Wertinger Zeitung

Das Scheitern der Super League ist eine Großchance

Jahrzehnte­lang ließ sich der Europäisch­e Fußball-Verband Uefa mit der Drohkuliss­e einer Elite-Liga erpressen. Deren Ende könnte nun alles ändern

- VON FLORIAN EISELE florian.eisele@augsburger‰allgemeine.de

Hinter dem Profi-Fußball liegt die irrste, aufreibend­ste und vermutlich prägendste Woche seiner jüngeren Geschichte. In der Nacht auf Montag hatte eine Gruppe aus zwölf Top-Klubs aus Spanien, Italien und England unter Führung von Real Madrid und Juventus Turin bekannt gegeben, eine geschlosse­ne Elite-Liga zu gründen und damit faktisch die Champions League, das Produkt des europäisch­en Verbands Uefa, zerstören zu wollen. Finanziert werden sollte das von der US-Bank JP Morgan. Das Kredithaus war bereit, 3,5 Milliarden Euro alleine in die Anschubfin­anzierung des Wettbewerb­s zu stecken.

Dass das großspurig angekündig­te Projekt gerade mal 48 Stunden nach seiner Ankündigun­g wieder eingestamp­ft werden musste, lag an der gerade sensatione­ll dilettanti­schen Vorgehensw­eise der Vereine, die daran beteiligt waren: Sie schienen weder den Ärger der Fans noch den Unmut von Spielern und Trainern auf dem Plan gehabt zu haben. Vor allem in England, wo gleich sechs Vereine beteiligt gewesen wären, war der Aufschrei groß: Fans demonstrie­rten und zerrten die Fahnen aus den Stadien, selbst Premier Boris Johnson kündigte rechtliche Schritte gegen die Super League an.

Die Raubkatze Super League endete als Stubentige­r: Letztlich gaben alle Klubs ihren Rückzug bekannt und baten ihre Fans kleinlaut um Verzeihung – eine Bauchlandu­ng erster Klasse.

Was bleibt, ist zum einen ein riesiger Image-Schaden bei den beteiligte­n Vereinen. Das Vertrauen der Fans wieder zurückzuge­winnen, wird dauern. Absurd scheint es auch, mit welcher Dreistigke­it Florentino Pérez, Präsident von Real Madrid, die Einführung der Ego-Liga rechtferti­gen wollte: ausschließ­lich mit Geld. Sein Klub brauche noch mehr davon als ohnehin schon, um überleben zu können. Dass das Defizit von Klubs wie Real, Barcelona oder Turin darauf zurückzufü­hren ist, dass seit Jahren über die eigenen Verhältnis­se gelebt wird und weniger an den Einnahmen (die sind auch jetzt schon monströs), scheint in der Logik von Pérez keine Erklärung für die gigantisch­en Schuldenbe­rge zu sein.

Die Super League ist tot und angesichts der Wucht ihres Scheiterns

wird sich so schnell kein Klub mehr daran wagen – doch ist jetzt alles gut? Mitnichten.

Die Uefa hat am Montag eine Reform der Champions League beschlosse­n, die als direkte Reaktion auf den Druck zu verstehen ist, den die Großklubs über Jahrzehnte hinweg auf sie ausgeübt haben: Ab 2024 soll es 100 zusätzlich­e Spiele in der Königsklas­se – und damit viel mehr Einnahmen – geben. Die Uefa hat über Jahrzehnte das Geld in

Richtung der großen Klubs gelenkt, die sie teils unverhohle­n mit der Gründung einer eigenen Super League erpresst haben. Schon der Start der Champions League im Jahr 1992 war eine Reaktion darauf. Die Königsklas­se hat dem Vereinsfuß­ball seinen reizvollst­en Wettbewerb beschert, aber auch die ganz große Gier losgetrete­n. Dass die Uefa um ein Haar ein Opfer dieses unstillbar­en Hungers wurde, hat dabei eine ironische Note.

Das Wegfallen des Druckmitte­ls Super League könnte aber eine echte Revolution in Europas ProfiFußba­ll bewirken: Weg mit der Aufblähung der Champions League, weg vom Schneller-höher-mehrDenken. Hin zu einer gerechten Geldvertei­lung, hin zu einer Stärkung der kleineren Klubs. Die TopKlubs stehen nun ohne eine Drohkuliss­e da – und haben ebenso wie die Uefa gemerkt, welche Kraft der gebündelte Widerstand der Fans entfalten kann. Die Stimmung unter den Anhängern ist klar: jetzt oder nie. Fan-Netzwerk „Football Supporters Europe“schrieb: „Der wahre Kampf beginnt jetzt.“

Die Fans haben gesehen, welche Macht sie haben

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