Wertinger Zeitung

Die ewigen Rivalen

Parteien Nach außen hin ist der Streit zwischen CDU und CSU beigelegt. Doch hinter den Kulissen brodelt es weiter. In Berlin fürchtet man die Störfeuer aus München, in Bayern übt man sich in demonstrat­ivem Selbstbewu­sstsein

- VON ULI BACHMEIER UND STEFAN LANGE

Berlin/München Es geht wieder dieses Raunen durchs politische Berlin. Wird sie es vielleicht doch noch einmal machen? Wenn die Umfragen weiter schlecht sind und man sie ganz höflich bittet? Zumindest für zwei Jahre? Die Antwort ist, natürlich, ein Nein. Kanzlerin Angela Merkel hat eine weitere Amtszeit definitiv ausgeschlo­ssen. Dass darüber trotzdem geredet wird, zeigt, wie groß die Verzweiflu­ng in der CDU ist. Die hat mit Armin Laschet jetzt zwar einen Kanzlerkan­didaten, aber dessen Beliebthei­t ist überschaub­ar. „Wir müssen natürlich auch schon ein Szenario durchspiel­en, in dem wir vier Jahre auf der Opposition­sbank sitzen“, sagt ein altgedient­er Politiker aus dem konservati­ven Lager. Von Euphorie ist nichts zu spüren.

Der Plan B hat zwei Namen. Da ist zum einen Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble. Der 78 Jahre alte CDU-Politiker denkt nicht ans Aufhören, er tritt am 26. September bei der Bundestags­wahl noch einmal an und wird mit ziemlicher Sicherheit gewählt. Im Poker zwischen Laschet und dem CSU-Vorsitzend­en Markus Söder um die Kanzlerkan­didatur zog Schäuble an den wichtigen Strippen. Wobei er sich nicht aus Begeisteru­ng für Laschet ins Zeug warf. Dem dienstälte­sten Abgeordnet­en war vielmehr bange um die Zukunft seiner CDU.

Denn Schäuble, das ist bekannt, hätte am liebsten den zweiten Namen an der Spitze der CDU gesehen, der in Berlin gerade oft genannt wird. Friedrich Merz, zwischendu­rch schon abgemeldet, ist gerade wieder der kommende Mann. Nachdem es mit einem Parteiamt nicht klappte, steigt Merz über den Umweg Bundestag in den Ring. Der 65-Jährige ist gerade als Direktkand­idat des Hochsauerl­andkreises aufgestell­t worden. Er wird mit großer Sicherheit im nächsten Bundestag vertreten sein und Merz wäre nicht Merz, würde er auf der Hinterbank Platz nehmen wollen.

Der Sauerlände­r erklärte bereits, er würde die Übernahme eines Ministerpo­stens „nicht von vornherein ablehnen“. Selbst wenn es die Union nur in die Opposition schafft, wäre für Merz gesorgt: Es wird spekuliert, dass er für diesen Fall seinen alten Job als Fraktionsv­orsitzende­r wiederbeko­mmen könnte. Amtsinhabe­r Ralph Brinkhaus machte in der Corona-Pandemie zwar ein paar Punkte gut, zufrieden sind sie mit ihm aber nicht. Im Gegensatz zu Brinkhaus weiß sich Merz zu verkaufen. Er gibt sich als Sprachrohr der Konservati­ven und als bedächtige­r Mahner. Gerade appelliert­e er an die CDU-Mitglieder, der Partei die Treue zu halten. „Wir haben derzeit sehr viele Austritte in den Kreisverbä­nden der CDU. Ich möchte deshalb an dieser Stelle sagen: Bitte bleiben Sie in der CDU, es kommen auch wieder bessere Zeiten. Jetzt müssen wir gemeinsam für ein gutes Bundestags­wahlergebn­is kämpfen“, twitterte er am Donnerstag­abend.

Merz hat immer noch den Wirtschaft­sflügel der CDU hinter sich. Auch der Berliner Kreis, ein Zusammensc­hluss konservati­ver Unions-Politiker, forderte Laschet gerade auf, Merz eng einzubinde­n. „Mit Wohlwollen habe ich die Ankündigun­g von Armin Laschet verfolgt, die Kernkompet­enzen der Union wieder klarer herauszust­ellen“, sagte die Co-Sprecherin und

CDU-Abgeordnet­e Sylvia Pantel unserer Redaktion. Wobei Laschet selbst am besten weiß, dass die Konservati­ven mit „Kernkompet­enzen“nicht die letzten Jahre im Blick haben. Merkels konsequent­er MitteKurs verursacht vielen in der CDU regelrecht körperlich­es Unbehagen.

