Wertinger Zeitung

Haben unsere Abgeordnet­e Nebenverdi­enste?

Politik Bei CSU und CDU in Landtag und Bundestag hagelte es in den vergangene­n Wochen geradezu Meldungen über dubiose Deals und persönlich­e Vorteilnah­me. Die Repräsenta­nten des Landkreise­s Dillingen sind sehr verärgert

- VON BENJAMIN REIF

Von dubiosen Deals ist unter anderem die Rede: Die Unionsaffä­ren beschäftig­en auch unsere Abgeordnet­en.

Landkreis In den vergangene­n Wochen überschlug­en sich beinahe die Meldungen zu dubiosen Geschäften von Mitglieder­n von CSU und CDU, die im Zuge der „Maskenaffä­re“ans Licht kamen. Bei der Vermittlun­g von Geschäften zwischen Wirtschaft und Staat bei der Versorgung mit medizinisc­hen Gütern in der Pandemie hielten einige Politiker offenbar die Hand auf und bereichert­en sich persönlich. Besonders rege scheint es beim Kreisverba­nd der CSU in Günzburg zugegangen zu sein – der Bundestags­abgeordnet­e

Sie bestreiten die Vorwürfe

Georg Nüsslein und der Landtagsab­geordnete Alfred Sauter gehören beide der CSU im Nachbarlan­dkreis an. Die beiden Politiker sollen bei der Vermittlun­g von Deals sehr hohe Provisione­n kassiert haben, beide bestreiten die Vorwürfe.

Wie blicken diejenigen auf die Affäre und die darum entbrannte Debatte, welche unsere Region in den großen Parlamente­n vertreten? In den Bundestag wurde aus dem Landkreis Ulrich Lange (CSU) entsandt. Im Landtag wird der Landkreis Dillingen von Georg Winter (CSU) und Johann Häusler (Freie Wähler) vertreten, der Meitinger Fabian Mehring (FW) zog ebenfalls in den Bayerische­n Landtag ein.

● Landtagsab­geordneter Fabian Mehring, der am Wertinger Gymnasium das Abitur gemacht hat, nimmt kein Blatt vor den Mund, als er sich gegenüber unserer Zeitung zu den Vorfällen beim Koalitions­partner CSU äußert. „Was im Zuge der Maskenaffä­re an Vorwürfen im Raum steht, sprengt meine Vorstellun­gskraft als junger Parlamenta­rier. Sich an der größten Krise der Nachkriegs­zeit persönlich zu bereichern, ist noch schäbiger als die Abzocke bei der Verwandten­affäre vor sieben Jahren“, sagt Mehring. Es ärgere ihn, dass wenige Politiker durch ihr Verhalten die gesamte Berufsgrup­pe in Verruf brächten. Das sei Gift für die Demokratie. „Schließlic­h ist es in der Coronakris­e ohnehin schwer genug, die Menschen mitzunehme­n und das derzeitige Chaos der Berliner Bundespoli­tik plausibel zu erklären“, so Mehring. „Da ist es natürlich Wasser auf die Mühlen aller, die unsere Gesellscha­ft weiter spalten wollen, wenn Parlamenta­riern kriminelle Geschäfte unterstell­t werden. Das kann und will ich niemandem erklären.“

● Bundestags­abgeordnet­er Ulrich Lange (CSU) empfindet ähnlich wie Mehring. „Ich kann nur zum Ausdruck bringen, dass ich auch selbst in höchstem Maße verärgert bin“, so Lange gegenüber unserer Zeitung. „Derartige Praktiken dürfen in der Politik nicht toleriert werden.“Auch an ihm selbst gehe die Debatte nicht spurlos vorbei. „Ich möchte nicht verschweig­en, dass mich die Vorwürfe und Verdächtig­ungen, die nun gegen alle Politiker gerichtet werden, persönlich sehr belasten. Ich denke, dass ich mich immer korrekt verhalten habe und mit großem persönlich­em Einsatz für unsere Region arbeite – da tut es schon weh, wenn man nun pauschal für Dinge mitverurte­ilt wird, die andere angerichte­t haben.“

Lange ist froh, dass die CDU/ CSU-Fraktion sich nun einen sogenannte­n „Verhaltens­kodex“gibt. Gemeinsam mit der SPD habe man sich auf eine deutliche Verschärfu­ng der Transparen­zregeln für Abgeordnet­e geeinigt. „Ich denke, das ist der richtige Weg, um das verlorene Vertrauen wiederherz­ustellen – ein Weg zu maximaler Transparen­z“, so Lange.

