Aufstand der Schauspieler
Pandemie Mehr als 50 Darsteller aus Film und Fernsehen verabreden sich zu einer gemeinsamen Protestaktion gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Die Reaktionen sind teilweise heftig
Berlin/Stuttgart Soll das nun ernst gemeint sein? Ironisch? Oder satirisch? Das haben sich viele Nutzer sozialer Netzwerke gefragt, als am Donnerstag unter dem Schlagwort #allesdichtmachen eine Aktion startete, an der mehr als 50 prominente Schauspielerinnen und Schauspieler beteiligt sind. Sie kritisieren in kurzen Videoclips Corona-Maßnahmen, machen sich teils über sie lustig – oder wollen auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen. Ganz klar wird Zuschauern jedoch nicht, was genau sie bezwecken.
Und so fielen erste Reaktionen gemischt aus. Neben scharfer Kritik gab es Zustimmung. Auch, weil bekannt ist, wie schlecht es gerade der Film- und Fernsehbranche geht. Seit mehr als einem Jahr bleiben Aufträge aus; Kulturschaffende beklagen, von der Politik vergessen worden zu sein und nicht als „systemrelevant“anerkannt zu werden.
Ulrich Tukur etwa fordert denn auch in einem Beitrag für die Aktion – ernsthaft? ironisch? – die Schließung jeder menschlichen Wirkungsstätte. In einem Interview mit unserer Redaktion hatte er vor kurzem gesagt, dass „der Tod nicht wegzuadministrieren ist“.
In den jeweils etwa einminütigen Videos von #allesdichtmachen sieht man die TV- und Filmstars meist in Innenräumen, in Wohnungen.
Schauspielerin Nadja Uhl sitzt auf einem Sofa. „Tatort“-Ermittler Richy Müller hat als Hintergrund das Schwarz-weiß-Foto einer Großstadt gewählt. Er hält eine Mülltüte in jeder Hand, aus einer atmet er Luft ein, in die andere atmet er sie aus. Ihm zufolge aus Sorge um das Coronavirus. Dadurch, dass er die Raumluft nicht aufnehme, schütze er sich und andere. „Es gibt so viele Egoisten“, erklärt er – und gibt ebenjenen die Schuld daran, dass „alles so schlimm ist“. Sein Beitrag endet mit dem Satz: Wenn jeder die „Zwei-Tüten-Atmung benutzen würde, hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr. Ich gehe jetzt mal Luft holen.“Eine Kritik an der Maskenpflicht?
Schauspieler Jan Josef Liefers – der Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne aus dem Münster-„Tatort“– wiederum bedankt sich in seinem Video in ironischem Tonfall „bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben“. Und dass sie dafür sorgten, „dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung“. Einige Zeitungen hätten damit begonnen, alte überwunden geglaubte Vorstellungen von kritischem Journalismus wieder aufleben zu lassen – „dagegen müssen wir uns wehren“, wir sollten „einfach nur allem zustimmen und tun, was man uns sagt“. Schließlich sagt er: „Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln Sie nicht.“Was genau er mit all dem meinte, bleibt im Unklaren – Kritiker bemängelten, er spreche von „Lügenpresse“, ohne den Kampfbegriff in den Mund zu nehmen.
Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, sieht in der Aktion „den Versuch einer Satire“. „Die Aktion ist missglückt, und am Ende bleibt der bittere Geschmack des Hohns“, sagte er im
Gespräch mit unserer Redaktion. Satire dürfe Menschen emotional anfassen, kluge Satire bringe sie zum Lachen. Er habe Beiträge der Aktion allerdings als „übergriffig und überhaupt nicht lustig“empfunden. Die Aktion zeige ihm, so Blume, dass auch intelligente Leute in Verschwörungsmythen abstürzen könnten. Ein Vorwurf, den er auch Liefers macht. An dessen Beitrag kritisiert Blume etwa, dass darin Medien pauschal abgesprochen werde, sachgemäß zu berichten – etwas, das ihn an die „Querdenken“-Bewegung oder an Rechtspopulisten erinnere, denen hier in die Hände gespielt werde. Tatsächlich stieß die Aktion in diesen Kreisen auf Begeisterung. Nach heftiger Kritik distanzierte sich Liefers schnell von „Querdenkern“, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern oder der AfD. Michael Blume sagte dazu: „Eine ehrliche Entschuldigung hielte ich für glaubwürdiger als halbherzige Distanzierungen.“Liefers’ Kollegin Nora Tschirner kommentierte dessen Beitrag fassungslos wie folgt: „Wird’s schon boring (langweilig,
die Red.) im Loft und im Brandenburger Landhaus? Jetzt doch mal raus wagen und n büschn kokeln ...?“
Auch Elyas M’Barek wurde deutlich – in seiner Kritik an Volker Bruch („Babylon Berlin“). Der verwendet in seinem einminütigen Videoclip 13 Mal das Wort „Angst“und suggeriert – ernst gemeint oder beißende Ironie? –, dass die Bundesregierung diese Angst schüre. Bruch appelliert an die Regierung: „Macht uns mehr Angst.“Die Menschen im Land bräuchten diese Angst jetzt. M’Barek dazu: „Come on, das ist doch Blödsinn. Was unterstellst du denn da unserer Regierung?“Mit Zynismus sei keinem geholfen.
Inzwischen distanzierten sich ein paar Promis von der Aktion. TVStar Heike Makatsch bat um Verzeihung. „Ich erkenne die Gefahr, die von der Corona-Pandemie ausgeht und will niemals das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen schmälern“, schrieb sie auf Instagram.
Antisemitismusbeauftragter fordert Entschuldigung