Knack den „Scholzomat“
Aktien Im Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard war Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Zeuge geladen. Der SPD-Kanzlerkandidat hatte Erinnerungslücken und wies jede Verantwortung von sich
Berlin Bevor sich der Wirecard-Untersuchungsausschuss der mit Spannung erwarteten Befragung von Finanzminister Olaf Scholz zuwenden konnte, dämpfte Hans Michelbach alle Hoffnungen. Er erwarte sich, sagte der langgediente CSU-Finanzexperte und stellvertretende Ausschussvorsitzende, vom SPD-Politiker Scholz keine Aufklärung. Der Minister werde versuchen, sich in bekannter „Scholzomat“-Manier durchzuschlagen, sagte Michelbach mit Blick auf den Spottnamen, der dem Minister wegen seiner manchmal hölzernen Art verpasst wurde. In der Tat konnte Scholz wenig Erhellendes zur Aufklärung der Pleite des Finanzdienstleisters beitragen, die rund 22 Milliarden Euro an Aktienvermögen vernichtete. Lehrreich war sein mehrstündiger, phasenweise absurd anmutender Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss allemal.
Union, FDP, Linke und Grüne erwarten, dass Scholz die politische Verantwortung für den WirecardSkandal übernimmt. Sein Ministerium ist zuständig für die Finanzaufsicht BaFin, der wiederum schwere Fehler vorgeworfen werden. BaFinChef Felix Hufeld und Vizepräsi
Elisabeth Roegele mussten gehen, Scholz will die BaFin reformieren. Dem Koalitionspartner und der Opposition jedoch reicht das so nicht, sie wollten im Ausschuss den Versuch unternehmen, den „Scholzomat“zu knacken.
Was aber schon deshalb schwierig war, weil Scholz im kreisrunden Sitzungssaal sehr leise redete und phasenweise schwer zu verstehen war. „Können Sie etwas lauter sprechen bitte“, forderte Unions-Obmann Matthias Hauer (CDU) freundlich und fing sich eine patzige Antwort des Ministers ein: „Ich kann so laut sprechen, wie ich spreche.“
Scholz wies erwartungsgemäß jede Verantwortung zurück. Bei Wirecard sei über Jahre hinweg „offensichtlich mit hoher krimineller Energie“gehandelt worden, meinte der SPD-Kanzlerkandidat. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe keine Unregelmäßigkeiten erkannt, sagte Scholz und wies gleichzeitig Vorwürfe zurück, die Finanzaufsicht BaFin oder auch sein Ministerium hätten ihre schützende Hand über das Unternehmen gehalten.
„Tragen Sie persönlich Verantwortung dafür, dass dieser Skandal nicht früher aufgefallen ist?“, wollte Hauer stellvertretend für viele Ausdentin schussmitglieder und die zahlreich vertretenden Journalisten wissen. Des Ministers Antwort fiel karg aus: „Nein.“
Erinnerungslücken hatte Scholz, wenn es um konkrete Nachfragen ging. Zum Beispiel solche zu seinem Staatssekretär Jörg Kukies. Der war schon vom Ausschuss gegrillt worden und hat bereits eingestanden, von dem im Februar 2019 erlassenen Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien gewusst zu haben.
Das Leerverkaufsverbot, ein schwerer Markteingriff, ist eines der Hauptkapitel in dem Skandal. Scholz allerdings ließ alle kritischen Nachfragen dazu abprallen und verwies immer wieder auf die Verantwortung der Wirtschaftsprüfer. Wann er sich mit Kukies das erste Mal über Wirecard unterhalten habe? „Ich kann mich nicht konkret dran erinnern.“Wie oft er bis zur Insolvenz des Finanzdienstleisters mit Kukies über Wirecard gesprochen habe? Auch daran habe er, sagte Scholz, „keine Erinnerung“.
Ein Untersuchungsausschuss hat ähnliche Befugnisse wie eine Strafbehörde, er kann auch auf E-Mails zurückgreifen. Bei Scholz allerdings gestaltete sich das offenbar schwierig. Ob er alle für die Aufklärung wichtigen Mails vorgelegt habe?
Seines Wissens ja, erklärte Scholz. Auf Vorhalt von Unions-Obmann Hauer musste er dann einräumen, Mails von seinem privaten Account an Kanzleramtschef Helge Braun geschickt zu haben. „Mit Herrn Braun, das will ich Ihnen gerne zugeben, tausche ich mich im Wesentlichen über meine persönliche Mailadresse aus.“
FDP-Obmann Florian Toncar wollte nun wissen, welche Regeln für Mailaccounts es gebe. „Ich denke da immer an Hillary Clinton“, witzelte Toncar, doch ihm war klar, wie ernst die Sache ist. Denn immer wieder benutzen Politiker auch in Deutschland private Mailaccounts oder Mobiltelefone, um Dienstliches zu versenden. Was den Verdacht weckt, sie könnten Dinge verheimlichen wollen. Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Verkehrsminister Andreas Scheuer etwa mussten sich das vorhalten lassen. Scholz’ Begründung wusste zu verblüffen. Er nutze seinen privaten Account, „weil der einfacher ist als der dienstliche“.
Am Freitag ist Kanzlerin Angela Merkel als Zeugin im Untersuchungsausschuss geladen. Dabei wird es vor allem um eine Chinareise gehen, bei der im September 2019 auch Wirecard ein Thema war.
Sieht keine persönliche Verantwortung: Olaf Scholz.