Ulrike Bahr verliert
Partei Bei der Landesvertreterversammlung am Samstag steckt die SPD-Bezirksvorsitzende aus Augsburg eine der wohl größten Niederlagen ihrer politischen Karriere ein
Augsburg Es ist kalt bei der Landesvertreterversammlung der bayerischen SPD diesen Samstag. Wegen Corona findet das Treffen draußen statt, im Stadion des SC 04 Schwabach in Mittelfranken. Doch der Wind, der den schwäbischen Delegierten dort um die Ohren pfeift, ist ein laues Lüftchen gegen das, was sie politisch gesehen aushalten müssen: SPD-Bezirksvorsitzende Ulrike Bahr aus Augsburg steckt an diesem Tag eine der wohl größten Niederlagen ihrer Politikerkarriere ein.
Die Bayern-SPD sieht sich mit der Kandidatenliste nach dem Treffen „hervorragend aufgestellt“für die Bundestagswahlen im September. Die schwäbische SPD spielt dabei aber offenbar nur noch eine untergeordnete Rolle. Auf den aussichtsreichsten Listenplätzen findet sich lediglich ein Kandidat aus dem Bezirk: Christoph Schmid aus dem Kreis Donau-Ries belegt Platz neun. Anfang März hatte der Neuling den langjährigen Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Brunner als männlichen Spitzenkandidaten abgelöst. Dieser verzichtet gänzlich auf einen Listenplatz, weil er nicht als „Lückenbüßer“auf einem aussichtslosen Platz kandidieren wolle, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagt.
Die weibliche Spitzenkandidatin und Bezirksvorsitzende Ulrike Bahr dagegen kann sich am Samstag nicht mehr durchsetzen. Sie landet abgeschlagen auf Platz 16 und hat damit nur geringe Chancen auf eine dritte Periode im Bundestag. Scheitert sie, wäre es das erste Mal seit 1949, dass die Augsburger Sozialdemokraten keinen Abgeordneten mehr in den Bundestag entsenden können.
Am Sonntag gibt sich die 56-Jährige dennoch kämpferisch: „Natürlich ist es enttäuschend für den Bezirksverband, dass die Vorsitzende nicht unter den ersten acht Kandidaten ist. Das hatten wir anders erwartet“, sagt sie am Telefon. Man hätte sich in Vorgesprächen auch darauf geeinigt, dass sich unter den besten Plätzen Vertreter jedes Bezirks wiederfinden sollten. „Einigen Bezirken war es dann aber wichtiger, eigene Ziele durchzusetzen“, erzählt Bahr. Weil viele Frauen erneut antreten wollten, sei der schwäbische Spitzenplatz auf der Liste schließlich an einen Mann vergeben worden.
Als Kritik an ihrer Arbeit will Bahr das Ergebnis jedoch nicht sehen. In ersten Reaktionen hätten Parteikollegen ihr nur positive Rückmeldungen gegeben. Was jetzt überwiege, sei der Wille, im Wahlkampf nun erst recht das Beste zu geben.
Eine Strategie, die seit Samstag sicherlich auch Christoph Schmid aus dem Kreis Donau-Ries ehrgeizig verfolgt. Dass Schmid binnen weniger Wochen mit KarlHeinz Brunner einen etablierten und in der Partei gut vernetzten Parteigenossen aussticht und bei der Aufstellung der bayerischen SPD-Bundestagskandidaten auch noch die amtierende Bezirksvorsitzende Ulrike Bahr weit hinter sich lässt, hätten ihm bis vor Kurzem wohl nur wenige Parteikollegen zugetraut. Jetzt ist der Alerheimer Bürgermeister und Unterbezirksvorsitzende der Donau-Rieser Sozialdemokraten mit seinem neunten Listenplatz quasi über Nacht zum Spitzenkandidaten der schwäbischen Genossen avanciert – mit den besten Aussichten, im Herbst in den Bundestag einzuziehen.
Dabei ist der 44-jährige studierte Politikwissenschaftler keiner, der bisher die große Bühne gesucht hat. Vielmehr verlief der Aufstieg des Riesers eher ruhig. Seit seinem ersten vergeblichen Anlauf 2017 verfolgt der verheiratete Familienvater sein großes politisches Ziel, eines Tages Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Donau-Ries/Dillingen zu werden, stetig weiter. Wie breit sein Rückhalt im gesamten Landesverband inzwischen ist, zeigt sein Abschneiden bei der Listennominierung: Von 129 abgegebenen Stimmen erhielt er 126. Damit erreicht er neben der zweitplatzierten Listenbewerberin Barbara Kofler aus Oberbayern das beste Ergebnis aller Kandidaten.
Den Spitzenplatz belegt am Samstag in Schwabach der Generalsekretär der bayerischen SPD, Uli Grötsch. Er sitzt seit 2013 im Bundestag und strebt zudem den Posten des SPD-Landesvorsitzenden in Bayern an. Über die Nachfolge von Noch-Landeschefin Natascha Kohnen soll noch im Frühjahr auf einem Landesparteitag entschieden werden.