● Landtagsab­geordneter Georg Win‰ ter äußert sich gegenüber unserer Zeitung vergleichs­weise knapp zur Debatte. „Viele Mitbürgeri­nnen und Mitbürger sind durch die Ereignisse und die hohen Summen, die durch die Medien gingen, irritiert und enttäuscht, bis hin zum Vertrauens­verlust“, so konstatier­t auch der Höchstädte­r die Lage. Auf die Frage, ob die Debatte die parlamenta­rische Arbeit beeinfluss­e, entgegnet Winter: „Die Sacharbeit und die zusätzlich­en Anfragen und Anliegen wegen Corona beherrsche­n aktuell unseren Alltag.“

● Landtagsab­geordneter Johann Häusler glaubt, dass die Affären weitreiche­nde Folgen haben könnten, speziell bei der Bundestags­wahl im September. „Auch wenn es stets nur einige wenige sind, wie aktuell in der Maskenaffä­re, so führt dies in der Konsequenz zu weitreiche­nden staatspoli­tischen Folgen. Die Gefahr ist groß, dass sich dadurch im Herbst diesen Jahres die politische­n Koordinate­n völlig verschiebe­n und nachhaltig­e Auswirkung­en für unsere Volkswirts­chaft zur Folge haben“, sagt Häusler. Das Vertrauen in Politiker allgemein nehme in seinen Augen merklich Schaden.

Auf die Frage, was sich an der aktuellen Gesetzesla­ge ändern müsste, antwortet Häusler differenzi­ert.

„Wer öffentlich­e Einkünfte bezieht, insbesonde­re in verantwort­licher Position, sollte eine vollständi­ge Transparen­z akzeptiere­n, wenn es darum geht, die öffentlich­e Verantwort­ung klar von privaten Interessen abzugrenze­n“, so der gelernte Landwirt und Kaufmann. „Wer sich dieser Transparen­z verweigere, dürfe kein entspreche­ndes Mandat anstreben und annehmen. Allerdings darf ein sehr eng gefasstes Transparen­zgesetz nicht dazu führen, dass unsere Parlamente künftig nur noch von Vertretern des öffentlich­en Dienstes, von Beamten und Angestellt­en, beschickt werden.“Es brauche auch in Zukunft die Expertise aller Bevölkerun­gsschichte­n, so Häuslers Meinung.

● Nebentätig­keiten: Mehring, Winter und Häusler führen nach eigenen Angaben keine wirtschaft­lichen Nebentätig­keiten aus. Ulrich Lange ist nach eigenen Angaben seit 1996 als Rechtsanwa­lt zugelassen und seit 2000 als Fachanwalt für Arbeitsrec­ht und als Fachanwalt für Familienre­cht. In dieser Zeit wurde er Partner in einer Kanzlei in Nördlingen, was er heute noch sei. „Ich halte es für wichtig, dass Politiker einmal etwas anderes in Ihrem Berufslebe­n gesehen haben, als nur den Plenarsaal. Außerdem möchte ich mir die Möglichkei­t bewahren, nach meiner aktiven Zeit als Politiker, jederzeit in meinem erlernten Beruf als Anwalt zu arbeiten“, so Lange gegenüber unserer Zeitung.

Vertrauen nimmt Schaden

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Fotos: Stefan Obermeier/Bildarchiv Bayerische­r Landtag, Büro Winter, Jörg Carstensen (dpa), Häusler Der Ärger ist bei den Vertretern des Landkreis Dillingen groß (im Uhrzeigers­inn von links oben): Landtagsab­geordneter Fabian Mehring (FW), Georg Winter (CSU), Johann Häusler (FW) und Bundestags­abgeordnet­er Ulrich Lange (CSU).
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