Eine besondere Radtour durch die Region
Eigentlich passen Rennrad und E-Bike auf einer Radtour überhaupt nicht zusammen. Auf der Runde durch den Norden der Westlichen Wälder zeigen sich Bernd-Leo Geier und unser Reporter durchaus kompatibel
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Landkreis Rennrad und E-Bike – das passt eigentlich überhaupt nicht zusammen. Das ist ein bisschen so wie Pat & Patachon oder Walther Matthau und Jack Lemmon in das „Das seltsame Paar“. Der leidenschaftliche und langjährige Rennradfahrer Bernd-Leo Geier hat unseren Autor, einen absoluten Novizen in Sachen Radfahren, trotzdem auf die Runde durch den nördlichen Teil der Westlichen Wälder mitgenommen und ihn in die Geheimnisse anspruchsvoller Radtouren eingeweiht.
„Immer mit dem Fußballen treten“, lautet sein erster
Rat, nachdem er zunächst einmal den Sattel des blutigen Anfängers justiert hat. „Antizipierend fahren“lautet der nächste Rad(t)schlag. Stimmt: Sonst kann es nämlich durchaus passieren, dass man absteigen muss, wenn man nicht rechtzeitig genug in den richtigen Gang geschaltet hat.
Start und Ziel ist an der bekannten Ausflugsgaststätte Peterhof, der westlichste Punkt der Stadt Gersthofen. Dort kann man am Parkplatz das Auto abstellen. In westlicher Richtung führt der Radweg entlang der Staatsstraße 2036 durch Heretsried und Lauterbrunn über eine Kette von fünf Hügeln, die dem Radler schon zu Beginn die ersten Höhenmeter abverlangen.
Diese Berg- und Talfahrt verdeutlicht den Unterschied zwischen den beiden Stahlrössern. Auf der Geraden zieht der Rennradler am E-Biker vorbei, dass der glaubt, rückwärts zu fahren. Bergauf, wie am Ortsende von Heretsried, offenbart der Elektromotor seine Vorteile. Während Leo Geier im Wiegetritt aus dem Sattel steigt, kann der E-Bike-Fahrer eine Stufe zuschalten. Bei den Abfahrten läuft das Rennrad ebenfalls schneller.
Mit Karacho geht es nach Lauterbrunn hinunter und richtig schnell wird es vor dem Eisweiher in Emersacker. „Vorsicht Krötenwanderung“warnt ein Schild. Hoffentlich quert jetzt keines dieser Tiere die Fahrbahn, schießt es einem da durch den Kopf. Ein Ausweichmanöver wäre bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h sicherlich nicht ungefährlich. Unten am Eisweiher beschweren sich lauthals quakende Gänse über die Störung ihrer Morgenruhe.
Immerhin noch 27 km/h werden auf der Radarmessanlage am Ortseingang von Emersacker angezeigt. Am dortigen Fuggerschloss muss man sich in der abknickenden Vorfahrt links Richtung Welden orientieren. Nach 600 Metern führt dann rechts eine Abzweigung zum Radweg ins Tal der Laugna und zur neuerbaute „Huberkapelle“. Dieses Holzgebäude in modernem Baustil gehört zum Architekturprojekt der Denzel-Stiftung mit sieben Kapellen entlang des schwäbischen Donau-Radwegs (www.7kapellen.de). Nicht nur die beiden ungleichen Radler verweilen hier einen Moment, auch zwei Ehepaare aus Diedorf. Am Ende des Laugnawegs geht es rechts auf den steil ansteigenden Radweg entlang der Staatsstraße 2032. „Aber Vorsicht! Nicht von der bunten Deutschland-Kuh des Griblhofs 15 Meter zu früh auf die falsche Fährte locken lassen“, lacht Geier. Zu spät!