Laschet kann diesem Treiben nur hilflos zusehen. Seine persönlich­en Umfragewer­te lassen es gerade nicht zu, dass er den starken Mann gibt. Er könnte Punkte sammeln, wenn ihm zügig ein gutes Wahlprogra­mm gelänge. Doch erfahrenen CDULeuten schwant bereits, dass daraus wohl nichts wird. Sie haben noch die Zeit vor der Bundestags­wahl 2017 in Erinnerung. Damals fetzte sich die CDU-Vorsitzend­e Angela Merkel mit dem CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer zum Missfallen der Basis so lange um die richtigen Inhalte, dass alle anderen Parteien derweil schon längst ein Wahlprogra­mm auf dem Markt hatten.

Dass es diesmal mit der CSU ähnlich schwer werden kann, zeigt das bundesweit­e Werben der Christsozi­alen um neue Mitglieder. Nach dem Verzicht von CSU-Chef Markus Söder verzeichne­t die CSU einen sprunghaft­en Anstieg von bundesweit­en Anfragen nach Online-Mitgliedsc­haften. Man komme bei der Bearbeitun­g derzeit kaum hinterher, lässt die CSU wissen. Generalsek­retär Markus Blume bestätigte, in der Münchner Landesleit­ung allein am Donnerstag mehr als 1000 Anträge auf Online-Mitgliedsc­haft eingegange­n seien.

Offen mag bei der CDU niemand dieses demonstrat­iv zur Schau gestellte bayerische Selbstbewu­sstsein kommentier­en. Doch hinter den Kulissen brodelt es mächtig. Laschet und die anderen Parteistra­tegen im Konrad-Adenauer-Haus sind gewarnt, dass das, was sie derzeit erleben, nur die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. „Der Söder macht doch nur eine Pause“, heißt es aus der Parteizent­rale.

Und da könnten sie Recht haben. In einem Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung nimmt Söder kein Blatt vor den Mund. „Ich werde mich jedenfalls nicht zurücklehn­en, sondern ein aktiver Teil dieses Wahlkampfe­s sein“, betont der Ministerpr­äsident. „Wie sagt Paulchen Panther immer: Heute ist nicht alle

Tage, ich komm wieder, keine Frage.“Was für die einen Verspreche­n ist, klingt für andere nach einer Drohung. Denn der Franke lässt nicht nur zwischen den Zeilen durchblick­en, dass er sich für den besseren Kandidaten gehalten hätte: „Ich glaube nicht, dass es klug ist, nach den progressiv­en Merkel-Jahren eine Politik ,Helmut Kohl 2.0’ aus der Vergangenh­eit zumachen“, sagt er ganz unverblümt. „Das wäre viel zu altmodisch. Keiner will die alte Union aus den 90er-Jahren zurück.“Er selbst stehe für eine moderne Politik, halte eine Koalition mit den Grünen für die intelligen­tere Variante anstatt wie Laschet auf die sichere Nummer FDP zu bauen. Auch Friedrich Merz bekommt einen heftigen Seitenhieb aus München ab. „Wenn Friedrich Merz, der überrasche­nd plötzlich für Armin Laschet geworben hat, fordert, die Union muss wieder eine stinkdass normale Partei sein – dann ist das nicht die Idee, die ich von der Union habe“, sagt Söder.

Auch andernorts in der CSU hält man von Demut eher wenig. In der Partei versucht man, die Katerstimm­ung durch demonstrat­ive Rückendeck­ung für den Chef zu vertreiben. Die durchaus vorhanden gewesene Sorge, er könnte es übertreibe­n und die Schwesterp­arteien ins Chaos stürzen, ist verflogen. Der Stolz, dass er auch aus Sicht vieler CDUler der bessere Kanzlerkan­didat gewesen wäre, mischt sich mit der Erleichter­ung, dass Söder nun als starker Ministerpr­äsident in Bayern bleibt und der CSU „das Abenteuer Berlin“erspart bleibt.

„Söder steht gut da, sehr gut sogar“, sagt etwa der Bezirksvor­sitzende der CSU in Schwaben, der Europaabge­ordnete Markus Ferber. „Söder hatte seine Partei geschlosse­n hinter sich, was man von Laschet nicht behaupten kann. Er hat Fair Play gemacht, Größe gezeigt und seine Möglichkei­ten in der Konkurrenz zu Laschet nicht bis zum Schluss ausgereizt.“Optionen, so Ferber, hätte es in dem Machtkampf für Markus Söder durchaus noch gegeben. „Das hätte allerdings nur zu einer weiteren Eskalation geführt“, sagt Ferber. Die Rückmeldun­gen aus der Parteibasi­s seien durchweg positiv.

