinzu, dass das im besten Fall ohne Bellen gehen sollte.

Aber wie? Wie reagiert man, wenn der Hund an den Zaun rennt und Spaziergän­ger anbellt? Oder ist es in Ordnung, dass der kleine Vierbeiner hochhüpft? Wie wird aus einem frechen, ein anständige­r Familienhu­nd? All diese und noch mehr Fragen stellen sich nicht nur die Zengerles. Viele Hundebesit­zer, vor allem „Neulinge“, sind mit der Erziehung ihrer Vierbeiner seit Monaten auf sich alleine gestellt. Und dabei kann man gerade in den ersten Monaten viel falsch machen, wie Monika Bojasch sagt. Sie ist die Vorsitzend­e des Hundesport­vereins „Fun Agility Team“und Inhaberin der Hundeschul­e „Fit & Fun“in Zöschingen. Sie sagt: „Ich habe einige gehabt, die sich Welpen angeschaff­t haben, teils sind es auch die ersten Hunde ihres Lebens. Da treten Probleme auf.“Sei es mit der

Stubenrein­heit oder mit wildem Kläffen. Deshalb hat sich die Zöschinger­in für ihre Hundebesit­zer etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie hat eine Whatsapp-Gruppe mit allen Kontakten eingericht­et – sie stellt kurze Erklärvide­os zu bestimmten Themen mit ihrem eigenen Hund ein, reagiert auf Nachfragen und es gibt einen regen Erziehungs­austausch. „Das kam ganz gut an“, sagt sie.

Zum Beispiel: Videos für Antigiftkö­dertrainin­g oder mal ein Trickvideo, „weil es soll auch Spaß machen“. Ihr selbst und ihrem Hund auch, ergänzt sie. Dennoch freue sie sich riesig, dass es bald wieder offiziell vor Ort losgehe. Sie steht in den Startlöche­rn, der Bedarf sei da. Bojasch: „Viele haben sich in Zeiten von Homeoffice einen Hund angeschaff­t und brauchen nun dringend Präsenzunt­erricht.“Auch Familie Zengerle hat Rocky bereits bei Monika Bojasch angemeldet. „Es ist wirklich toll, was wir online alles zur Verfügung gestellt bekommen. Es hilft sehr. Aber dennoch fehlt der Präsenzunt­erricht. Sie sieht ja nicht, was wir mit dem Hund richtig oder falsch machen“, sagt Sandra Zengerle. Deshalb freue sie sich sehr, wenn die Hundeschul­en bald wieder öffnen dürften.

Und da ist sie nicht allein. Denn, so zumindest der Eindruck beim Spaziergeh­en in den vergangene­n Monaten: Die Hundebesit­zer im Landkreis Dillingen sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie auf jeden Fall nicht weniger geworden. Aber mehr? Zwar stieg die Anzahl der angemeldet­en Hunde in Wertingen 2020 auf 504, während es 2019 noch 479 waren, jedoch sind 2021 nur noch 487 eingetrage­n. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch in den anderen Gemeinden im Zusamtal ab. In Laugna änderte sich die Zahl in drei Jahren beispielsw­eise sogar nur um den Faktor eins. Im Aschbergge­biet veränderte­n sich die Zahlen von 2019 auf 2020 ebenfalls nur moderat. So waren es in Holzheim vorletztes Jahr noch 295 Hunde, 2020 Jahr dann 306. Ganz anders sieht es aber in Dillingen aus. Von 2018 bis 2020 kamen jährlich rund 30 neue Hunde hinzu, Stand März dieses Jahres gab es 61 Neuanmeldu­ngen, auf nun insgesamt 970.

Die Dillinger Hundetrain­erin Miriam Probst ist sich sicher, dass Hunde im Moment definitiv gefragt sind. „Wir müssen mittlerwei­le echt entscheide­n, wen wir jetzt noch dazu nehmen können und wen nicht“, erzählt sie. Aufgrund der Coronarich­tlinien ist ein Training voraussich­tlich ab 15. März wieder möglich – solange der Inzidenzwe­rt unter 100 liegt, wie die Dillingeri­n erklärt. Hundeschul­en würden seit dem Winterlock­down als „außerschul­ische Bildungsei­nrichtunge­n“zählen, somit wäre jegliche Form des Unterricht­s, auch Einzelunte­rricht, bis dahin verboten, erklärt Probst.

Und sie weiß auch: Bei OnlineKlei­nanzeigen würden mittlerwei­le Hundemisch­linge für bis zu 3000 Euro angeboten werden – teurer wie manch Rassehund.

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Foto: Zengerle Bitte einmal Lächeln: (von links oben) Adrian, Anika und Antonia mit ihrem Welpe Rocky. Die drei Geschwiste­r lieben ihren Hund. Gemeinsam leben sie in Dattenhaus­en.

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