So erlebt eine Hebamme die Pandemie
Porträt Petra Maoro aus Gabelbach betreut gerade drei Hausgeburten pro Monat. Sie weiß, was werdende Eltern in Corona-Zeiten besonders beschäftigt
ZusmarshausenGabelbach Auf Hausbesuche will Petra Maoro in Corona-Zeiten nicht verzichten. Die Hebamme aus Gabelbach weiß genau, wie wichtig diese persönlichen Begegnungen für die werdenden Eltern sind. Vor allem Väter profitieren im Moment davon.
Männer werden seit Beginn der Corona-Pandemie noch mehr vom Prozess des Elternwerdens ausgegrenzt als bisher. Während schwangere Frauen das Ungeborene regelmäßig in ihrem Bauch spüren, bleibt dem Partner nur der Weg zur Kontrolluntersuchung mit der werdenden Mutter. Beim Arzt kann er via Ultraschall in den Babybauch gucken und die Herztöne des Nachwuchses hören. Petra Maoro sagt: „Das fehlt ihnen gerade unheimlich.“Denn Corona macht genau das schwierig. Viele Partner dürfen ihre schwangeren Frauen nicht mehr in die Arztpraxen begleiten. Die Hebamme schätzt, dass 95 Prozent der Arztpraxen so verführen, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus möglichst gering zu halten.
Wenn die 57-Jährige eine Familie besucht, die ein Kind erwartet, lässt sie den Partner deshalb beispielsweise die Herztöne hören. „Das ist so wichtig für ihn“, weiß die Hebamme. Nach einer Geburt kann sie außerdem die erste Untersuchung übernehmen, die sonst meistens noch in der Klinik vorgenommen wird. Viele Frauen überlegten sich in der Corona-Pandemie noch einmal ganz genau, ob sie wirklich in einem Krankenhaus entbinden wollen, erzählt die Hebamme.
Klinik habe da ihre eigenen Regeln, aber oft sei es so, dass der Partner erst am Ende eines stundenlangen Geburtsvorgangs dabei sein dürfe. Die Schwangeren wollen jedoch nicht so lange ohne Begleitung im Kreißsaal sein. Deshalb entscheiden sich einige für eine ambulante
Geburt. Oder sie ziehen gleich eine Hausgeburt in Betracht. Petra Maoro staunt selbst: Sie hat dieses Jahr schon doppelt so viele Hausgeburten betreut wie sonst. „Corona bringt die Frauen dazu, über diese Möglichkeit mehr nachzudenken“, sagt sie. Es seien vor allem diejeniJede gen, die schon ein Kind haben und wissen, was auf sie zukommt. Schwangere und frischgebackene Mütter kämpfen seit der Pandemie mit demselben Problem: Ihnen fehlt der Kontakt zu anderen Eltern. Mit wem sollen sie sich über ihre Ängste und Sorgen austauschen? Wer spricht mit ihnen über Stillprobleme, Windeln und Beckenbodentraining? Sämtliche Gruppen, in denen sie andere Eltern treffen könnten, fallen derzeit aus. Geburtsvorbereitungskurse, Pekip-Gruppen und Rückbildungsstunden finden nur noch im Internet statt. Das kann fatale Auswirkungen haben. Zumal sich manch eine Frau nach einer Geburt ohnehin in einer sogenannten Wochenbettdepression wieder. Fehlen Kontakte, verschärft sich die Situation.
Umso wichtiger ist es für die Eltern eines Neugeborenen, dass eine Hebamme für sie da ist. Auch nach der Geburt. Petra Maoro legt bei ihren Besuchen Wert auf eine FFP2-Maske, sagt sie. „Klar, ich halte natürlich Abstand, so gut es geht, und ich desinfiziere alles.“Anders als früher bleibt die große Hebammentasche jetzt auch daheim. Petra Maoro nimmt nur das Nötigste mit zu ihren Hausbesuchen. Medikamente, die sie früher oft dabeihatte, besorgen die Frauen sich nun selbst. Manch eine Familie habe sogar eine eigene Babywaage angeschafft, erzählt die Hebamme. Im Moment betreut Petra Maoro im Durchschnitt drei Hausgeburten pro Monat.
Außerdem kümmert sie sich um die Nachsorge. Manchmal fährt sie bis Aichach oder Sontheim an der Brenz in Baden Württemberg, um ihren Frauen zur Seite zu stehen. Trotz der steigenden Nachfrage wird es offenbar immer schwieriger, eine Hebamme zu finden, die noch Hausgeburten ermöglicht. Wenn Petra Maoro Unterstützung braucht, bittet sie Kollegen in Friedberg, Krumbach, Augsburg oder Schwabmünchen um Hilfe. Bis Oktober seien sie eigentlich ausgebucht, erzählt sie.
Viel Zeit zum Erholen bleibt ihnen nicht. „Man ist immer in Bereitschaft“, berichtet Petra Maoro von ihrem Alltag. Die Gabelbacherin ist selbst vierfache Mutter. An gemeinsame Fahrradausflüge, ein Glas Wein am Abend oder einen spontanen Urlaub denkt sie oft. Möglich ist all das im Moment aber eher nicht. Jederzeit könnte das Telefon klingeln, weil eine Geburt ins Haus steht. Ein kräftezehrender Job, den sie seit 25 Jahren in Vollzeit macht. „Kleine Pausen gönne ich mir schon“, sagt sie. Mal ein Eis in der Sonne oder ein paar Minuten Ruhe auf einer Parkbank. Spätestens im April will sie sich nun eine längere Auszeit nehmen.