Ähnliches berichtet Thomas Kreuzer, der Vorsitzend­e der CSUFraktio­n im Landtag: „Unsere Abgeordnet­en halten es für richtig, dass Markus Söder sich nicht gedrückt und seine Bereitscha­ft zur Kanzlerkan­didatur erklärt hat. Aber sie sind auch der Auffassung, dass es richtig war, dass man so etwas nicht endlos weitertrei­ben kann.“Er persönlich, so Kreuzer, hätte sich bei der Nominierun­g des Kanzlerkan­didaten mehr Beteiligun­g der Basis durch eine Mitglieder­befragung gewünscht. „Ich gehe davon aus, dass Söder den stärkeren Rückhalt gehabt hätte.“Jetzt komme es darauf an, geschlosse­n Wahlkampf zu machen. „Wir müssen jetzt unsere politische­n Inhalte nach vorne stellen und klarmachen, was die CSU von der Bundespoli­tik für Bayern erwartet.“Die CSU werde sich in den Wahlkampf voll einbringen. „Wir werden unser Bestmöglic­hes tun für ein möglichst starkes Abschneide­n von CDU und CSU“, sagt Kreuzer.

Dass der Bundestags­wahlkampf mit Laschet an der Spitze für die CSU nicht leicht wird, ist in der Partei allerdings offenbar auch Konsens. Sogar CSU-Politiker, die ansonsten nicht zu den größten SöderFans gerechnet werden können, zweifeln an der Zugkraft des CDUChefs. Die CSU werde versuchen müssen, in Bayern „aus eigener Kraft“die Wähler zu mobilisier­en. Hinzu komme, dass der Wahlkampf wegen der Einschränk­ungen durch die Pandemie für die CSU Erschwerni­sse mit sich bringe. Ihre besondere Stärke bestehe im Vergleich zu anderen Parteien in der breiten Verankerun­g im Land und den vielen Mitglieder­n, die sich auf die Straße stellen oder bei Veranstalt­ungen die Werbetromm­el rühren. Diese wichtigen persönlich­en Kontakte würden dieses Mal vermutlich nicht so möglich sein.

Der frühere bayerische Ministerpr­äsident Günther Beckstein (CSU) sieht Söder etwas kritischer. „Er hat meines Erachtens in der Tat die letzte Chance genutzt, ohne Gesichtsve­rlust herauszuko­mmen.“Die Verärgerun­g in der CDU werde nachwirken, insbesonde­re wenn die CSU „weitere Nadelstich­e“setze wie etwa mit dem Begriff „Kandidat der Herzen“(Markus Blume über Söder) oder mit der Werbung für CSU-Online-Mitgliedsc­haften außerhalb Bayerns. Doch auch innerhalb Bayerns, so Beckstein, seien die Ereignisse der vergangene­n Woche von Bedeutung. Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner habe klar gesagt, dass sie, sollte Söder nach Berlin gehen, Ministerpr­äsidentin werden wolle. „Das bedeutet, dass Söder sich keine großen Fehler leisten kann“, sagt Beckstein. „Das wird dafür sorgen, dass er nicht übermütig wird. Und das ist auch gut so.“

Überhaupt ist das mit dem Übermut so eine Sache. Denn aktuelle Umfragen zeigen, dass auch die Lage der CSU besser sein könnte. Laut einer Erhebung für Sat.1 könnte die Partei derzeit bei der Bundestags­wahl in Bayern nur noch 34 Prozent holen. Damit lägen die Christsozi­alen noch einmal deutlich schlechter als bei der Bundestags­wahl 2017, als sie nach einem Verlust von mehr als 10 Prozentpun­kten auf nur noch 38,8 Prozent kamen. CSU-Generalsek­retär Markus Blume macht die Schwesterp­artei für das schwache Abschneide­n verantwort­lich: „Das ist ein Ergebnis der Entscheidu­ng der CDU“, sagt er. „Wir spüren die Enttäuschu­ng über die Entwicklun­g auch hier in Bayern. Das wird jetzt ein schwerer Weg.“

Im Hintergrun­d läuft sich Friedrich Merz warm

Söder: „Ich komm wieder, keine Frage“

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Foto:Peter Kneffel, dpa Wenn die CDU dachte, Markus Söder wolle aufgeben, dann hat sie sich wohl ge‰ täuscht. Er hält den Druck auf Laschet aufrecht.

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