Nach circa einem Kilometer führt rechts eine kleine Waldstraße Richtung Wertingen. Auf halber Strecke nach Rischgau tangiert man das ehemalige Militärgelände Lerchenberg, das Kultregisseur Marcus H. Rosenmüller 2018 als Kulisse für seinen Fußballfilm „Trautmann“nutzte. Äußerste Konzentration ist bei der schmissigen Abfahrt in den Ort Rischgau geboten. Die LinksRechts-Kurve am Ende hat es in sich. Die Zusam gibt nun die Richtung über Zusamaltheim, Roggden bis nach Wertingen vor. Achtung: an der Zusambrücke bei Zusamaltheim muss man als Rennradler mit
ganz schmalen Pneus links in den Ort, um dann in die Alemannenstraße einzubiegen, um wieder den Schildern „Wertingen“folgen zu können. Von Geratshofen aus Richtung Wertingen geht es zunächst unter dem Kreisverkehr hindurch, dann über die Zusambrücke nach rechts in die Kanalstraße. An deren Ende eröffnen sich dem Radler drei Möglichkeiten.
Erstens: Wer die Tour um circa 20 Kilometer verkürzen möchte, biegt rechts in die Gottmannshofer Straße ein und folgt fortan den grün-weißen, nicht immer auf den ersten Blick erkennbaren Radwegschildern Richtung Biberbach, um über Bliensbach und Prettelshofen schließlich in Rieblingen wieder auf den Originaltrack zu stoßen.
Zweitens: Wer eine Pause in einem der Eiscafés des idyllischen Wertinger Ortskerns einlegen will, biegt nach links ins Zentrum.
Drittens: weiter am Kreisverkehr rechts in die Industriestraße bis zur Großgärtnerei Reiter. Jetzt – immer den Wegweisern Buttenwiesen folgend – erwartet den Radler ein flacher Abschnitt bis nach Unterthürheim und schließlich Buttenwiesen. „Nur Gegenwind sollte es halt nicht haben“, meint Geier.
An der Kirche in Buttenwiesen fährt man rechts und nach 200 Metern sofort wieder links zur Firma Erwin Müller. Am Ende der leicht ansteigenden Straße rechts halten und sich am Wegweiser „Neuweiler“orientieren. Schon lockt nach einer scharfen Linkskurve Pfarrer Kneipp mit einer Wassertretanlage. Ein ambitionierter Rennradsportler wie Bernd-Leo Geier wird sich eher durch den steilen Anstieg zu den drei Windkrafträdern angestachelt fühlen.
Der Lützelburger, in dessen Wohnzimmer ein Rennrad von Franceso Moser aus den 80er-Jahren als Museumsstück parkt, ist ein Allroundsportler wie er im Buche steht: Als junger Mann war er als Semi-Professional Dritter der deutschen Rangliste im Windsurfen. „Deshalb habe ich auch mein Lehramtsstudium verschoben. Sonst wäre ich am Ende noch Beamter geworden“, lacht Geier. So war er als
Manager in der IT-Branche tätig, bis ihm die ständigen 70-StundenWochen über den Kopf gewachsen sind. Später hat er als Kommunikationscoach und Sportpädagoge gearbeitet. Als Rentner genießt er nun seine Freiheit: „Manchmal fahre ich einfach los und weiß nicht wohin.“Sein Gravelbike, ein Rennrad mit breiteren Reifen, lässt ihm dazu genügend Raum. „Das ist eine Allzweckwaffe, damit kann man auch mal einen Waldweg fahren“, grinst der 66-Jährige, den man auch beim Standup-Paddeln auf dem Lech antreffen kann. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Vom Wettkampfgedanken hat er sich längst verabschiedet: „Es geht um Gesundheit und Fitness.“
Dazu gehört auch innere Ruhe. Die hat man in dieser Ecke der Tour mit Kühen auf steilen Wiesen. Da ist Allgäu-Feeling angesagt. Über steigungsfreie Feldwege geht es über das verträumt-abgelegene Neuweiler bis nach Ehingen. Links liegt das Kloster Holzen, wohin ein kurzer Abstecher eine vielleicht lohnende Einkehr-Option wäre. Der nördlichste Punkt der Tour ist erreicht.
