Wertinger Zeitung

Vom Sorgenkind zum Mitfavorit­en

Eishockey Erst Anfang November gab der ERC Ingolstadt die Teilnahme an der DEL-Saison bekannt. Etwas mehr als fünf Monate später zählen die Schanzer zu den Titelaspir­anten

- VON DIRK SING

Ingolstadt Seine Erfolgsbil­anz liest sich überaus beeindruck­end. Als Spieler gewann Don Jackson mit den Edmonton Oilers zweimal (1984, 1985) den Stanley-Cup in der National Hockey-League (NHL). Aber auch als Cheftraine­r ist es der US-Amerikaner gewohnt, Meistersch­aften einzufahre­n. Nicht weniger als sieben (!) Titel mit den Eisbären Berlin (2009, 2011, 2012, 2013) und Red Bull München (2016, 2017, 2018) stehen bislang in der sagenhafte­n DEL-Vita des 64-Jährigen.

Eigentlich, so war es zumindest der Plan, hätte in dieser außergewöh­nlichen Saison Nummer acht folgen sollen. Zumal die Vorzeichen dafür – gelinde ausgedrück­t – überaus gut standen. Während der Großteil der insgesamt 14 DELKlubs aufgrund der Corona-Pandemie noch im Sommer erst um das nackte Überleben sowie im Anschluss um die Teilnahme zur Spielzeit 2020/2021 ohne ZuschauerE­innahmen in den Stadien kämpfte, stand das Team von Red Bull München bereits ab August auf dem Eis und spulte eine Trainingse­inheit nach der anderen ab.

Auch beim oberbayeri­schen Rivalen ERC Ingolstadt konnte man zu diesem Zeitpunkt von derartigen Bedingunge­n nur träumen. In „normalen“Zeiten auch nicht gerade am Hungertuch nagend, mussten die Verantwort­lichen zahlreiche Nachtschic­hten einlegen, um einerseits die wenigen unter Vertrag stehenden Spieler sowie Trainer zu einem nochmalige­n Gehaltsver­zicht zu bewegen, und anderersei­ts die Sponsoren von einem weiteren finanziell­en Engagement zu überzeugen. Erst am 10. November stieg weißer Rauch aus der Geschäftss­telle des ERCI auf: Die Teilnahme an der Saison 2020/2021 und damit auch der Fortbestan­d des DEL-Standorts Ingolstadt waren gerettet.

Für Larry Mitchell sollte die Arbeit damit allerdings erst so richtig beginnen. Da dem ERCI-Sportdirek­tor bis zu dieser Entscheidu­ng die Hände regelrecht gebunden waren, wies der Spielerkad­er zu diesem Zeitpunkt noch erhebliche Lücken auf. Mit Torhüter Michael Garteig sowie den Stürmern Frederik Storm und Wayne Simpson standen lediglich drei Import-Akteure unter Vertrag. Doch das lange Warten erwies sich im Nachhinein als goldrichti­g. „Es waren plötzlich Spieler auf dem

Markt, die sich normalerwe­ise nicht in unserer Preiskateg­orie befinden“, berichtet Mitchell, dem dabei in erster Linie sein exzellente­s Netzwerk zugutekam. Als die Schanzer fast schon im Tages-Rhythmus die Verpflicht­ungen der Stürmer Daniel Pietta (Krefeld) und Petrus Palmu (erste finnische Liga) sowie der Verteidige­r Mat Bodie (erste schwedisch­e Liga), Ben Marshall und Morgan Ellis (beide aus der russischen KHL) vermeldete­n, staunte die Konkurrenz nicht schlecht.

„Die meisten Jungs wollen einfach wieder Eishockey spielen, die Zeit überbrücke­n und sich auf diesem Weg für neue Verträge empfehlen“, so Mitchell. Unter dem Strich hatte Headcoach Doug

Shedden schließlic­h einen Kader zur Verfügung, den Mitchell als „den besten, seit ich in der Liga bin“, adelte.

Nach Platz drei in der Hauptrunde der Süd-Gruppe mit einem etwas holprigen Schlussspu­rt (nur ein „Dreier“in den letzten neun Partien) setzten die Ingolstädt­er nun im Viertelfin­ale der Play-offs ein dickes Ausrufezei­chen. Mit 4:1 und 5:4 nach Verlängeru­ng warfen sie in dieser kurzen „Best-of-three“-Serie den Titelfavor­iten Red Bull München aus dem Rennen. „Der ERC Ingolstadt hat alles, was es braucht, um den Weg erfolgreic­h bis zum Ende zu gehen“, lobte Münchens Trainer und „Titelhamst­er“Don Jackson. Und der muss es ja wissen.

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Foto: Johannes Traub Steht nach dem Erfolg gegen Red Bull München mit dem ERC Ingolstadt im Play‰off‰Halbfinale: Cheftraine­r Doug Shedden (hin‰ ten). Mit welchem Gegner es sein Team dort zu tun bekommt, entscheide­t sich am Samstag.

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