Von nun an ist erneut hügeliges Gelände und Höhenmeterkurbeln angesagt. Bei Kilometer 43,3 zwingt eine scharfe Rechtskurve am Wegweiser nach Blankenburg zur Aufmerksamkeit. Nachdem man den Fuß des markanten Wasserturms erklommen hat, führt der Weg weiter über die Weiler Ahlingen, Fertingen nach Hirschbach. Auf Höhe des Dorfs Possenried erfordert das Linkseinbiegen in die Staatsstraße 2382 erhöhte Vorsicht. Aber schon nach einem knappen Kilometer entspannt sich die Lage, wenn man den malerischen Asphaltweg nach Neuschenau, das nur zwei Bauernhöfe zählt, befährt.
Etwas später tut sich bei kerzengerader Feldstraße eine gewaltige Senke auf. Am Ende des Gegenhangs gleicht das Ortsschild von Rieblingen einer Zielflagge, die zu einem fulminanten Bergsprint animiert. „Dieses sportliche Spektakel um den virtuellen Gewinn des Bergtrikots kann man hier oft bestaunen, wenn Rennradler in der Gruppe unterwegs sind und tiefsitzende Urinden stinkte und der Spaß am sich gegenseitigen Messen die Oberhand gewinnen“, sagt Bernd-Leo Geier, der auch Sozialpsychologie studiert hat.
Diesmal jedoch ist alles anders: Das ungleiche Radler-Paar pedaliert gemütlich und einträchtig nebeneinander und in der frischen Frühlingsluft
ist auch nicht der geringste Geruch von Testosteron zu verspüren. Im Gegenteil: Die Gespräche drehen sich – ganz dem Alter der Protagonisten entsprechend – um Darmspiegelungen und ProstataUntersuchungen.
Für Siegerehrungen gibt es jetzt weder Zeit noch Anlass, vielmehr gilt es, die Hauptstraße von Rieblingen in einem zackigen RechtsLinks-S zu überqueren. Wenig später trifft man auch wieder auf die „Abkürzler“von Wertingen – so sie denn ihren Cafébesuch entsprechend gut getimt haben sollten.
Für den „Tiefflug“auf Asphalt hinunter ins Asbach-Tal und in den gleichlautenden Ort gilt nun im allerbesten Rennradler-Jargon: „Kette rechts!“Leo Geier erklärt dem Laien: „Das bedeutet größtmöglicher Gang mit großer Scheibe vorne und kleinstem Ritzel hinten.“Spätestens der heftige Anstieg am Ortsende von Osterbuch stutzt jeglicher rennradlerische Euphorie die Flügel wieder auf Normalmaß.
Doch dafür entschädigt ein letzter fetziger Downhill, bevor Affaltern erreicht wird und die allerletzten Steigungsmeter auf der Waldstraße nach Lützelburg die letzten Reserven herausfordern. Da ist auch der E-Bike-Fahrer erleichtert, wenn der Lützelburger Wasserturm auftaucht, denn über ihm schwebt langsam das Damoklesschwert eines zur Neige gehenden Akkus. Im Ort geht es scharf rechts auf die Peterhofstraße, die auf das nunmehr greifbar nahe Ziel deutet. An der Mündung zur Staatsstraße nach links abbiegend braucht der inzwischen müde Rennradler es nun nur noch wenige Meter ausrollen lassen.
● Fazit: Anspruchsvolle Rennradtour, die auch für E-Bike sehr gut geeignet ist. Man sollte aber auf entsprechende Akkupower achten. Die Strecke ist durchgehend asphaltiert mit flachen Passagen aber auch knackigen Anstiegen und rasanten Abfahrten. Neben vielen autofreien und einsamen Abschnitten auf Radwegen fährt man ungefähr ein Drittel auf normalen Straßen. Ein Navigationsgerät oder eine App erleichtern die Orientierung enorm.